Im Land des Feindes. Marthe Cohn

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Im Land des Feindes - Marthe Cohn

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nicht dahinter, dass Oskar ein deutscher Jude war. Wegen ihres Fluchtversuchs wurden er und Oskar zu einem Monat Haft im städtischen Gefängnis verurteilt. Da das Gefängnis unter französischer Leitung stand, durften wir ihn täglich besuchen.

      Während Freds Inhaftierung wurde Hélène ernsthaft krank. Sie war gestürzt, hatte sich am Knie verletzt und musste operiert werden. Ihr Knie entzündete sich und schwoll zu doppelter Größe an. Dann bekam sie eine Bauchfellentzündung, vermutlich die Folge einer Blinddarmentzündung, und die Ärzte meinten, wir könnten nur noch beten. Am Tag seiner Entlassung ging Fred direkt ins Krankenhaus, setzte sich zu ihr ans Bett und rührte sich vierundzwanzig Stunden lang nicht von der Stelle. Er hielt ihre Hand und versuchte, ihr neuen Lebensmut zu geben.

      »Ich will sterben«, sagte sie schwach. »Die Schmerzen sind unerträglich.«

      »Du darfst nicht sterben«, beschwor er sie. »Du bist doch erst siebzehn. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Du musst leben!« Hélène überlebte, weil Fred beharrlich blieb.

      Sobald sie außer Lebensgefahr war, versuchte Fred erneut, mit Oskar zusammen die Grenze zu überqueren. Monsieur Degout hatte versprochen, ihnen zu helfen. Glücklicherweise gelang es ihnen diesmal, sicher nach Saint-Étienne, in der Nähe von Lyon, zu gelangen, wo die verliebte Rosette zu ihnen stieß. Bald darauf heirateten sie und Fred.

      Ich bewarb mich im Rathaus auf Rosettes Stelle als Dolmetscherin und wurde angenommen. Da ich einen deutschen Nachnamen hatte, blond und blauäugig war, hielten mich die meisten Deutschen für eine von ihnen. Mein französischer Chef wusste, dass ich Jüdin war, aber das störte ihn nicht. Die Abteilung, in der ich arbeitete, war erst vor Kurzem auf Anordnung der Deutschen eingerichtet worden. Es war das Bureau de réquisition, das den Besatzern die systematische Ausplünderung der Franzosen erleichtern sollte. Die Arbeit war nicht besonders angenehm, aber in Ermangelung von Alternativen nahm ich sie dankbar an.

      Wenn ein habgieriger Deutscher ein Auto, ein Haus oder irgendwelche Möbel in seinen Besitz bringen wollte, war es meine Aufgabe, sein »Gesuch« dem zuständigen Sachbearbeiter ins Französische zu übersetzen, der daraufhin im Namen des Dritten Reiches den erforderlichen Requirierungsschein ausstellte. Es war eine Herausforderung, täglich mit dem Feind zu tun zu haben, aber ich stellte mich ihr und war engagierter, als ich es je in der Schule oder in unserem Laden gewesen war.

      Mein französischer Chef war Monsieur Grelet, ein freundlicher Mann, der mich sehr mochte. Seine drei Dolmetscherinnen waren alles Jüdinnen aus Metz, da in Poitiers sonst niemand Deutsch sprach. Wenn Monsieur Grelet mit rassistischen Deutschen zu tun hatte, bevorzugte er mich, weil ich am wenigsten jüdisch aussah. Der deutsche Leiter der Kommandantur war Hauptmann Allemann, im bürgerlichen Leben protestantischer Pfarrer. Er nannte mich mon Sourire wegen meiner Grübchen und meines spitzbübischen Lächelns. Allemann konnte sehr streng sein, aber mich schien er zu mögen, obwohl ich ihm des Öfteren Kontra gab.

      »Gehen Sie nach Berlin. Da können Sie in einem der Ministerien Karriere machen, Marthe«, sagte er. »Die können jemanden wie Sie gut gebrauchen.«

      Ich schüttelte den Kopf und erklärte ihm, das sei unmöglich.

      »Warum?«, fragte er, erstaunt darüber, dass ich diese einmalige Gelegenheit ablehnte.

      »Weil ich Französin bin«, erwiderte ich.

      Er lachte schallend. »Seien Sie nicht albern. Sie sind eine richtige Arierin.«

      Mit meinem verschmitzten Grübchenlächeln erwiderte ich: »Nein, Herr Hauptmann, ich bin eine französische Patriotin und ich beabsichtige, hier bei meinen Landsleuten zu bleiben.«

      Eines Tages mussten Monsieur Grelet und ich den Hauptmann ins Museum von Poitiers begleiten, das sich im Gewölbekeller des Rathauses befand. Er wollte sich ein Kunstobjekt für sein Büro aussuchen. Er wies den Kurator an, ihm die zur Verfügung stehenden Objekte zu zeigen, suchte sich daraufhin mehrere Gemälde aus und bat mich, für ihn zu dolmetschen.

