Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt

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Die klare Sonne bringts doch an den Tag - Klaus Scheidt

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zu gelangen, war er ausgerutscht, hatte eingeklemmt das Bewusstsein verloren und erstickte elendiglich. Schlicht und ohne Anteilnahme wird er beerdigt unter einer uralten Eiche in der Nähe der Auffahrt und das Leben geht weiter.

      Die Sorgen der Schwestern jedoch werden größer: Was wird aus ihnen? Wann nimmt Ottos Ehefrau Gertrud das Erbe in Anspruch? Oder vertreibt Hans von Reinern sie erst später vom Gut, wenn er volljährig und Baron geworden ist? Nichts dergleichen geschieht, denn die Familie von Reinern will den Gutshof nicht. Selbst die Reederei tasten sie nicht an, sondern begnügen sich mit dem Ertrag – den sie nach wie vor dringend brauchen und welcher ja auch der Zweck der Heirat war. Dies wissen die Schwestern aber nicht und sie streben nach einer Gelegenheit, ihren Status zu verbessern.

      Schon Mitte der zwanziger Jahre treten sie der NSDAP bei, melden ihre Jungs in der Hitlerjugend an, sobald sie 14 Jahre alt werden, die Mädels werden schon mit 10 Jahren Mitglied im Deutschen Jungvolk. NSDAP- und SA-Funktionäre geben sich im Herrenhaus von Jügesen die Klinke in die Hand, denn die beiden Weiber bieten ihnen mehr als nur Wein und Gesang.

      Mit feinem Gespür setzen sie auf das richtige Pferd, indem sie zusehends Alfred Naujocks hofieren. Dieses Raubein ist Mitglied der Schutzstaffel, einer Gruppierung im Schattendasein unterhalb der mächtigen SA. Der nimmt die Jungs in seine Staffel auf und steckt sie unter seine Fittiche.

      Nach Ausschaltung der SA-Führung in der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli 1934 befinden sich die Schwestern auf der Gewinnerseite. Später sind sie hellauf begeistert, dass am frühen Morgen des 1. Septembers 1939 Polen überfallen wird. Besonders stolz sind sie darauf, dass ihre Jungs tags zuvor beim fingierten Angriff auf den Sender Gleiwitz von ihrem Förderer Naujocks eingesetzt wurden. Erzählen dürfen sie das aber niemandem.

      Mit diesem Beginn der Angriffe auf die europäischen Nachbarn ergibt sich endlich die Gelegenheit, einiges zu ändern. Als auch ihre Jungs in den Kampf gegen den Rest der Welt ziehen, schärfen sie ihnen ein, dass es immer noch einen Erben gibt, der ihren nachfolgenden Besitzansprüchen im Weg steht. Womöglich sorgt nun der Krieg von selbst dafür, dass sich etwas daran ändert, und wenn nicht, dann sollen sie sich gefälligst mal selber darum kümmern.

      *

      Freie und Hansestadt Hamburg,

      Bezirk Hamburg-Nord, Stadtteil Uhlenhorst,

      Stammhaus der Reederei Jügesen & Söhne, Entree

      Sonntag, 26.08.2001, 9:30 Uhr

      Das mitten in einem kleinen Park stehende vierstöckige Geschäftsgebäude mit Flachdach sowie einer Loftwohnung obendrauf beeindruckte Stormann nicht sonderlich, während er auf die massive Eingangstür zusteuerte; deren zwei eingefasste Glasscheiben waren trübe und die Abdichtungen rundum verwittert. Er vermutete, dass die Besitzer schon lange nicht mehr in ihre Residenz investiert hatten, entweder aus Sparsamkeit oder wegen fehlendem Kapital. Oder sie kannten nicht die Redensart: ‚Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck‘.

      Weder eine Klingel noch eine Gegensprechanlage konnte er entdecken, daher drückte er die Klinke und prüfte, ob die Tür sich öffnen ließ. Das schwere Türblatt gab nach; mit Mühe drückte er es nach innen und betrat den sechs Meter im Geviert messenden Vorraum. Stormann ging auf den Pförtner zu, der hinter seinem halbrunden, weit über einen Meter hohen Tresen saß und unbeirrt auf einen hinter der Blende befindlichen kleinen Monitor blickte.

