Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

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Auf eine unerklärliche Weise schien er immer noch ihr Boss zu sein. Keine Medizin, keine Operation und keine religiöse Überzeugung konnten ihn restlos aus ihren Köpfen entfernen. Er muss bei den Männern Gefühle auslösen können, wie nur er es konnte und das warf lange Schatten in die Gegenwart. Einmal "Herrenmensch", immer "Herren der Menschen", würde es nicht tiefgründig genug beschreiben. Ebenso würde ich auch nicht Goethes Mephisto zu Worte kommen lassen. Niemand aus der Riege der Großkriegsverbrecher hatte einen derartigen Nimbus. Vater hätte nie gesagt: "Wenn das der Göring wüsste". Aber: "wenn das der Führer wüsste", war legitim und sagte alles. Ich kann mich an einen langen Film über die Nürnberger Prozesse erinnern. Eine unmissverständliche Breitseite an Rechtsbelehrung, der amerikanischen Führungsnation an die deutschen Teufel, wie die Herren erkannten. Diese Filmmaterialanalysen fanden unter Ausschluss weiblicher Teilnehmer statt. Damit war gewährleistet das nur tief im Thema befindliches Fachpersonal anwesend war. Schließlich wurde auf höchstem Niveau analysiert und debattiert. Dazu fällt mir spontan ein wie unsere Lehrerin Frl. Radke im Klassenzimmer betonte: >Kriege werden nicht gewonnen, nur verloren<. Und das im Krieg immer die Wahrheit das erste Opfer sein wird. Ich erinnere mich an Filme wie: So weit die Füße tragen, Canaris, des Teufels General, der Arzt von Stalingrad, 08/15, Fabrik der Offiziere, das Urteil von Nürnberg, meines Vaters Pferde und andere. Eine mittelschwere Krise bekam mein Vater gerne, bei Dialogen in einem seiner Lieblingspropagandastreifen, dem Urteil von Nürnberg. Mit Spencer Tracy, Maximilian Schell und dem widerlichen Richard Widmark, als Ankläger. >Schwarz-weißer geht es kaum war noch<, sein neutralster Kommentar. Gutgläubige Helden treffen auf bösartige Nazis. Wobei Nazis immer und überall grundsätzlich böse zu sein haben. Ruhig blieb es dabei nur selten, zum Beispiel bei der Rede des Strafverteidigers Maximilian Schell, über die Schuld der Welt am zweiten Weltkrieg. Zu den Kommentaren über Marlene Dietrich, schweige ich an dieser Stelle. Alles Material das gesendet werden durfte. Aber oft wurde an Streifen erinnert die man sehen wollte, was die Zensur der Besatzungsmächte und ihre Helfershelfer untersagten. Volksverhetzende Propaganda würde es darstellen. Das mit Jud Süß war klar, aber was ist mit manchem Riefenstahl Werk, oder einem Klassiker wie Stukas? fragte sich die Runde. Aber B-52 Bomber werden ganz ungeniert in amerikanischen Propagandafilmen dem deutschen Volk wieder und wieder präsentiert. Wie sie kommen und deutsche Städte in Schutt und Asche legen, empörte sich die Runde. Einmal regte sich Direktor Riester mächtig auf, weil die US- Armee in den Schulen und Heimen B- 52 Bomber, als Plastikspielzeug, massenweise verschenkte. Soldaten fuhren im großen LKW vor und luden das Kriegsspielzeug auf Pausenhöfen ab. Es geschah seltsames, wenn die weitgereisten Männer in die Röhre sahen. Zum Beispiel bei diesem ostpreußischen Pferdegestüt Drama mit der normannischen Allzweckwaffe Curd Jürgens. Da sah ich harte Kerle beim Gnadentod eines ostpreußischen Pferdes in heftiges weinen ausbrechen, was eine Ehre war. Natürlich hatten viele Filme mehrfache Wiederholungen hinter sich und man kannte einige Texte auswendig. Wenn Alfredo Casanova vortragen konnte, so galt es bei meinem Vater für die Führerreden. Die Zelluloid Traumfabrik und ihre Filme holte sie zurück in die bewegten Zeiten. Im Prinzip war aber jeder, zumindest moralisch, ein General Harras. Der Lebemann und Weiberheld Jürgens galt ihnen sowieso als Kernkompetenz eines deutschen Urtypus. Was heute ein Dieter Bohlen sein mag. Grundsätzlich glaube ich: Wer die 20er und 30er Jahre in Deutschland nicht erlebt hat, ist nur ansatzweise in der Lage zu verstehen wieso der Dämon Adolf Hitler sich so einen Nimbus bei dieser Generation verschaffen konnte. Als wäre der Mann aus Teflon. Immerhin haben sie einen Eid auf den Führer und seine Ideale geschworen. Der schien noch zu gelten, trotz allem. Ein Versprechen auf den apokalyptischen Reiter, der ohne seine Helfers Helfer kein Lager errichten, Zyklon B einsetzen und Kriege vom Zaun hätte brechen können. Es ist wie überall auf der Welt. Ob Demokratie, Diktatur, Bananenrepublik, Kolonie, oder im Arbeiter- und Bauernparadies – vor dem Gesetz sind alle gleich, außer die die gleicher sind und über dem Gesetz stehen.