      Ich sah ihn missbilligend an und schüttelte den Kopf. »Schämen Sie sich denn nicht?«, fragte ich ihn, während Monsieur Grelet – der kein Deutsch sprach, aber genug verstand, um zu wissen, worum es ging – hörbar nach Luft schnappte. »Sie kommen in ein Museum, einen Ort, wo Geschichte und Kunst in Ehren gehalten werden, und bedienen sich einfach. Wer gibt Ihnen das Recht, sich an französischem Eigentum zu vergreifen?«

      Einen Moment lang fürchtete ich, Allemann würde mich auf der Stelle erschießen lassen, aber sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln und er nickte langsam.

      »Ich mag Sie, mon sourire«, sagte er. »Sie sagen, was Sie denken. Ich wünschte nur, Ihre Landsleute würden das auch tun. Es würde vieles einfacher machen, wenn alle Franzosen so direkt und geradeheraus wären wie Sie.«

      Ich erwiderte sein Lächeln, erleichtert, dass ich noch am Leben war. Ich bedankte mich und schlug in gespielter Hochachtung die Hacken zusammen.

      Er wandte sich ab und sagte in eiskaltem Ton über seine Schulter hinweg: »Trotzdem gehören diese Bilder jetzt mir. Sagen Sie Monsieur Grelet, dass er sie mir ins Büro schicken lassen soll. Sofort.«

      Am 13. April 1941 feierte ich meinen 21. Geburtstag. Da meine Eltern der Meinung waren, dass wir trotz der außergewöhnlichen Umstände ein möglichst normales Leben führen sollten, erlaubten sie mir, zur Feier meiner Volljährigkeit zwanzig Freunde in unsere neu bezogene Wohnung in der Rue Riffault einzuladen. Wir hatten die beiden unteren Etagen eines eleganten dreistöckigen Hauses gemietet, das von einem weiträumigen Garten umgeben war. Durch die mächtige Eingangstür hätte problemlos eine Pferdekutsche gepasst. Ich hatte eine schlichte Feier geplant, mit Kuchen und Limonade, und später sollte getanzt werden. Damit wir gleich viel Jungen und Mädchen waren, hatte Stéphanie ein paar Kommilitonen eingeladen, darunter auch ihren Freund André Dufour, den alle Dédé nannten. Sie war ganz vernarrt in ihn.

      Sie hatten sich an der Universität kennengelernt. Dédé, der aus einem streng katholischen Elternhaus stammte, hatte sich auf den ersten Blick in Stéphanie verliebt, die mit ihren zwanzig Jahren nicht nur eine Schönheit war, sondern auch die Reife und Selbstsicherheit einer erwachsenen Frau ausstrahlte. Sie war schlank und zierlich, hatte glänzendes dunkles Haar und leuchtende braune Augen. Sie war zurückhaltend, willensstark und schien sich vor nichts zu fürchten. Ich war sicher, dass aus ihr einmal eine hervorragende Ärztin werden würde, nicht zuletzt wegen ihres mitfühlenden, freundlichen Wesens. Dédés Familie missbilligte seine Beziehung zu einer Jüdin und versuchte mit allen Mitteln, das Verhältnis zu unterbinden. Dies war auch der Grund, weshalb sie sich nicht offiziell verlobt hatten. Doch für Steph stand fest, dass sie mit Dédé ihr restliches Leben verbringen würde.

      »Bitte sie bloß nie, dir was vorzusingen«, scherzte ich Dédé gegenüber, als sich einer meiner Gäste ans Klavier setzte und zu spielen anfing.

      Zu Stéphanies engsten Freunden gehörte auch ihr Kommilitone Jacques Delaunay. Er und sein jüngerer Bruder Marc, der Jura studierte, waren im Fernen Osten aufgewachsen. Ihr Vater war ein hoher Zollbeamter in Saigon, ihre Mutter leitete ein Waisenhaus. Beide waren Atheisten. Angesichts der Drohgebärden der Japaner 1939 schickten die Eltern ihre Söhne zurück nach Poitiers.

      Als Jacques auf meinem Geburtstagsfest auftauchte, brauchte er offenbar nur einen Blick auf mich zu werfen, um zu wissen, dass wir füreinander bestimmt waren. Und daran sollte sich nichts ändern. Er tanzte den ganzen Nachmittag mit mir, denn er ließ es nicht zu, dass mich ein anderer Junge abklatschte. Jacques war sehr attraktiv; er hatte ausdrucksvolle dunkle Augen und war mindestens 1,80 Meter groß. Selbst mit meinen Stöckelschuhen reichte ich ihm nur bis zur Brust.

      Obwohl

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