Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke
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Tante Greta, Onkel Gerhard
Von Zeit zu Zeit rauschte Tante Lilian zu Besuch an. Vater nannte sie Greta Holz, weil er sie nicht für die Intelligenteste unter der Sonne hielt, aber trotz ihres "Holz Kopfes", oder deswegen, viel Glück im Leben hatte. Greta (so ihr richtiger Vorname) lebte seit Kriegsende mit ihrem holländischen Ehemann in Groningen. Im tausendjährigen Reich war sie Sekretärin und Geliebte eines "Partei Goldfasan" gewesen. Wegen gewisser Unregelmäßigkeiten durfte ihr Geliebter seine Treue zum Führer ab 1943 auf dem Feld der Ehre ausleben. Greta wurde in die Verwaltung eines politischen Gefangenenlagers versetzt. In jenen Jahren, das können alte Fotos bestätigen, ging sie wirklich als optische Kopie der ehemaligen UFA Schauspielerin Lilian Harvey durch. Das dürfte im Umfeld vieler entbehrender Männer kein Nachteil gewesen sein.
Der Goldfasan blieb auf dem Feld der Ehre stecken und Tante Greta lernte, noch in ihrer Dienstzeit, den Kriegsgefangenen Gerhard van Damme kennen. Er durfte sich in die verfügbare Lilian Harvey verlieben und so nahm er sie nach der befreienden Niederlage mit in seine Heimat. Schwieriger war die Diskussion mit den Eltern, warum es gerade ein deutsches Mädchen sein musste. Aber zumindest war Lilian Harvey ja Engländerin. Die Eltern waren nicht unvermögend und so hat Greta auch die Nachkriegszeit, ohne irgendwelche Not, bewältigt. Währenddessen lag ihr Bruder, nach letzten Kampfhandlungen, denen er aus alter Gewohnheit nicht aus dem Weg gehen konnte, mit diversen Ein- und Durchschüssen in einem Lazarett.
Es wehte ein Hauch von Luxus in unsere Straße, wenn Onkel Gerhard seinen roten Opel Diplomat V 8 vor unser Grundstück lenkte und den 8 Zylinder abstellte. Für Vater blieb der Wagen allerdings nur eine "Ami Schaukel". Gerhard stieg aus, immer im Anzug gekleidet, öffnete die Beifahrertür und half seiner Frau sanft aus dem verchromten Schlitten. Die ehemaligen Filmstar Kopie entglitt dem Haufen Blech und plötzlich beschlich uns Randfiguren die gleiche Frage: Wo sind die Kameras, wo sind die Reporter? Die fünfzig Meter bis zum Hauseingang brachten einen "modischen Welt Flair" in unser Dorf. Neidische Nachbarn, mit Sicht auf Gretas Laufsteg, verglichen dieses Phänomen, mit der Ankunft eines Ozeandampfers am Columbus Bahnhof. Dann dachte ich auch schon mal, was ist, wenn Greta die echte Lilien Harvey wäre und wir das nur nicht wüssten? Jetzt in den 60ziger Jahren, war sie auch nicht mehr taufrisch wie in den Filmen die ich kannte und man müsste mal erfahren was aus dem Filmstar von einst geworden ist. Aber das waren alles nur gedankliche Momentaufnahmen und das wichtigste für uns Kinder war Tante Gretas Freigiebigkeit.
Es kam vor das sie 2 Wochen bliebt, Onkel Gerhard aber nach ein paar Tagen wieder abfuhr, weil er als Direktor einer großen Fabrik nicht lange abwesend sein konnte. Wobei Vater und Gerhard sich prächtig verstanden was in der Feststellung gipfelte, die Vater in kleiner Runde gerne vertrat, solche Kerle seien in der Waffen- SS erste Wahl gewesen. Gerhard war äußerlich ein Bilderbuch Germane und Frauentyp, keine Frage. Jahre später erzählte mir Vater, das Gerhard schon lange eine jüngere Freundin hatte und vor allem deswegen früher den Rückweg antrat, dabei Greta gerne bei uns noch länger geparkt ließ. Das gehörte zum Weltbild der nordischen Königsklasse, von Jägern und Eroberern, selbstverständlich dazu und war innerhalb der Kameradschaft verbreitet. Lag wohl an dem wechselhaften und gefährlichen Leben der Männer, in den Kriegsjahren, es so zu sehen. Ab diesem Zeitpunkt verstand ich deutlich besser, wieso Onkel Gerhard es mit Tante Greta all die Jahre aushalten konnte. Er kam uns in erster Linie nicht als gleichwertiger Ehemann vor, sondern eher als Diener, Fahrer und Bewunderer einer Diva. Meiner Mutter gegenüber äußerte Greta den Verdacht Gerhard hätte etwas mit den Dienstmädchen, welche sie deshalb öfter wechselte. Das seine Freundin eine eigene Wohnung hatte, in einer Abteilung der Firma tätig war und Gerhards ewige Nachtschichten nicht an die Fabrik gebunden waren, dass ahnte sie nicht. Gerhard revanchierte sich für Vaters Verständnis, die Greta länger zu behalten, indem er den Neubau unseres Einfamilienhauses, mit Rat und Tat, unterstützte. Als Direktor und leitender Ingenieur hatte er ein Händchen dafür, war es gewohnt zu organisieren und Menschen zu führen. Der Hausbau war schnell erledigt und kam Vater günstig. Bürgermeister Hans schwärmte noch lange von Gerhards Qualitäten und hätte ihn sofort als leitenden Angestellten, für die Baufirma, eingestellt. Es herrschte Fachkräftemangel in der BRD und auch Bauunternehmer Hans hatte zu wenig Personal, für zu viele Baustellen. Unsere Holländer brachten modischen Flair in die Siedlung der mit ihrer Abreise leider wieder verflog. Wie Parfüm das einem nur zeitweise anhaftet.
