Solo für Schneidermann. Joshua Cohen

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Solo für Schneidermann - Joshua  Cohen

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      hell genug für mich, um die Bilder zu wecken (die in jenen Tagen meine einzige Lektüre bildeten, die Genesis meiner sexuellen Obsessionen),

      aber nicht hell genug, um Ziggi zu wecken, und erst kurz bevor der Wecker klingelte – ein neues Modell, das seine Eltern ihm geschickt hatten, für ihren Jungen war das Beste gerade gut genug – und ihn zu Duetten mit seiner Freundin weckte, einer mittelprächtigen Pianistin, aber immerhin begabter, als er je werden würde, selbst nachdem die beiden endlich aufgegeben und resigniert einen Musikalienhandel eröffnet hatten, dessen Schulden und die Distanz, die er zwischen ihnen schuf, einer römischen Katholikin und einem Juden, sie umgebracht hätte, hätten die ganzen musikalischen Nazis nicht fürsorglich und vorsorglich interveniert,

      und Auschwitz nahm ihnen dann ihre Lasten ab, einen Monat bevor die Umstände wirklich fatal geworden wären.

      Ich richtete den Blick immer abwechselnd auf die Bilder und auf ihn und den Wecker neben seinem Kopf, fast schon in der Leere seines Ohrs verkeilt,

      und schob die Bilder dann schnell unter die Matratze, tat, als ob ich schliefe, und dann klingelte sein Wecker, lärmte und weckte ihn auf, und Ziggi sprang in einem Satz durchs Zimmer und kontrollierte meinen Schlaf heuchelnden Körper,

      dann zog er die Gardinen beiseite, riss die Flügelfenster auf und zündete sich die erste von zwölf Zigaretten des Tages an – das ganze Zimmer füllte sich mit den Jahreszeiten und den Anzügen und Kleidern, die draußen schon unterwegs waren,

      aber jetzt gibt es keine Bilder mehr, oder?

      keine flachen, statischen Aufnahmen mehr, keine Papierpornos, heute studiert man alles am Bildschirm, und die Hauthefte sind heutzutage spezialisierte Fetische: keine ausklappbaren Faltblätter mehr, fort sind die erotischen Erzählungen, die Schneidermann immer so geliebt und mit denen er angeblich Amerikanisch gelernt hatte – in den Matineefilmen war eine obszöne Ausdrucksweise, die für sein Immigrantenohr gar nicht so tabu war, natürlich nicht gestattet –; stundenlang hatte er in der verwaistesten öffentlichen Bibliothek oben an der St. Nicholas Avenue gesessen, die eine Hand im Webster’s, Macmillan’s oder Oxford’s, in der anderen seinen Riemen, den er durch all die Briefe an die Herausgeberin stieß:

      Ich hätte nie gedacht, dass mir das mal passieren würde, aber Schneidermann, hier drüben auf der Uppersten Westside ging er oft nackt an die Tür, eine aus Österreich-Ungarn eingeschleppte Gewohnheit, ein nach Harlem importierter Trend, falls es nicht eine ungeniert aktualisierte Wandervogel-Marotte war, der Schneidermann nachgab, wenn er bei einer Pfadfinderin Gratisminzbonbons zu schnorren versuchte,

      aber egal, was es war (reiner Exhibitionismus?), er machte sich damit nicht sonderlich beliebt bei den diversen Missionaren und Pizza-Boten, die ich oft als Botschafter des guten Willens zu ihm schickte, als Entwicklungshilfe oder einfach, na, als Überraschung!

      (was von Clausewitz’ oberstes Prinzip aller Kriegsführung war, woran mich Schneidermann nach einem Matineefilm über die Koalitionskriege mal aus heiterem Himmel erinnerte) und die ihre besten Sonntagshandflächen ausstreckten und Trinkgeld erwarteten,

      schamlos im Gegensatz zu den Mormonen und Lohnsklaven, ließ er einen im Adamskostüm ein. Und bat einen wahrscheinlich, seine Brust abzuhören. Ihn zu auskultieren.

