Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt

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Die klare Sonne bringts doch an den Tag - Klaus Scheidt

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und den flackernden Flämmchen von zwei Kerzen auf einem winzigen Tisch sieht, verschlägt ihm die Stimme: Zwei in Wolldecken eingemummelte Frauen hocken dort unten und scheinen sich am flüssigen Schatz des Hauses zu laben.

      Als junge Mädchen traten die Schwestern Willmersen ihre Stellen als Dienstmägde bei den Herrschaften von Jügesen an, lange bevor der von Deutschland durchaus gewollte Krieg ausbrach. Obwohl nun im besten Heiratsalter wirtschaften sie immer noch im Herrenhaus. Zutiefst erschrocken sind sie jetzt und blicken bänglich auf. Im nächsten Augenblick jedoch erkennen sie die Gunst der Stunde, denn der schneidige Oberleutnant mit dem nach beiden Seiten gezwirbelten hellblonden Oberlippenbart und den gegelten glatt nach hinten gekämmten Haarsträhnen gefiel ihnen schon, als er noch in der Pubertät steckte.

      »Huch, da haben Sie uns aber einen gehörigen Schrecken eingejagt, Herr Oberleutnant von Jügesen.« Die Martina sagt das, die Jüngere. Sie schmeißt den ganzen Haushalt, ist die geistesgegenwärtigere und hübschere von beiden. Außerdem macht der Alkohol intus sie schon etwas mutiger. »Unsere Arbeitstage sind so anstrengend, da brauchen wir mal hin und wieder etwas zum Ausgleich.«

      »Ihr sauft meinen Wein!«

      »Nur ein klitzekleines Gläschen war‘s, wir haben nämlich etwas noch Besseres.«

      »Auch aus meinem Lager? Auch geklaut?«

      Geübt macht die Martina ein Schnütchen. »Aber Herr Oberleutnant von Jügesen, sein Sie doch nicht so streng zu uns. Sie wissen doch, wie fleißig wir für Sie jeden Tag zu Werke gehen. Gönnen Sie uns doch diese kleine Belohnung.« Jetzt schnurrt sie sogar ein wenig.

      Recht hat sie, die Martina, denkt er sich, die beiden sind eilfertig. Jedesmal sieht er das, aber er weiß nicht, dass sie nur so flott sind, wenn dies von ihm bemerkt werden kann. Trotzdem müsste er nun den Freiherren herauskehren und für Zucht und Ordnung sorgen. Lust dazu hat er nicht, denn deswegen hat er sich nicht hierher geschlichen.

      »Was Besseres soll ich denn noch auf Lager haben als meinen edlen Wein?«, fragt er lauernd, während er das Türblatt hinter sich sacht ins Schloss zieht und die Stufen hinabgeht.

      »Das hier!«, meldet sich zum ersten Mal die Josefa zu Wort; die Ältere herrscht über die Küche. Sie umfasst eine kantige, nachtdunkle Flasche und hebt sie ein wenig an. »Dieser ganz feine Likör, Herr Oberleutnant von Jügesen.« Dumm ist sie nicht; sie hat darauf geachtet, wie ihre Schwester mit dem Herrn umgeht, und macht es ihr nach. Josefa schnalzt mit der Zunge, verzückt auf die Flasche blickend.

      »Das habe ich hier im Keller?« Otto tritt an den niedrigen eichenen Tisch, nimmt der Köchin die verstaubte Flasche ab, hält diese gegen das schummrige Licht der Laterne und mustert das stockfleckige Etikett. »Nanu, dieses Zeugs kenne ich ganz bestimmt nicht.«

      »Hat Ihr hochverehrter Vater stets besorgen lassen und gerne getrunken«, flüstert die Martina ihm ins Ohr, denn er steht vorgebeugt neben ihr. Hastig richtet er sich auf und blickt düster, denn der Vater ist erst ein Jahr tot, in Frankreich während der Schlacht an der Aisne heldenhaft gefallen fürs hehre deutsche Vaterland. Erschrocken hält die jüngere Schwester die Hand vor den Mund. »Nun kann er‘s nicht ja mehr. Das tut mir ja immer noch so leid.«

      »Schon gut«, murmelt Otto von Jügesen. Seine Trauer hält sich in Grenzen, denn seinem Erzeuger trägt er nach, ihn zum Militärdienst auf hoher See gezwungen zu haben. Er wäre lieber Kunstmaler, frei schaffend hoch oben auf irgendeiner Bergalm. »Es ist zu dunkel hier, die Schrift kann man kaum lesen.«

      »Aber schmecken kann man‘s selbst im Finsteren«, säuselt die Martina, nimmt ihm kurzerhand die Flasche ab und gießt ein in ihr Wasserglas, halbvoll. »Probeschlückchen gefällig?«