Seelen, Sünden und Strategen
Den Oberst hat es auf der Flucht aus Ostpreußen nach Norddeutschland verschlagen. Wie viele andere Heimatlose auch. im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen, konnte er große Mengen Inventar, ob Kronleuchter, Möbel, Bilder und die Bibliothek, schon vor den Zugriff "der roten Horden" in Sicherheit bringen. Die Heimat, samt Rittergut, konnte er zwar nicht retten, aber für den Erwerb einer neuen Domäne, mit Land- und Forstwirtschaft, reichten die persönlichen Mittel im dritten Reich bereits aus. Der Oberst, Gutsherr von Geburt und Lebensart, war ein Alfa Tier, wie man so sagt. Er scharrte gerne ein Rudel um sich. Alfa Tiere gibt es in verschiedensten Bereichen der Gesellschaft und Gento meint, besonders Filmregisseure müssten Leitwölfe sein. Der Oberst lebte zwar in unserer Zeit, aber er unterschied sich von vielen Menschen der Gegenwart. Aus der Zeit gefallen waren schließlich alle Männer der wilden 13. Die Vergangenheit hörte nicht auf ihre Gegenwart zu sein. Warum sie die braune Zeit im Blut behalten haben, wird man nie ganz entschlüsseln können. Bei Macken und Merkmalen von blauem Blut Inhabern tippt mein Vater gerne auf Inzucht, aber das ist eine ganz andere Problematik. Seine Haltung, seine Körpersprache, ähnelte in keiner Weise der unserer Generation. Mit seiner bestimmenden Stimme konnte er ein Fußballfeld beschallen, oder natürlich einen Kasernenhof. Man muss ihn schon als starke Persönlichkeit anerkennen, um ihn nicht kritisch zu sehen. Der Oberst war, in seiner Position ein einsamer Mann, dafür bekam er viel Respekt. Ein Übriges tat sein Redetalent, in der Nähe von Fahnen und Sonnenblumenfeldern. Er war die uneingeschränkte Nummer Eins, solange kein Gast, wie Wolga Wolf, oder ähnliche Kaliber, auf der Domäne logierten. Manchmal sehe ich den alten Zwölfender (wie Rudi ihn nannte) noch heute, in meinen Tagträumen, mit seinem Pferd über die Felder reiten. Ohne die Zustimmung vom Oberst lief kein Geschäft mit der Vergangenheit. Sein Rang und die "Ponderosa" machen ihn zum Führer der Männer vom Widerstand, wie sie sich einschätzten. Durch unser vorzeigbares Aussehen, als Junkerschulen Anwärter und dem Vertrauen in unsere Loyalität und Verschwiegenheit, wurden wir immer mehr, für Besorgungen und spezielle Dienste, herangezogen. Zum Beispiel musste der Mercedes W 189, vom Oberst, immer blitzblank gehalten werden. Lange hatten die Männer nach einem Mercedes W 150 suchen lassen, aber ohne Erfolg. Das wäre ein Verkaufsschlager geworden, da war sich Vater sicher. Vorausgesetzt, der Oberst hätte sich wieder von ihm trennen können. Wir kümmerten uns um den Benz, wir halfen bei den Pferden, wir arbeiteten bei der Ernte, beim Auf - und Abbau von Domäne Festen, durften mit putzen und polieren von Fundstücken unsere Finger blutig scheuern, oder bei der Jagdhütte helfen, wenn die Amerikaner draußen waren. Im Hochsommer saß man gerne im Garten und somit konnte ich ganze Abende den Gesprächen der Männer zuhören. Ich saß schweigend im Gras und versuchte unbemerkt zu bleiben. Dann wurde ungefiltert über erlebtes gesprochen, oder Kriegsberichte aus Büchern von Konsalik, Simmel oder Kirst zensiert. Vor dem Herrenhaus der Domäne, am Ende der Zufahrt, lag der große Kieselsteinplatz. Bei strahlendem Sonnenschein glitzerten die Kiesel und man hielt sich die Hand vor Augen, so hell strahlte es. Hier entluden die Blechkarossen ihre Fracht aus Erinnerungsträgern, wie den Albino. Eines denkwürdigen Tages fuhr ein Taxi den Kiesweg hoch und brachte den "Indochina Albino" vor die Tür. Mit weißem Haar und sonnengegerbter Haut, direkt Francos Costa Blanca entsprungen. Das war ein großes Hallo und beide, der Oberst und der Albino, vergossen dabei ein paar Tränen. Es wurden sofort ein paar Leute für den Abend eingeladen und bis in den Morgen im Rauchsalon gefeiert und diskutiert. So erfuhr ich, als Ordonanz