Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt

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Die klare Sonne bringts doch an den Tag - Klaus Scheidt

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waren mit blauen Emblemen und gelben Bananen.

      »Apropos Dummheit.« Der vor kurzem erst pensionierte Kriminalhauptkommissar blickte ein wenig milder. »Ich habe den Eindruck, Sie wollen unersetzbares Familiensilber verscherbeln.«

      »Ach was, dies hier ist nicht der Rede wert. Sie sollten mal sehen, wie viel wir hab...« Jügesen zog die Brauen zusammen. »Ähm, Moment!« Er gebot Einhalt, indem er mit beiden Handflächen eine imaginäre Barriere zu errichten schien, und blickte sein Gegenüber scharf an. »Jetzt möchte ich aber auch mal etwas wissen. Machen Sie das immer so mit dem Ausfragen?«

      Nun war es Karl Stormann, der verlegen wurde. »So? Wirklich?« Mit der rechten Hand hob er seinen Hut ein wenig an und fuhr sich mit den Fingern der Linken durch das dunkelbraun gelockte, auf Streichholzlänge frisierte Haar. »Falls ich darauf nicht geachtet habe, liegt das wohl an meinem Beruf. Bis vor Kurzem war ich noch Kriminalpolizist und das Vernehmen von Verdächtigen war für mich sozusagen das Gelbe vom Ei.«

      »Aha!« Malte Jügesen senkte seine Hände. Er beugte sich vor und zwinkerte vertraulich »Aber Sie sind doch nicht etwa hinter mir her?« Jedoch grinste er beim Sprechen – seine Reaktion war die eines unbescholtenen Bürgers.

      »Ach was, wie ich schon sagte, bin ich Rentner.«

      »Aber wegen Ihres langen und bestimmt erfüllten Arbeitslebens werden Sie sich nur schwerlich an Ihr frei gewordenes Leben gewöhnen, nicht wahr?«

      »Das ist nur zu wahr.« Bedauernd zuckte Stormann mit den Schultern und ließ seinen Blick schweifen bis zum Versteck der Pistole. »Bestimmt werden noch mehr Leute bemerken, dass es mich immer noch reizen würde.«

      »Einhundert De-Mark!« Malte Jügesen witterte seine Chance, die Waffe doch loszuwerden.

      »Hören Sie sofort auf damit! Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich würde Ihnen höchstens ein nettes Geschenk abkaufen für meine erwachsenen Kinder oder die Enkel.«

      »Ihre Enkel? Richtig wäre dann genau dieses Buch, welches Sie zum Beschweren genommen haben.«

      Stormann blickte hinab auf den Blätterstapel mit dem Buch obendrauf. »Dieser schwere Wälzer? Mein ältester Enkel ist zehn Jahre jung und kann solch ein Buch kaum heben.«

      »Aber das braucht er gar nicht, er kann es auf den Fußboden legen und darin blättern – so wie ich damals. Das reicht und der Inhalt ist bestimmt das Richtige für sein Alter.«

      Ein wenig übertrieben seufzend packte Stormann das Buch an der Vorderkante und legte dafür mit der Linken ein anderes edles Druckwerk auf den Stapel loser Bögen; anschließend las er den Rückentitel halblaut vor: »Die schönsten Märchen der Gebrüder Grimm.«

      »Na, was habe ich Ihnen gesagt?«

      »Das soll ich verschenken? Sehen Sie doch selbst: Die Ränder des Einbands sind abgestoßen, einige Seiten sind angerissen, überall Eselsohren und sonstige Missbrauchsspuren.«

      »Das war ich. Damals. Aber ich habe keine Blätter rausgerissen.« Hastig hob der junge Jügesen seine rechte Hand und beeidete mit drei gestreckten Fingern. »Ehrlichschwör! Und ich habe auch nicht darin herumgeschmiert.«

      »Tja. Ein altes Buch ist nun mal gebraucht.« Stormann wog es mit der Rechten. »Und dieses hier ist trotz der rüden Attacken eines respektlosen Bücherwurms immer noch ein stattliches Exemplar.«

      »Einhundert De-Mark.« Die Backen von Malte Jügesen blieben rot, dieses Mal wegen des Handelseifers, denn er musste ja noch seine Mission erfüllen.