      »Guten Tag, Herr ...« Mit raschem Blick musterte er die Gravur des messingfarbenen Tischaufstellers auf dem Tresen. »... Harters. Mein Name ist Karl Stormann und ich hätte da ein Anliegen. Vielleicht ...«

      »Meyer!«

      »Hier steht Harters, Herr Meyer.«

      »Na so was«, grummelte Lorenz Meyer und mit einer raschen Bewegung drehte er den Tischaufsteller um, sodass sein Name für Besucher sichtbar wurde. »Das hat er natürlich wieder mal vergessen, dieser Blödel.«

      Stormann schwieg und lächelte nachsichtig über den Versuch des Pförtners, seinen Dienstvorgänger für seine eigene Vergesslichkeit verantwortlich zu machen.

      »Ich helfe Ihnen gerne weiter, wenn ich kann. Worum geht’s denn?«

      »Es geht um diesen Zettel mit einem handschriftlichen Text«, sagte Stormann und zog ihn aus dem Buch. »Ich vermute, geschrieben hat ihn ein Kapitänsanwärter, der mit Vornamen Malte heißt, sich jetzt auf eine Prüfung für Seerecht vorbereitet und später hier Chef der Jügesen-Reederei sein könnte. Wohl versehentlich hat er ihn mit diesem Buch hier mitverkauft, vielleicht aber Interesse daran, ihn zu behalten.«

      »Der Malte? Jawoll, der könnte Chef werden. Hoffe ich sogar stark. Aber warum sollte ich Ihnen dabei weiterhelfen können?«

      »Weil Herr Clemens Brüwer, der ebenso wie ich Kriminalhauptkommissar war, – wir sind beide nun im Ruhestand – mir vorhin erst erzählte, dass er hier eine Zeugenbefragung ...«

      »Das war ich.« In das schmale faltige Gesicht von Lorenz Meyer kam Leben. »Da haben‘s doch glatt den Mordkerl überführen können. Wegen mir.«

      Dem war nicht so gewesen, aber Stormann lächelte nachsichtig, während er anerkennend nickte.

      »Warum sagen‘s denn nicht gleich? Natürlich helfe ich Ihnen weiter.« Er zwinkerte vertraulich. »Könnte ja sein, dass viel mehr dahintersteckt und Sie diesen Wisch nur als Vorwand mithaben.« Er beugte sich weit vor bis zur Blende des Tresens, um flüsternd schon gehört zu werden.

      Aus alter Gewohnheit neigte Stormann seinen Kopf nach vorn und zur Seite, um sein rechtes Ohr, mit welchem er etwas besser hörte, näher zum Redner zu bekommen.

      »Denen da oben traue ich alles zu«. Meyer wiegte sein ergrautes Haupt und zog ein grimmiges Gesicht. »Aber solange die mich ordentlich bezahlen, mache ich hier meine Arbeit.«

      Er blickte prüfend auf den Zettel, welchen Stormann ihm vor die Nase hielt.

      »Aha, da haben wir‘s schon, das kann nur der Sohn vom Alten gewesen sein.« Meyer erschrak leicht, beugte sich wieder weit vor und versuchte, Stormann ins Ohr zu flüstern. »Erzählen Sie das aber nicht weiter, das mit dem Alten, das hört er nämlich gar nicht gerne, wissen Sie. Ich danke Ihnen schon mal.«

      Dann richtete Meyer sich wieder auf und reckte den rechten Arm, um den Zettel in Empfang zu nehmen. »Na schön, dann geben Sie mal den Zettel her und ich steck ihn dem jungen Burschen zu; übrigens stehe ich mit dem auf du von klein auf. Hoffentlich wird der Malte nicht so lange Kapitän auf See sein, sondern bald hier im Haus das Ruder führen, weil ...« Meyer beugte sich wieder weit vor und hielt die hohle Rechte neben den Mund. »... der Junge mal ordentlich Geld in die Hand nehmen würde, statt wie der Alte darauf sitzen zu bleiben. Erzählen Sie das aber ja nicht weiter.«

      Wieder richtete Meyer sich auf und hob den Arm, um endlich den Zettel in Empfang zu nehmen.

      »Den möchte ich unbedingt persönlich überreichen.«

      Meyer verharrte einige Sekunden und blickte ins Nirgendwo über sich, irgendwo dort wähnte er seinen Arbeitgeber; zögernd legte er dann die Hand auf den grünen Telefonhörer. »Warum nicht, wenn’s so persönlich ist. Der junge Jügesen ist aber die ganze Woche nicht mehr im Haus und immer schwer zu erreichen. Da müßte ich den Alten – hoppla, schon wieder! Erzählen Sie‘s bloß nicht weiter, der hört das nämlich nicht gerne, wissen Sie. Also da müsste ich jetzt mal den Chef anrufen ...«

      »Den

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