Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt

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Die klare Sonne bringts doch an den Tag - Klaus Scheidt

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ist die Josefa dran, nicht so hübsch wie ihre Schwester, dafür aber mit Rundungen gesegnet, an denen selbst gespreizte Hände nicht abrutschen.

      »Otto.«

      »Josefa.«

      Während er sie küsst, greift er ihr an die linke Brust. Sie ziert sich überhaupt nicht, sondern macht sich frei, überraschend geschwind trotz der unhandlichen Kleidung. Während er mit der Josefa beschäftigt ist, spürt er, wie die Martina mit ihrer rechten Hand über seinen geknöpften Hosenschlitz streichelt. Wie wohl tut ihm das, dieses Mal muss er nicht werben, nicht warten, weder betteln noch barmen, um das Mindeste wenigstens noch zu erreichen. Seine Manneskraft ist nicht mehr zu bändigen und er will sich auch nicht mehr zurückhalten.

      Ohne wenn und aber darf er alles mit ihnen machen und einiges mehr, was er noch gar nicht kennt. Dass er sich in beider Leiber ergießt, mehr als einmal, und dies unangenehmste Folgen haben kann, ist ihm nun gleichgültig. Auch den Schwestern ist alles längst einerlei. Der leeren Flasche folgt eine volle, gesoffen wird nun ohne Umweg von Hals in Hals, denn die beiden Gläser waren nach dem zweiten Freundschaftsritus rücklings in irgendwelche Ecken geworfen worden. Nach jedem Umtrunk wird die Flasche in eine Lücke zwischen zwei Fässern zurückgestellt, denn auch der Tisch wird für andere Zwecke gebraucht.

      Am nächsten Morgen wacht der Herr des Hauses erst gegen Mittag auf, der Kopf dröhnt, alles dreht sich vor seinen Augen.Der Diener hat seit Stunden vergebens versucht, ihn zu wecken, die Frühstückstafel ist immer noch gedeckt, der Kaffee neu gekocht, neue Brötchen frisch aufgebacken. Er windet sich aus seinem Bett, schwankt ins Bad und steckt seinen Kopf mehrmals, lange den Atem anhaltend, in die von ihm randvoll mit eiskaltem Wasser nachgefüllte Waschschüssel. Er hört unzählige Tropfen herunterplätschern und spürt an seinen nackten Füßen die Wasserlachen, die sich rund um das Gestell mit dem Becken ausdehnen – sein Zustand ist ihm ein Rätsel, denn er erinnert sich nicht. Erst im Lauf des Tages, während er zwei seiner weiblichen Bediensteten beobachtet, wie vertraulich sie ihn mit ihren verquollenen Augen ansehen, dämmert es ihm. Dann will er nur noch weg, aber wie?

      Am darauf folgenden Tag fälscht er einen hoheitlichen Brief und zeigt ihn so traurig wie möglich blickend seiner Frau: Der restliche Urlaub ist gestrichen aufgrund sofortiger Einberufung wegen des bevorstehenden Auslaufens zu einer Feindfahrt – die vor zwei Monaten besetzten Åland-Inseln müssen gegen eine feindliche Flotte verteidigt werden.

      Zu Tode betrübt wirkt die Baronesse jedoch nicht, erst recht nicht, als die ‚Feindfahrt‘ sich schon monatelang hinzieht. Nun schwant ihr etwas, denn zwei ihrer Dienstmädchen sind ersichtlich in guten Umständen. Sie stellt die beiden Schwestern zur Rede, jedoch ist nichts aus ihnen herauszubekommen. Darum hält sie es nicht mehr auf dem Gut aus und hochschwanger reist sie nach Norden zu ihren Eltern auf Schloss Lütjenstein. Ende Oktober 1918 gebiert sie einen Jungen und sofort benennt sie ihn Hans, ohne ihren absenten Otto wegen dieses Namens um Einverständnis zu befragen.

      In diesem Herbst 1918 erklärt die Oberste Heeresleitung den Krieg für verloren und befürwortet Waffenstillstandsverhandlungen, der Kaiser wird entmachtet, in Kiel meutern die Matrosen, die arbeitende Bevölkerung revoltiert, der Kaiser wird zur Abdankung genötigt, die Republik wird ausgerufen, gleich zweimal, aber nur die vom Kasseler SPD-Politiker Scheidemann ausgerufene regiert und lässt Staatssekretär Erzberger die bedingungslose Kapitulation unterschreiben.

      Otto von Jügesens Pflicht wäre eigentlich, dafür zu sorgen, dass die Soldaten für die alte Ordnung kämpfen. Sein neues Motto jedoch lautet ‚ohne Leutnants kein Krieg‘ und er fährt nach Hause. Dieses Mal hat sein Opel-Landaulet keine Panne, sondern kutschiert ihn mit 28 Pferdestärken bis vor den Haupteingang. Ihm ist mancher scheele Blick seines Fahrers nicht entgangen. Darüber wundert er sich aber nicht mehr lange, denn als auch die beiden Schwestern auf der Treppe vor ihm Aufstellung nehmen und einen artigen Knicks tun, sieht er ihnen die Bescherung an, die offensichtlich er ihnen bereitet hat.