      »Na, na, so gut hat es Ihre exorbitante Lesebegeisterung nun auch wieder nicht überstanden.«

      »Neunundneunzig.«

      »Zehn.« Zweimal spreizte Stormann alle Finger der Linken.

      »Achtundneunzig.«

      »Einen Moment mal, lieber Herr Jügesen, wenn Sie so weitermachen, schaffen Sie Ihre Deadline nicht. Wir machen es kurz und treffen uns in der Mitte – fünfzig.«

      »Fünfundfünfzig! Sie haben bei zehn angefangen.«

      »Na gut, meinetwegen, aber nur weil Sie es nötig haben – fünfundfünfzig.« Begütigend hob Stormann die linke Hand, während er mit der anderen das Buch ablegte und seine Brieftasche aus der inneren linken Brusttasche seines Jacketts holte. »Bitte gut einpacken, ich gehe noch nicht nach Hause.«

      Hastig umwickelte Jügesen das Buch mit mehreren Zeitungsbögen des Abendblatts; von seinem extrabreiten Paketbandabroller zog er hellbraunes Klebeband ab, rundherum und kreuz und quer. »Wetterfest!« Er beugte sich vor und legte das Werk auf den beschwerten Stapel loser Blätter.

      »Na na, ein seriöser Paketdienst würde das ganz bestimmt nicht annehmen«, brummelte Stormann, während er die noch sichtbare Titelzeile der Wirtschaftsnachrichten las: ‚Der Euro kommt – ganz sicher‘. »Aber bis zur Außenalster hält es wohl, da treffe ich meinen Kollegen.«

      »Ex-Kollegen.«

      »Auch daran muss ich mich erst noch gewöhnen.«

      Karl Stormann reichte Malte Jügesen drei Zwanzig-Deutsche-Mark-Scheine, winkte mit der Linken gönnerhaft ab, während er die nun freie rechte Hand zum Abschied bereit hielt. Er drückte so kräftig, dass er den wesentlich Jüngeren sogar ein wenig in die Knie zwang, denn dieser war längst nicht so athletisch wie er selbst. »Ich drücke Ihnen beide Daumen, dass Sie erfolgreich sind.« Er klemmte sich den Packen unter die linke Achsel, zwinkerte aufmunternd und wandte sich ab Richtung Innenstadt, um an die Alster zu gelangen.

      Abrupt wandte er sich noch einmal um und unauffällig imitierte er mit rechtem Daumen und Zeigefinger Hahn und Lauf eines Revolvers. »Wirklich keine Dummheiten mehr! Ja?«

      »Neiiin! Ehrlichschwör!«

      Beruhigt ging er weiter.

      »Ich werd‘ ganz bestimmt noch mal so richtig bekloppt wegen euch!«, schallte es zum wiederholten Mal in seine Ohren, unterlegt von rhythmischem Knallen, verursacht von Vollkontakten zweier Hartwürste mit zwei Holzbrettern eines Verkaufstandes.

      *

      Freie und Hansestadt Hamburg,

      Bezirk Eimsbüttel, Stadtteil Rotherbaum, Alstervorland,

      Westufer der Alster, nähe Fährdamm/Alsterschiffanleger

      Sonntag, 26.08.2001, 8:00 Uhr

      Clemens Brüwer, über zwei Zentner schwer, saß auf einem mit signalrotem Stoff bezogenen Klappstuhl aus Aluminium, die großen Hände umfassten das Knie seines linken Beins, welches er übers andere geschlagen hatte. Sein Blick schweifte über die sich kräuselnde Wasserfläche der Außenalster sowie die luftigen Fassaden der gegenüber stehenden Stadtvillen.

      Gelegentlich beobachtete er die leicht durchhängende Angelschnur und ersehnte das Untergehen des Schwimmers, hinabgezogen vom größten Fisch, der je in diesem Gewässer gelebt hatte. Jedoch bewegte sich das über zwanzig Meter entfernte knallrote Hütchen stets nur im Rhythmus winziger Wellenlinien, verursacht von der Fähre, die nach Uhlenhorst abgefahren war.

      »Ich dachte, wir gehen eine flotte Runde um die Außenalster, stattdessen schlägst

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