      Denn – dürr wie die Hoffnung, dünn wie ein Klaviersaitensteg, nackt wie die Hoffnung – es war sein unerklirrlicher Glaube, dass er auf unergründliche Weise eine Münze in den falschen Hals bekommen, inhaliert oder verschluckt und in den einen oder anderen Lungenflügel bekommen hätte: An manchen Tagen war es der rechte, an anderen der linke, aber immer eine Münze in einem davon, und darum bat Schneidermann einen oft, zu oft, seine Brust abzuhören, das Ohr an sein Sonnengeflecht zu legen, und man horchte aus nächster Nähe, roch auch seinen Geruch, um der Wahrheit die Ehre zu geben

      (und die gebührt ihr: Schneidermann, er ließ sich da nicht reinreden – Deodorants waren für ihn ein Beschiss und Antiperspirantien ein Regierungskomplott, mit dem sich unter anderem Bewegungen und Hormone eines Menschen verfolgen ließen), und er atmete. Und hustete.

      Schneidermann zu mir: Hört sich das nach einem Fünf- oder nach einem Zehncentstück an?

      Ich konnte das nicht sagen. Es war ein Klirren. Als wäre die Lunge selbst eine Münze, in der eine Münze herumklirrte.

      Schneidermann zu mir: Wenn es ein Zehncentstück ist, könnte sich die Mühe lohnen, es hochzuhusten,

      und dann setzte er sich – scheinbar noch nackter als zuvor, auch wenn das nicht geht, mit nacktem Po auf dem Hocker – ans Klavier, sein Pianino von BALD, denn das WIN war schon längst abgewetzt, und ich nahm meine Geige aus dem Kasten (meine Fiedel, wie Schneidermann immer sagte),

      meine Geige, die schätzungsweise das 198-Millionenfache dessen wert war, was Schneidermann je verdient hatte oder in seinem ganzen, überlangen und doch immer viel zu kurzen Leben verdienen würde, und wir, Schneidermann und ich, wir legten uns ins Geschirr, läufige Genies – das war meine beste Vorstellung, ein Nachmittag in Manhattan, ich und er und seine verschobene Komposition, sein Konzert drängte sich um sein Pianino, aufrecht wie er, ob Sie’s glauben oder nicht, und eine Münze, ein durchbohrter Vierteldollar, ein Fünfcentstück am Fädchen steckte vielleicht in einer Lunge, vielleicht seiner einzigen Lunge und klirr- und klöterte da zu allem herum, was ein ärmliches Mezzoforte überstieg.

      Das war fern und weit in der Dschehenna, wie Schneidermann, so nannte er immer die Uptown,

      es war ein kleines Klavier, deswegen aber kein Klavierauszug – er hämmerte die Eröffnungstakte seines Konzerts, Schneidermann, er nagelte alles fest: nach dem Einbruch, dem versuchten Diebstahl, nagelte Schneidermann den Klavierhocker fest und das Pianino auch.

      O das Orchester! das sich hinter mir langsam aufgelöst hat, sich zu Verabredungen, in den Mondschein, zu Männern, Frauen und Geliebten aufgemacht hat, um im Café nebenan zaghaft am Zentee zu nippen, selbst die Harfenistin, die ich liebe, von der ich träume, die ich aber noch nicht gepflückt habe, sie ist von hinnen und heimgewelkt,

      fast alle bis auf den Knirps an der Pauke, der mich anscheinend amüsant findet, oder? Nun, Schneidermann, er hatte die gesamte Holzbläsergruppe im kleinen Finger, schmucklos, in dieser Nation, in diesem Staat unverheiratet wie Glenn Gould, aber Schneidermann, er war der beeindruckendere Pianist (wie Richter auch, und das nicht nur meiner Meinung nach),

      war überhaupt beeindruckender bei allem,

      und fragen Sie einfach die Holzbläser von den Piccoloflöten bis zu den grölenden Kontrafagotten! nach den Jahren der qualvollen Ausbildung, der Disziplin, der Ablehnungen, des Feinschliffs und des Rohrblattwahnsinns für die Oboen, das Vorstadtgeld, das sie gekauft hat, Sie, die Muße für den Feinschliff, denn hier gibt es außer Schneidermann (und vielleicht mir) keine Genies,

      Schneidermann, er kannte da keinerlei Hemmungen, wie konnte man also,

      in die Kulissen aufgelöst,

      in Taxis, U-Bahnen und fort,

      zu Presseerklärungen, Abendnachrichten,

      in die Downtown auf der Suche nach edlen Spirituosen, um mich auf der Leinwand zu sehen,

      falls hier jemand filmt,

      um zu tratschen, wie konnte man also erwarten zu leben? wenn man überhaupt wollte? wenn man hier nicht dranblieb, eisern durchhielt – schwitze zu viel, sprühe Sie voll, ’tschuldigung,

      wenn

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