      Auf der Stelle macht Otto kehrt, zerrt den Fahrer aus dem Wagen, setzt sich hinter das Lenkrad seines flotten Opels, gibt Vollgas und rast mit 65 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit auf und davon. Vor den eisernen Gattern des Außentores legt er eine Vollbremsung hin bei der die Bremsbänder qualmen, denn das haushohe Portal ist geschlossen und den Schlüssel dafür hat sein Fahrer noch in der Tasche.

      Während er tobend vor Wut wieder und wieder den Handblasebalg des Signalhorns zusammenquetscht, steigt in ihm eine Erinnerung auf: ‚Was du anfängst, mein Junge, mache auch zu Ende; wenn du fehl gehst, stehe dazu und bring‘s in Ordnung!‘ Lange sinnt er nach, dann lässt er den Balg los, wendet und fast im Schritttempo lässt er den Wagen zurückrumpeln, um sich dem Schicksal zu ergeben.

      Anfangs reißt er sich noch am Riemen, übernimmt Verantwortung und sorgt sich um Hab und Gut. Den ohnehin ungeliebten Dienst in der Marine quittiert er; die Geschäfte der Reederei führt nach wie vor ein Vertrauter seines Vaters. Jeden Abend belohnt er sich für sein Durchhalten mit einem Likör – nun weiß er auch, wie die Marke heißt, die ihn im Handumdrehen in des Teufels Küche brachte: ‚Stichpimpulibockforcelorum‘.

      Trotzdem hofft er noch, seine Frau wiederzusehen, nachdem er ihr einen Brief geschrieben hat, in dem er ihr seine Fehltritte gesteht. Obwohl er wortreich barmt und zutiefst bereut, erblickt er sie nie wieder; seinen Sohn lernt er gar nicht erst kennen, denn ihm wird strengstens verboten, nach Schloss Lütjenstein zu kommen. Des Abends ertränkt er seinen Kummer nun mit mehr als einem Glas Likör.

      Die Martina gebiert ihm den Hilmar und die Josefa einen Tag später die Theresia. Dabei bleibt es nicht, denn nicht nur den Likör braucht er immer häufiger, auch die Weiber sollen ihm jederzeit die einzigen Freuden bereiten, die er noch hat. Das tun sie gern, denn dies sichert ihnen ihren Einfluss. Sie sorgen auch dafür, dass der Fahrer sowie alle anderen Diener von ihm entlassen werden, damit sie ungestört mit ihm und den Kindern allein zu Hause sind.

      Die Martina wird noch zweimal Mutter mit der Svenja sowie der Saskia und die Josefa bekommt sogar Zwillinge – den Hendrick sowie den fünf Minuten jüngeren Horst.

      Längst ist dem hochwohlgeborenen Banner- und Reichsfreiherrn Otto von Jügesen im wahrsten Sinn der Worte ‚alles scheißegal‘. Hauptsache es ist genüg Likör im Haus und seine Frauen bleiben willig, sonst macht er gar nichts mehr. Die Willmersen-Schwestern schmeißen den Herrenhaushalt, sorgen für Likör-Nachschub und halten ihn mit ihren Leibern bei Laune. Das ist auch nötig, denn er verändert sich, auch äußerlich lässt er sich gehen; außer ihnen und seinen Bälgern will er niemanden mehr sehen und verlässt seinen Besitz kein einziges Mal mehr. Es ist ihm auch egal, dass die Nachbarn über seine Lebensweise lästern und ihn höhnen als ‚Baron Stichpimpulibock und sein Forkelorumharem‘. Alles rundum auf der Welt ist ihm egal, aber wenn der Likör auszugehen droht oder seine Weiber nicht sofort bereit sind, dann wird er fuchsteufelswild.

      Den Schwestern jedoch ist dieses ‚alles rundum auf der Welt‘ überaus wichtig, denn sie sind darauf bedacht, das unerwartet Errungene zu erhalten, zu verteidigen und womöglich zu mehren, vor allem ihrer Kinder wegen. Das Erbe nämlich ist ihr Problem: Stirbt ihnen der Otto weg, dann gehört ihnen nichts, sondern dem Hans, seinem unbekannten Sohn auf Schloss Lütjenstein.

      Ihren Otto heiraten geht jedoch nicht, denn Gertrud von Jügesen lässt sich nicht scheiden. Daran scheitert ihr Plan: Erst heiratet ihn die Martina mit anschließender Scheidung, dann soll die Josefa drankommen. Daher bedrängen und umgarnen sie ihren Otto, er solle seine unehelichen Kinder adoptieren, es wäre doch das Mindeste, was er für sie tun könnte. Macht er auch, Hauptsache ...

      Als die Leber zu schmerzen beginnt, ist ihm das auch vollkommen egal, dann säuft er so viel, bis nichts mehr weh tut. Otto kommt kaum noch aus dem Keller, obwohl es dort erbärmlich kalt ist, er hustet und kuriert sich mit Likör, bis eines Tages in

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