      Düsentrieb Rehm

      Friedhelm "Düsentrieb" Rehm erinnerte mich in Erscheinung und Wesen an den bekannten Schauspieler Gustav Knuth. Karriere als Gebrauchsfälscher, in der Zeit vom braunen Spuck, hat Friedhelm Rehm nur gemacht, weil sich ein Jugendfreund an ihn erinnerte. Rehm habe ihm schon früh in der gemeinsamen Schulzeit entscheidende Hilfe zukommen lassen. So war es ganz natürlich das er später nach ihm fahnden lassen hat. Als Talent, wie sie gesucht wurden. Dem unpolitischen Rehm berauschte das Angebot an Möglichkeiten sich künstlerisch zu entfalten. Enorme Ressourcen standen zur Verfügung die jeweils gestellte Aufgabe zu erfüllen. Zwischen stempeln gehen und einer "Sonderabteilung geheime Reichssache" gab es nicht wirklich eine Wahl. >Nicht bei klarem Menschenverstand<, wie er in geselliger Runde versicherte.

      >Blond, wie Hitler, schlank, wie Göring und mit einem Adlerblick, wie Himmler<, scherzte gerne der Mann mit den begnadeten Händen, warum er bei der Spezialeinheit gelandet war. Im Grunde sind es wohl eher seine Fälscher Qualitäten gewesen. Die Dinge liefen anders und dann aus dem Ruder. >Das passiert in der Weltgeschichte immer wieder<, beteuerte unser Düsentrieb immer wieder. Aber seine Arbeit an den geheimen Reichssachen wäre spitze gewesen und niemals wieder hätte er diese Möglichkeiten gehabt und so viel dabei gelernt. >Wenn bloß weniger Krieg gewesen wäre, dann wäre es vielleicht noch gut ausgegangen<, so der begabte Mann für Darstellung von Illusionen. Weil sein Schaffen immer als kriegswichtig galt brauchte er nicht mal zum Endkampf eine Waffe in die Hand nehmen. Aber wahrscheinlich war er auch früher für einen Schützengraben, oder Häuserkampf, nicht zu gebrauchen gewesen. Heute sagt er: >Manchmal denke ich das ich noch gar nicht so alt bin. Und dann höre ich mich aufstehen! Rehm und Vater hatten ein gemeinsames Hobby und verbrachten deshalb manche extra Stunde miteinander. Beide konnten lange vor ihren Bienenständen hocken, mit Zigarren im Mund und den Tieren beim ein- und ausfliegen zusehen. Ein Teil der Bienenvölker stand auf der Domäne, deshalb konnte es vorkommen das Vater die Nacht auf der Domäne blieb. Vielleicht aber auch weil Rosi Motzke, das ewig dralle BDM Fräulein von der Dorfapotheke, noch etwas repariert haben wollte, mit Hilfe seiner Rohrzange.

      Der dicke Rehm lebe ein Dorf entfernt und besaß unter den Kameraden den Status eines Zauberers, eines Künstlers und genialen Fälschers. Ein Rehm, ein Original, eine Kopie, so hießen die Qualitätsstufen in dem kleinen Kreis eingeweihter Bewunderer des Meisters. Unser Düsentrieb, den viele Kameraden auch "den Spiegel" nannten, weil er Kopien Spiegel genau anfertigen konnte, fuhr noch immer, trotz bester Auftragslage, seinen klapprigen 50er Jahre Lieferwagen weiter. Wir nannten ihr wirklich sehr, sehr gerne Düsentrieb. Er meinte mal: >Je länger der Spuk vorbei ist, desto größer die Nachfrage nach seinen Symbolen<. Tja, und heute kann man sagen, ein echter Rehm steht in mancher amerikanischen Veteranen Sammlung. Sei es als Büste des Führers, als Bild, oder als Buch von ihm, mit persönlicher Widmung an einen bedeutenden Wehrmachtsgeneral und viele andere NS Artikel aus dem reichhaltigen Programm. Eingeweihte behaupten ferner, er könne das Kreuz Jesu wieder herbeischaffen, aber da überfielen selbst ihm Skrupel. Obwohl Skeptiker dazu sagen: Es sei wie immer, nur eine Frage des Geldes. Zum Düsentrieb ging ein Gewährsmann, wenn jemand etwas nicht bei Karstadt, Horten, Merkur, oder sonst wo bekommen konnte, aber es nun mal unbedingt brauchte. Vater meinte jedenfalls, Düsentrieb müsste sich locker, bei der Auftragslage, einen Luxus Lieferwagen leisten können. Offiziell war er Unternehmer in Sachen Schrotthandel, Holzhandel, Imkerei und Käsehandel. In diesen Berufsfeldern klapperte er die Dörfer ab. Er galt als Einsiedler. Mit großem Grundbesitz auf dem ein Haus, Schuppen und eine alte Wellblechhalle standen. Alles etwas verwahrlost und gemäht wurde selten, sodass der Schrottplatz im Sommer unter Büschen und Gräsern versank. Überall lag Gestrüpp herum und wucherte Unkraut. Obstbäume, deren Früchte niemand erntete, Laubbäume in grünem Kleid, oder längst abgestorben. Manchmal findet sich dann im Sommer, im hohen Gras zwischen den Autowracks, eine Düsentrieb Produktionsreihe von antiken Messing Führerköpfen. Zur Glaubwürdigkeitsverbesserung der Witterung ausgesetzt. Jedes Stück bekam sichtbar einen individuellen Lebenslauf verpasst. Da war Rehm in seinem Element. >Vertraue keiner Kopie, die du nicht selber angefertigt hast<, so der Meister. Auf dem Schrottplatz sammelten sich immer mehr alte und verunfallte Mercedes Modelle. Einmal zeigt mir mein Bruder einen 300er Sportwagen. Das Flügeltürmodell. Der war total in Ordnung. Trotzdem soll Rehm ihn spottbillig erworben haben. In der Kiste verweste längere Zeit ein Selbstmörder und der Wagen muss

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