Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke
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Auch ich war einst ein feiner Csárdás Kavalier,
hab kommandiert Zigeuner, gerade so wie ihr!
Hab mir die süßen Geigen singen lassen,
die Dukaten springen lassen, gerade so wie ihr!
Nach all den Jahren existiert ihre Erinnerung hauptsächlich im Glanz einer Märchenwelt. Robert, der Ostpreuße, wünschte sich die lange Gasse in Danzig zum Neptun Brunnen zu gehen und durch die Rominter Heide zu reiten. Am Kamin hielt er sein Glas in die Höhe und brachten immer denselben Spruch über die Lippen: >Mein Herz ist aus goldenem Bernstein von der kurischen Nehrung und meine Seele stammt aus dunklen masurischen Wäldern. Und der Görlitzer wollte noch einmal ins Riesengebirge, nach Stonesdorf zum Schloss, da wo sie den Likör gebrannt haben. Dann rauf zur Schneekoppe und ein letztes Mal dem Rübezahl begegnen. So hängen die Heimatvertriebenen ihren Träumen hinterher. Vielen blieb er bis zum Lebensende unerfüllt. Aber wer weiß schon was sie dort erwartet hätte. Vielleicht war es besser so. An solchen Abenden wartete ich darauf das der Oberst in den Rauchsalon, zu den vielen sympathischen Bildern, bat. Mit dem Ortswechsel änderte sich auch die erzählten Geschichten. Die bald von Zigarrenrauch durchzogenen privateren Erlebnisse kamen meiner Interessenlage entgegen. Nie werde ich die Ölgemäldegalerie vergessen. Dort hingen Schinken an den Wänden, allesamt slawische, italienische, mit Sicherheit fremdländische Mädchen abbildend. Prachtexemplare ausgewählter Schönheiten allesamt mit Schlafzimmeraugen und zum Verweilen einladend. Eine Sammlung von Töchtern besonderer Sorten, denen der Oberst auf diese Weise seine Vorliebe zollte. Portraits von zigeunerhaft wirkenden Südländerinnen mit straffen Busen im Dekolleté, als Tänzerin mit einer Rose im Mund, mit Gitarre, am Meer, beim Karten legen, sogar Brustbilder mit halbnacktem Busen hingen fest an der Wand. Das waren Bilder verzaubernder Verführbarkeit, die die Herren, zu gegebener Stunde, wohl zu inspirieren vermochten. Als Kitsch, Folklore oder Kunst, lag allgegenwärtig ihr Sex in der Luft. Spätestens, nach der Sache beim Kessel von Demjansk (7000 Tote Waffen SS Männer und danach hielt die US Armee in Österreich nicht ihr Versprechen und übergab viele Überlebende in den sicheren Tod, an die Sowjets) konnte der Oberst nicht mehr zum Freund der westlichen Schutzmacht werden. >Es gibt Ereignisse an die man sich immer erinnern wird,< sprach der Oberst.> Die erste Uniform, die erste Schlacht, die erste Frau und das erste Ehrenwort eines amerikanischen Offiziers.< Dann polterte der Oberst gerne los: >Alle, die weg sehen, während anderen die Scheiße bis zum Halse steht. Sau Kerle, die es sich im Gelde wohlergehen lassen. Einen Daumen im Arsch, den anderen im Mund. Den Himmel anbeten, dass es so bleiben möge. Diese Fürsten, die sich anmaßen, dem Willen Gottes zu entsprechen. Wenn das wahr ist, wünsche ich keinem, denen im Himmel zu begegnen. Ja, auch beim Thema Kirche polterte der Oberst, gerne auf feuchten Feiern, Breitseiten von Monologen in Richtung seiner besonderen Freunde ab. Wie das bei Lieblingsthemen passieren kann. Ich erinnere mich an Wortgefechte mit Prediger Pahlke, dem trinkfesten, ehemaligen Feldgeistlichen und aktiven Christen. Wenn man unter aktiven Christen die Kirchenläufer verstehen kann. Es war wieder einmal am 20. April auf einem kleinen Empfang in den Herrenzimmern. Es war ein nasskalter Tag gewesen und abends gab es fettes Essen und steifen Grog. Als Ordonanz durfte ich alles den pegelfesten Gewohnheitstrinkern anrichten. Ab einem mittleren Pegel standen erwartungsgemäß der Oberst und der Prediger beieinander. Hoch motiviert ein paar Wahrheiten "raus zu hauen". >Hör mal zu, Pfaffe<, so begann der Oberst stets ein Gefecht der Monologe. >So von Prediger zu Prediger: In der Suggestion von Massen kennen wir uns aus. Kirchen arbeiten mit Märchen und Mythen von tausend und einem Lagerfeuer. Rituale, Suggestion und Okkultismus, da hat sich die Menschheit immer gerne hinter versteckt und anderen das Denken überlassen. Nur zwei Schwindler mehr, die die Menschheit in Schach hält. Aber einer muss es ja tun, sonst droht schlimmeres. Und ich lasse, heute am 20. April, den Führer auferstehen, wie einen Mann, der wirklich gelebt hat. >Ja, da sind wir gar nichts so verschieden<, entgegnete Pahlke. >Herr Hitler muss ein sehr guter Hypnotiseur gewesen sein, wenn man sich die jubelnden Massen ansieht. Sind Millionen Mitläufer deshalb unschuldig, weil sie vom schreienden Wanderprediger hypnotisiert worden waren? Wir haben wir es doch beide erlebt, mein geschätzter Oberst. Wie man es nimmt, mein lieber Pahlke. Der Pope in Rom ist nicht weniger erfolgreich und das schon seit über tausend Jahren. Hat sicher nicht weniger Leichen auf dem Kerbholz. Das Grundproblem auf dieser Welt ist doch das die wirklich Guten die wirklich Bösen immer böse sein lassen. Weil diese Feiglinge an das Gute in diesen Wölfen appellieren und dann zwangsläufig, auf die eine oder andere Art, zu Opfern mutieren. So wird es irgendwann die Amerikaner erwischen. Nicht heute, oder morgen. Aber eines Tages wird sich eine Diktatur durchsetzen. Die Wölfe endgültig die Kontrolle über die Lämmer übernehmen. Die Diktatur ist weltweit das große Zukunftsmodell. Dann wird dem Christentum mit seiner "auch die andere Wange hinhalten Einstellung" genüge getan sein. Frei