Maria Rosenblatt. Corinna T. Sievers

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Maria Rosenblatt - Corinna T. Sievers

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Heinrich und Elisabeth, und als sie gegen halb zwölf aufwachte, zog sie um in das Ehebett. Hannes, mit einem Kissen im Rücken, Schopenhauer vor der Nase, seinem Bruder im Geiste, wie er sagte, warf Maria einen Blick zu, er habe schon gedacht, sie käme nicht mehr. Maria wusste nicht, was antworten, sie legte die Akte in ihren Schoss und begann zu blättern.

      Erst gestern hatte sie den Fall an sich gezogen, den Oberstaatsanwalt bedrängt, das sei Frauensache, auf seine Nachfrage, wie sie darauf käme, sagte sie, die Opfer seien fast ausschließlich Mädchen. Der Oberstaatsanwalt hatte mit den Schultern gezuckt, das nenne er weibliche Logik.

      Das erzählte sie Hannes, ohne ihn anzugucken, Hannes entgegnete: Sie habe ein Herz für Kinder, das sei schön, aber ihre eigenen könnten auch etwas Zuwendung gebrauchen, besonders tagsüber, nachts hätten sie wenig davon, wenn sie neben ihnen schliefe.

      Daraufhin hatte er das Licht gelöscht.

      Draußen war es kalt, sehr kalt selbst für Dezember, im Radio sagten sie, die globale Erwärmung lege eine Pause ein. Maria beschloss, einen Spaziergang durch ihren Garten zu machen, groß und gepflegt von einem Heer von Gärtnern, Portugiesen, Brasilianer, gelegentlich Serben, die im Frühjahr anrücken, Wipfel erklimmen, den Nussbaum stutzen, Unkraut zupfen, ohne sich je aufzurichten. Die harte Arbeit hat ihre Körper gestählt, Maria bewundert ihre Schönheit und Körperlichkeit.

      Sie trat an das Gehege, der Zaun mannshoch, es gab einen Fuchs, dahinter auf der verschneiten Wiese drei weiße Hühner, Hannes will jeden Morgen ein frisch gelegtes Ei.

      Die Hennen standen reglos, Maria steckte die Finger durch die Maschen: »Was ist los mit euch«, sie hatte ihnen ein paar Krümel von Hannes’ Frühstücksbrot mitgebracht, sie selbst frühstückt nie. Eine Frau kann nie dünn genug sein, merkt euch das! Sie ließ die Krumen fallen, zog die Hand zurück, die Fingerkuppen weiß vor Kälte: Sie sehe schon, ihnen fehle ein Hahn, den schenke sie ihnen zu Weihnachten, einen ganz prächtigen, bunten. Sie flüsterte nicht mehr, sie rief, ihre Stimmungen wechseln plötzlich: »Der euch jeden Tag fickt, alle drei!«

      Ihr Blick ging zum Küchenfenster, aber es war geschlossen, im Winter hält Hannes alles verriegelt, auch wenn Maria einwendet, daran zu ersticken.

      Sie sah auf die Uhr, fünf nach neun, die Sandwiches für den Lunch! Eilig lief sie zum Auto, ein Mercedes Coupé CLS, das aktuelle Modell, Hannes pflegt die Wagen häufiger zu wechseln als sein Eau de Toilette, das ist Maria nicht unrecht, sie mag den Geruch neuer Autos, er erregt sie, möglicherweise ein lange zurückliegendes Erlebnis auf der Hinterbank eines Neuwagens ihrer Eltern.

      Sie warf ihre Aktentasche auf den Beifahrersitz, sich anzuschnallen hält sie nicht für nötig, sie ist Kommissarin bei der Stadtpolizei.

      Eine Fahrt von fünfzehn Minuten, vorbei an feudalen Anwesen, wenige so groß wie ihr eigenes, der Flecken, auf dem die Hennen picken, ist ein Vermögen wert, es ist eine goldene Küste.

      In der Stadt ist wieder die Hölle los, in wenigen Tagen Weihnachten, die Straße führt am Fluss entlang. In Pelz gekleidete Mütter, beladen mit Paketen, hier spart man nicht am Glück der Kinder, man kauft es ihnen, Berge von Glück. Dass sie noch nichts für Elisabeth und Heinrich habe, dachte Maria, womit spielt man mit fünf, mit acht Jahren, sie würde das Kindermädchen einkaufen schicken.

      An der Ampel wartete ein Mann im Anzug, zwei Geschenke, in goldenes Papier gewickelt, von gleicher Größe und Form, unter die Arme geklemmt, eins für die Ehefrau, eins für die Geliebte. Einige von Marias Nachbarinnen teilen sich den Mann, dass Hannes sie betrügt, unmöglich, sie traut es ihm nicht zu.

