Rabenauge. Sabine D. Jacob

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Rabenauge - Sabine D. Jacob страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Rabenauge - Sabine D. Jacob

Скачать книгу

mit Sofa rundete das Bild ab.

      Der Waffenschrank nahm fast die gesamte Rückwand ein. Er hatte die Größe eines begehbaren Kleiderschranks. Gut und gern fünfzig verschiedene Schusswaffen fanden hier Platz. Jeremy, der selbst kein Waffenkenner war, erkannte trotzdem den Wert dieser Sammlung. Der Geruch nach Waffenöl und Schießpulver erfüllte die Luft, und er atmete tief ein, froh, etwas anderes zu riechen als die Vögel.

      Während er sich weiter umsah, begriff er, warum Nolan diesen Raum mied. Es waren weder die Trophäen noch die Waffen, die ihn davon abgehalten hatten, das Zimmer wieder zu betreten. Es waren die Bilder. Überall verteilt standen sie auf Staffeleien, lehnten an der Wand oder hingen unter den Geweihen und präparierten Tierköpfen. Sie stammten von Zelma. Einige waren mit Laken verhüllt.

      Waren es anfangs Landschaften Cornwalls, die Zelma in ihren Bann gezogen hatten und die sie mit leuchtenden Aquarellfarben teils gemalt, teils getupft hatte, wurden ihre Malereien im Laufe der Zeit immer düsterer.

      Mit einer ausholenden Geste wies Nolan auf die Gemälde. »Sieh mal, dieses dort oben. Wie lebendig das Wasser herunterrauscht und das Moos leuchten lässt. Ist das nicht hübsch? Oder hier, das Rosenarrangement! Sie kannte sich so gut mit den verschiedenen Sorten aus. Dann malte sie mehr und mehr Tiere, bis sie schließlich bei den Vögeln landete. Damit war mit den Aquarellen Schluss. Hier, das ist eines ihrer letzten Bilder. Man erkennt die Melancholie, die beginnende Wahnhaftigkeit in jedem Strich. Kein Lichtblick, kein Anzeichen von Fröhlichkeit findet sich in diesem Gemälde. Es ging ihr sehr schlecht.«

      Jeremy deutete auf die verhüllten Staffeleien. »Und die Bilder unter den Tüchern?«

      »Die zeigen alle den Raben mit dem grauen Flügel. Mal ist er wie ein König auf seinem Thron, umringt von Dohlen, dargestellt, mal in bedrückter Haltung um den mit dem verkrüppelten Schnabel trauernd. Dabei starrt er mich unentwegt an. Immer! Egal, wo ich mich im Zimmer aufhalte. Das ist eine bestimmte Maltechnik, ich weiß, aber ich habe den Eindruck, als würden sich sogar die Halsfedern anders legen.« Er sah Jeremy kurz an. »Jetzt hältst du mich für verrückt, nicht wahr?«

      Jeremy antwortete nicht, sondern sah sich die einzelnen Bilder an. Er liebte Kunst. Nein, es war anders, er liebte es, zu sehen. Das war es. Das Sehen war sein Lieblingssinn. Sonnenstrahlen auf dem tosenden Meer betrachten zu können, den unendlichen Horizont, an dem sich das Wasser zu kräuseln schien, Gräser in allen Schattierungen, Fell von Tieren oder Tau in Spinnennetzen …, das war einfach wundervoll. Manchmal versank er so in einen Anblick, dass er alles andere vergaß. Und aus den Bildern, die er hier sah, sprach so viel. In ihnen steckte eine ganze Welt von Gefühlen.

      »Ich würde sagen, wir nehmen die Waffe mit dem größten Magazin«, unterbrach Nolan seine Gedanken und reichte Jeremy eine Handfeuerwaffe. »Hier hast du eine Glock. Sie fasst siebzehn Patronen. Du brauchst nicht jedes Mal entsichern und kannst so im Notfall durchfeuern. Dann nehmen wir noch die Schrotflinte mit. Sie streut schön weit. Damit können wir mit nur einem Schuss viele Vögel, wenn zwar nicht töten, so doch verletzen. Das Jagdmesser, die Munition …« Nolan kramte im Jagdschrank herum, als Jeremys Blick auf die Fenster fiel.

      Was er sah, erschütterte ihn bis ins Mark. Vor dem mittleren Fenster saß der Rabe mit dem grauen Flügel erhaben und still. Er beobachtete jeden Handgriff, den Nolan tat. Flankiert wurde er von einer großen Anzahl von Krähen. Diese hatten die Köpfe tief zwischen die Flügel gezogen. Sie sahen aus wie Torpedos, die darauf warteten, gezündet zu werden. Eine falsche Bewegung von Nolan oder Jeremy und die Vögel würden den Raum stürmen. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

      »Kennen sie Waffen?«, fragte Jeremy und kam sich gleichzeitig töricht vor.

