Die klare Sonne bringts doch an den Tag. Klaus Scheidt

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Die klare Sonne bringts doch an den Tag - Klaus Scheidt

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unter der linken Achsel von Karl Stormann klemmte.

      »Moin, Kalli! Wo bleibst du denn schon wieder?« Mit hochgezogenen Brauen sah Brüwer dem Ankömmling entgegen. Mit rechtem Zeige- und Mittelfinger schob er die Schiebermütze ein wenig nach hinten, sodass der Ansatz seiner Stirnglatze sichtbar wurde. »Du wolltest viel früher hier sein.«

      »Guten Morgen, Klemmi. Ich war sogar noch früher auf wie sonst. Deswegen habe ich einen Abstecher zum Fischmarkt gemacht; jedoch habe ich dort mehr Zeit verbracht, als ich dachte.« Verstohlen linste Stormann nach dem Packen. »Aber es scheint sich gelohnt zu haben.«

      »Meinst du?« Erneut hob Brüwer die Brauen. »Das muss es! Denn mich hier einfach sitzen zu lassen ...«

      »Wieso nicht, was sonst noch macht denn ein Angler?«

      »Er denkt über das Leben, die Welt und den Rest des Universums nach. Zum Beispiel erinnere ich mich gerade an einen unserer Mordfälle, jenen damals im Angelcenter in Schnelsen. Weißt du noch, was für ein Gesicht du gezogen hast, als wir die nackte Leiche in der mannsgroßen Metallkiste fanden, randvoll mit satten Tauwürmern?«

      »Hör sofort auf!«

      »Du guckst schon wieder genau wie damals.« Brüwer lachte dermaßen, dass rund um seine Gürtellinie herum der Wohlstandsspeck wabbelte. »Und was hast du dich geschüttelt und auch noch fast reingekotzt. Aber die Leiche hatte ja auch ausgesehen wie ...«

      »Klemmi, bitte! Hör sofort auf mit diesem Horror, sonst verschwinde ich auf der Stelle.«

      »Ja, ja, schon gut. Nur fällt mir beim Angeln partout nichts Besseres ein.«

      »Dann wird es höchste Zeit, dass du auf andere Ideen kommst: Nämlich mit deiner herzallerliebsten Ehefrau endlich wieder mal etwas zu unternehmen.«

      »Hör sofort auf!«

      »Ja, jetzt schüttelst du dich.« Stormann blickte angriffslustig. »Ich stelle mir gerade vor, wie du mit ihr einen wundervollen Ausflug machst nach ...«

      »Kalli, bitte! Hör sofort auf mit diesem Horror, sonst werfe ich dich in die Alster. Meine Frau geht doch noch jahrelang arbeiten und hat gar keine Zeit mehr für mich, weil sie mich als Rentner erst recht nicht für voll nimmt. Das weißt du ganz genau.«

      »Und du weißt ganz genau, wovor ich mich ekle. Also sind wir jetzt quitt.«

      »Ausnahmsweise mal«, murmelte Brüwer und winkte mit routinierter Geste ab, dann bückte er sich und nahm die Angel aus der Halterung.

      »Nein, sondern stets wie gehabt.« Stormann wedelte wie üblich mit dem Zeigefinger. »Du hoffst wohl immer noch, du könntest mich jemals verbal übertrumpfen.«

      »Einmal schaffe ich es. Wetten wir?«

      »Wir werden sehen und ich wette nie.«

      »Schon gut. Also was hast du da drin?« Mit seinem linken Daumen wies Brüwer auf das Paket. »Die erste Lieferung vom Großhändler mit zum Anbeißen verführenden Tauwürmern für mein allerneuestes Hobby?«

      »Die können warten, bis ich sie auf dich kippe, wenn du in der Kiste liegst. Dann siehst du auch so aus wie ...«

      »Du bist ein Scheusal!« Brüwer schüttelte sich, während er begann, die Angelschnur zurück auf die Rolle zu kurbeln. »Ittigitt. Aber die würden sich an mir den Magen verderben.«

      »Falls du von deiner Frau vergiftet worden wärst, ja.«

      »Ich gebe mich geschlagen. Also, was ist in dem Paket?«

      Noch steckte Angriffslust in Stormann. »Zuerst wollte ich einen wunderschönen großen und ganz frisch in der Außenalster gefangenen Fisch für dich kaufen ...«