      Sie fand einen Parkplatz am Münster, vergaß den Parkschein. Hannes hätte kein Verständnis für solche Nachlässigkeiten, sie sei eine Hüterin des Gesetzes.

      Den Poncho über die Schultern gelegt, der Hals frei, das Dekolleté tief, Sohlen aus Leder, ein federleichtes Geschöpf, sie eilte zur Bahnhofstraße, rutschte auf dem nassen Pflaster aus, fing sich wieder. Sie verabscheut Schuhe mit Gummisohlen und Profil, dafür werden ab November ihre Füße gefühllos und bleiben es bis März, sie strauchelt häufig.

      Die Bar der Crédit Suisse gegenüber ist bekannt für ihren Kaffee, der teuerste Kopi Luwak, seine Bohnen haben den Verdauungstrakt der Zibetkatze passiert, die Tasse für dreiundfünfzig Franken. Drinnen fast nur Männer, Ärzte, Anwälte, Banker, der Geruch von nassen Mänteln, getoastetem Brot. Maria erkämpfte sich einen Platz am Tresen, neben ihr ein fideler Dicker, Mitte fünfzig, für einen Wochentag elegant gekleidet, Maßanzug, Fliege, er nickte.

      Plötzlich überfiel sie der Wunsch zu bleiben. Zu vergessen, dass sie fünfundvierzig ist und verheiratet, Kinder hat, ein öffentliches Amt bekleidet.

      Sie kam an die Reihe, ihre Bestellung: acht Sandwiches mit Roastbeef, schwedischem Lachs oder Roquefort, einhunderteinundachtzig Franken für das Wohlwollen der Kollegen.

      Sie zahlte bar. Hannes prüft die Kreditkartenabrechnungen, er wäre entgeistert, dass das Roastbeef vom Koberind im Magen einer Schreibkraft landete.

      Auf ihrer Schulter plötzlich eine Hand, der Dicke, von nahem sah sie, dass er schwitzte.

      Er zeigte auf die Tüte: »Großen Hunger heute?«

      Maria: »Damit füttere ich meine Männer.«

      Der Dicke: »Sie machen mich eifersüchtig.«

      Ihre Blicke scharf aufeinandergerichtet, Verlangen in seinen Augen und auf seinen Lippen.

      Sie schob sich rückwärts zum Ausgang.

      Die Tür zur Bar schloss sich, schnitt die Stimmen ab. Es hatte begonnen zu schneien, Stille, als habe jemand eine Decke über den Asphalt gebreitet. Maria erregt, sie hob den Poncho, als müsse sie ihren Unterleib kühlen, bis die Straßenbahn kam und sie aus dem Weg klingelte. Ein Satz zurück, sie begann zu laufen, beim Zunfthaus um die Ecke, geriet in Schieflage, ruderte mit den Armen, stürzte auf das Pflaster, die Tasche mit den Broten unter sich begraben.

      Dann kehrten die Geräusche zurück, ein Schmerz in Hüfte und Arm, Tränen, die den Lidstrich verschmierten, Marias erster Gedanke: Ob sie einen Kajalstift dabeihabe, sie holte Luft, stützte den Arm auf das Pflaster, ihr Becken hielt.

      Eine Stimme sagte: »Ganz vorsichtig«, sie werden es jetzt zusammen probieren, auf drei. Der Befehl kam von hinten, kraftvoll wie die Hand, die Marias Arm ergriff, eins, zwei, drei.

      Sie wurde auf die Beine gestellt, hielt die Augen geschlossen, die Schmach, gestürzt zu sein, war groß.

      Bitte, sie solle ihn ansehen.

      Als sie die Augen öffnete: Ein Schal aus grauer Seide, ein Mantel aus braunem Kaschmir, der Fremde über eins neunzig, mit der weichen Stimme eines Bassbaritons, sie müsse ihren Poncho ausziehen, er sei ja ganz nass.

      Maria gehorchte, ließ ihn sich abnehmen und sich in einen langen, großen Herrenmantel hüllen, in die Wärme und den Geruch eines Unbekannten.

      Der Mann beugte sich zu Boden, reichte Maria die Tüte, verneigte sich, kein »Auf Wiedersehen«. Er wandte sich ab und schritt davon, über dem Unterarm Marias schmutzigen Poncho, der Schnee fiel dicht, der Mann verschwand im Gestöber, Maria zweifelte an ihrer Wahrnehmung, möglicherweise hatte es sich um einen Engel gehandelt, Augen blau, dunkles Haar, die Stimme aus Samt.

      Sein Mantel reichte ihr bis zum Boden. Sie fuhr in die Taschen, rechts ein gebügeltes Taschentuch, links eine Schachtel Zündhölzer, Maria streckte den Arm, las

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