      »Ich habe schon auf sie geschossen. Sie lernen schnell. Ja, ich denke schon«, erwiderte Nolan. Er bewegte sich plötzlich sehr vorsichtig und langsam. »Wir wickeln am besten alles in die bunte Patchworkdecke da vorn und sehen zu, dass wir wieder in die Bibliothek kommen. Hier sind wir völlig ungeschützt. Ich vermute zwar, sie respektieren diesen Raum als Zelmas Zimmer, vielleicht ist er ihnen in irgendeiner Form heilig, aber ich möchte dafür nicht die Hand ins Feuer legen.«

      Das Päckchen war sehr schwer. Sie hatten ihre liebe Not, es in die Bibliothek zu schleifen und sich gleichzeitig mit den Vorhängen zu schützen.

      Als Nolans Überwurf verrutschte, schoss ein Vogel blitzschnell auf ihn zu und verletzte ihn am Hals. Der Kratzer blutete so stark, dass sein Hemdkragen durchweicht war, als sie die Bibliothek erreichten.

      Dort besah sich Jeremy die Verletzungen an Nolans Hals und seiner Hand und sagte: »Wir brauchen Verbandszeug und Wasser, sonst wird sich das in Nullkommanichts entzünden.« Er deutete auf einen blauen zehn Liter Kanister mit der Aufschrift: Aral. »Der ist schon fast leer.«

      Nolan griff nach dem Taschentuch, das Jeremy ihm reichte, und drückte es sich auf die Halswunde. Kleine Federn säumten dort die eingerissene Haut und er fragte sich, wie viele Keime genau jetzt damit begannen, sich zu teilen, um eine eitrige Entzündung hervorzurufen, die sich gewaschen hätte.

      Mittlerweile war es fast dunkel, und Jeremys Darm fühlte sich an, als hätte sich dort ein Wollknäuel festgesetzt, das nach und nach aufquoll und immer mehr Platz forderte.

      »Aber erst gehe ich auf die Toilette. Danach überlegen wir, was zu tun ist. Komm!«

      »Geh nur, ich gebe dir von hier aus Feuerschutz«, erwiderte Nolan.

      »Wir dürfen uns nicht trennen! Allein ist es viel schwieriger, die Vögel in Schach zu halten. Wir nehmen die Waffen mit und knallen zumindest die Krähen in der Eingangshalle ab. Dann füllen wir auch gleich den Wasserkanister auf.«

      Nolan wollte nicht wieder da raus – dahin, wo die Krähen ihm auflauerten. Allein der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu. Außerdem hatten die Vögel Jeremy noch nicht angegriffen. Er wies auf seine Handverletzung und seinen Hals, von dem das Blut in den Hemdkragen lief. »Solltest du nicht zuerst Verbandszeug für mich holen?«, fragte er.

      Aber Jeremy sagte: »Ohne dich? Bist du verrückt? Wenn die Vögel hier reinkommen, bist du geliefert. Wir bleiben zusammen, keine Widerrede!«

      Schon wieder hat Jey gewonnen, dachte Nolan, und ich bin der Dumme. In seinem Mund breitete sich ein bitterer Geschmack aus. Mit verkniffenem Gesichtsausdruck reichte Nolan Jeremy die Schrotflinte und das Jagdmesser. Er selbst steckte die Pistole ein, nahm den Plastikkanister und stopfte sich die Taschen voll Munition.

      Jeremy tat es ihm gleich, während er überlegte, ob sie wohl erneut heil auf die andere Seite des Hauses kommen würden. In diesem Moment fühlte er sich hilflos wie ein Männchen in einem Computerspiel, das Monstern ausweichen oder auf Sprungfedern hüpfen musste, um das nächste Level zu erreichen.

      Leider hatte Jeremy aber nur ein Leben, keine drei.

Image

Image

      Nachdem sie sich wieder in die Vorhänge gewickelt hatten, öffnete Jeremy die Tür zur Eingangshalle einen Spalt. »Bist du bereit, Nolan?« Er blickte über seine Schulter zurück.

      Nolan hob einen Daumen in die Luft, kam sich dabei aber reichlich albern vor.

      Dann traten sie in die Halle. Einzig der Kronleuchter spendete ihnen etwas mattes Licht.

      Jeremys Blick

Скачать книгу