      »Ist denn hier kein Glas übrig?«

      »Ach was, Herr Oberleutnant von Jügesen, von meinen Mundabdrücken werden Sie doch wohl nicht krank.«

      »Na gut, meinetwegen.« Im Grunde macht es ihm gar nichts aus, denn auf See unter seinesgleichen ist er raue Sitten gewöhnt, aber hier muss er den feinen Herrn geben. »Ich erlaube mir diesen einen Schluck.«

      Im Kerzenlicht mustert er mit skeptischem Blick den gläsernen Rand, dreht das Glas, bis er die sauberste Stelle findet, und nippt. Der Likör brennt auf der Zunge, erhitzt den Rachen und rinnt spürbar hinab zum Magen. »Aaah.«

      »Na bitte, haben wir zu viel versprochen?«

      Er schüttelt den Kopf, setzt ab und nimmt sich vor, zu gehen, obwohl er lieber einen zweiten Schluck nehmen würde.

      »Das war doch noch gar nichts, der Geschmack kommt doch erst mit den nächsten paar Schlückchen.«

      »Hm«, brummt er nur, hebt das von der Martina hastig nachgefüllte Glas an die Lippen. Während des Trinkens reckt er den Kopf immer weiter nach hinten, sodass der Bodensatz der Flüssigkeit direkt den Hals hinab träufelt. »Aaah.«

      »Schmecken Sie‘s, Herr Oberleutnant? Ist nicht von schlechten Eltern, stimmt‘s?«

      Anerkennend hebt Otto von Jügesen die hellblonden Brauen und zwirbelt mit linkem Daumen und Zeigefinger den Schnurrbart beidseitig. »Ein feines Schnäpschen habe ich da, ohne es zu wissen.« Aber er nimmt sich sofort wieder zusammen und droht beiden mit ausgestrecktem linken Zeigefinger. »Hatte! Bestimmt raubt ihr nicht zum ersten Mal davon.«

      »Aber es wäre doch wirklich jammerschade«, säuselt die Martina und formt routiniert ihr Schnütchen, »wenn er uralt und ungenießbar würde, nur weil Ihr hochverehrter Vater ihn nicht mehr trinken kann.«

      Gekonnt füllt ihre Schwester beide Gläser nun randvoll. »Darum sollten wir ihn trinken, bevor er verdirbt. Das nächste Gläschen lässt Sie bestimmt besser schlafen, Herr Oberleutnant. Darum kamen Sie doch runter, nicht wahr.« Die Josefa kann sich ein vertrauliches Zwinkern nicht verkneifen.

      Recht hat sie, die Josefa, denkt er sich, deswegen bin ich hier. Ein Gläschen in Ehren will er sich noch gönnen, dann aber Kehraus machen. Otto nimmt das Glas und kippt den Inhalt in sich rein. Auf einmal wird ihm ganz anders und ...

      »Setzen Sie sich doch erst mal hin, Herr Oberleutnant, Sie stehen ja die ganze Zeit wie im Dienst und halten die Laterne hoch wie ein Nachtwächter. Nehmen Sie meinen Stuhl.« Josefa streift ihre Decke zurück, schiebt ihm die Sitzgelegenheit unter und schnappt sich einen freien Hocker.

      Ohne Widerspruch lässt er sich behutsam auf dem Schemel nieder und stellt die Laterne neben dem Tisch ab. Immer seltsamer wird ihm zumute und es ist ihm sogar gleichgültig, dass er auf Augenhöhe nur noch mit dem Gesinde ist. Hauptsache er kommt dazu, sich müde zu trinken. Angenehm vorgewärmt ist das Holz, auf dem er sitzt, zusehends fühlt er sich entspannter. Er hat nichts dagegen, das Glas wieder gefüllt zu bekommen, und beim vierten Mal ist ihm es immer noch recht. Er beginnt, mit den Frauen zu schäkern, die abwechselnd aus dem zweiten Glas trinken, sein geweiteter Blick erfasst deren Weiblichkeit. Hatte er denn keine Augen dafür gehabt? Sein Begehren erwacht.

      »Trinken wir Freundschaft?«, fragt die Martina frech und schält sich aus ihrer Decke – ihre Hemmschwelle ist überflutet.

      »Hm«, brummt er nur, während er ihre Oberkörper anstiert. Ihm ist längst egal, dass dies kein Umgang für ihn sein sollte.

      »Aber mit Kuss!«, fordert die Josefa, obwohl die Kühnheit ihrer Schwester sie noch ein wenig erschreckt.

      »Hm«, murmelt er nur, nickt der Josefa zu und greift nach dem Glas, aber die Martina zieht er erst einmal vor.

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