      »Mit deinem Gequatsche schlägst du selbst Wurst-Achim aus dem Feld.« Brüwer hielt die Rute schlagbereit wie eine Baseballkeule. »Da konntest du noch nicht wissen, dass ich ab heute Morgen meinem allerneuesten Hobby fröne.«

      »... stattdessen jedoch habe ich ein wundersames antikes Buch erstanden und ...«

      »Ein Buch auf‘m Fischmarkt?« Mit scheelem Blick sah Brüwer seinen Ex-Kollegen an. »Bist du sicher, du warst nicht schlafwandeln, sondern wirklich auf ...«

      »... werde es meinem Enkel schenken. Vorher jedoch schaue ich selber mal rein.«

      »Harry Potter, Band Fünf?« Die grau gewordenen buschigen Brauen hochgezogen, kurbelte Brüwer das letzte Stück der Polyamidschnur auf die Rolle.

      »Ich sagte doch: antik! Eine Liebhaberausgabe der schönsten Märchen der Brüder Grimm, bestimmt wertvoll, erstanden jedoch zu einem günstigen Preis von einem sich in Geldnot befindenden Reederei-Erben, welcher neben den Fischmarktständen einen wackeligen Tapeziertisch aufbaute, um einen Teil des Familiensilbers zu verscherbeln.«

      »Erben kommt erst nach‘m es-te von sterben und deswegen wird manchmal ein wenig nachgeholfen. Dies gegebenenfalls herauszubekommen haben wir ja wie aus dem Effeff beherrscht.« Wehmütig seufzte Brüwer, während er ergeben abwinkte. »Na, welche Märchen sind‘s denn?«

      »Auf jeden Fall ist die Geschichte vom armen Fischer Brüwer un’ sinner Fru drin.«

      »Hä, hä, sehr witzig.«

      »Würde schon passen, weil deine Frau Ilse heißt.« Stormann grinste anzüglich, aber schon einen Wimpernschlag später folgte die besänftigende Geste. »Der Buchtitel fiel mir auf, ansonsten habe ich es nur flüchtig durchgeblättert. Ich sehe es mir in Ruhe an, bevor ich es für meinen Enkel hübsch einpacke. Eigentlich könnte ich mir die Mühe sparen, denn mein Lieblingsenkel wickelt nichts aus, sondern zerfetzt jede Umhüllung voller Vorfreude auf das neueste Pokémon-Sammelalbum.«

      »Dann wirst du ihn schwer enttäuschen. ‚Bäääh!‘, wird er schreien, ‚ein altes Buch‘. ‚Ich will keine blöden Märchen lesen, sondern mit Pikachu und Mewtu und Bisasam, meinen Lieblingspokémons, spielen‘. Dann wirft er sich auf die Erde und traktiert mit Füßen und Fäusten das Parkett.«

      »Nun mach mal halblang, mein Enkel ist schon zehn Jahre alt, außerdem hat er sich noch nie hingeschmissen, denn er gehört zu jenen Kindern, die redlich erzogen werden.«

      »Aber losheulen wird er.« Mit prüfendem Blick zur Spitze der Rute holte Brüwer weit aus.

      Stormann hastete außer Reichweite und duckte sich leicht. »Heulen würde meine Enkelin, wenn sie nicht den neuesten Harry Potter bekommt. Der Junge steht neuerdings auf Indianer und die kennen bekanntlich keinen Schmerz.«

      »Du weißt ja gut Bescheid über deine Enkel. So wie ich.«

      »Na klar. Wir sind doch jung gebliebene Großväter der neuesten Generation – immer auf dem aktuellen Stand der Enkelvorlieben.«

      »Warum willst du‘s ihm antun, wenn du schon weißt, wie er darauf reagiert?« Kopfschüttelnd konzentrierte Brüwer sich auf den Wurf.

      »Er liest ja eigentlich gern, nur reizen muss es ihn. Darum ist es mir einen Versuch wert. Genau wie du mit deinem Angeln ja auch noch eine klitzekleine Hoffnung hast auf ...«

      »Was heißt hier klitzekleine Hoffnung?« Empört

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