Wundersame Geschichten II. Detlev Stäcker
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Nachts träumte Amy zum ersten Mal von Blackie. Zunächst erschien er ihr, wie sie ihn kannte, als der Hund, der ihr Gefährte war. Dann verwischte sich das Bild mit dem des Gottes Anubis aus dem Museum, der sich riesengroß über sie beugte. Der Gott sprach auch mit ihr. Aber, als sie morgens aufwachte, konnte sie sich nicht erinnern, was er ihr gesagt hatte.
Am Ausflug zu den Pyramiden bei Giseh nahm Blackie teil. Er wartete geduldig, während Oberst Burgess und nach einigem Zögern auch Amy sich einem der Führer für einen Kamelritt um die Pyramiden vorbei an der großen Sphinx mit anschließendem Besuch einer der Grabkammern in der Cheopspyramide anvertraut hatten. Auf diesem Wege benahm der Hund sich mehrfach sehr merkwürdig. Er blieb immer wieder stehen, an den Pyramiden selbst und an den Mastabas, auf dem westlichen und im östlichen Friedhof, legte seinen Kopf zurück und ließ einen tiefen Laut hören, kein Bellen, sondern eher ein Heulen, wie eine Wehklage. Es war nur kurz und keiner konnte Anstoß daran nehmen. Nur ein paar Kameltreiber sahen erschrocken zu dem Hund hin und machten Bewegungen, als wollten sie niederknien. Amy bekam fast ein bisschen Angst vor ihrem Hund. Ihr gegenüber ließ er überhaupt keine Änderung seines bisherigen, anhänglichen Benehmens erkennen.
Die sechs Tage in Kairo gingen nach einem Tagesausflug zum alten Memphis und zur Stufenpyramide von Sakkara und einem Ausflug per Schiff in das Nildelta bis zum Tempel von Dendera schnell vorüber und verliefen darum zur besonderen Zufriedenheit von Oberst Burgess, weil er den Besuch eines höheren Offiziers der ägyptischen Armee erhielt, der ihn als ehemaligen Offizier einer befreundeten Nation würdigte und zu einem Besuch seines Offizierskasinos einlud.
Die Fortsetzung des Urlaubs fand auf dem etwas älteren, aber besonders luxuriösen Nilkreuzfahrtschiff ›Alexandria‹ statt, das sich bei aller Modernisierung seiner technischen Einrichtungen die Atmosphäre eines guten englischen Klubs bewahrt hatte. Das Doppelapartment im oberen der beiden Hotel-Stockwerke war bequem und sah einen Platz für Blackie vor, der von dem Personal mit zwei anderen Hunden, die auch mit an Bord gekommen waren, aufmerksam und, wie es Amy erneut schien, fast ehrfürchtig behandelt wurde. Seinen Auslauf fand der Hund meistens abends, wenn das Boot an einem der Nilorte anlegte.
Meistens hielten sich Vater und Tochter Burgess im Verlauf des Tages auf der Aussichtsplattform auf dem Oberdeck auf, wo man unter Sonnensegeln einen Blick über den Fluss und die Uferregion hatte und den leichten Wind genießen konnte, der ständig über dem Nil hinzog. Während Amy las, in ihrem Tagebuch schrieb oder ihren Hund beobachtete und nur gelegentlich einen Blick über das Wasser und auf die Uferregion warf, hatte Oberst Burgess oft das Fernglas am Auge und wunderte sich vor allem über das Nebeneinander von Baumaßnahmen und technischen Einrichtungen eines sich modernisierenden Staates und von Dingen, die es gegeben haben mochte, solange es den Nil und eine Zivilisation im Niltal gab. Da waren auf dem Wasser die alten Nilbarken, sogenannte Feluken mit ihren Trapezsegeln, auf denen Personen- und Frachtverkehr des Landes seit Jahrtausenden stattgefunden hatte oder die Wasserschöpfräder am Uferrand, die den Wassersegen den Feldern im engen Niltal zuführen. Die Eindrücke eines uralten Landes überwogen immer mehr, je weiter sie nach Süden kamen.
Blackie lag auf dem Sonnendeck meistens im Schatten neben Amys Liegestuhl. Nur manchmal stand er auf und ging an die Reling und schaute, wie es schien, in angespannter Haltung zu einem Punkt am Ufer, dessen Bedeutung für Amy und ihren Vater meistens nicht zu erkennen war und ließ gelegentlich einen kurzen, leisen Klageton hören. Nur am Anfang, als sie Kairo gerade verlassen hatten und Oberst Burgess mit dem Glas die Spitzen der Pyramiden auszumachen versuchte, stand der Hund neben ihm und heulte ein wenig lauter auf.
Für die etwa 700 Kilometer lange Strecke flussaufwärts nach Luxor brauchte die Alexandria zweieinhalb Tage, die Vater und Tochter Amy nicht lang wurden. Sie legten einmal abends in el-Balyana an, gingen mit Blackie von Bord und beobachteten das Leben und Treiben in der uralten Stadt, die über einer der Metropolen des alten Ägyptens, dem alten Abydos, entstanden war, das schon in vordynastischer Zeit von Bedeutung war.
Am nächsten Morgen besichtigten sie freigelegte Reste der Tempel für Sethos I., die Reste eines Osiris-Tempels und alte Grabfelder aus vordynastischer Zeit, auf denen Blackie wiederum mehrmals kurz seine Klagelaute hören ließ. Sie sahen an verschiedenen Tempelwänden auch Reliefs des Anubis.
Auf dem Rückweg zum Schiff liefen sie über den lokalen Markt, ohne von den in Ägypten nur allzu oft aufdringlichen Verkäufern lokaler Früchte, von Schmuck und Kleidung belästigt zu werden, was sie wohl zu Recht der Begleitung durch Blackie zuschreiben konnten, der allen Leuten Respekt und vielleicht sogar Ehrfurcht oder gar Angst einzuflößen schien.
In Luxor war ein Aufenthalt der Alexandria von drei Tagen vorgesehen. Das Schiff hatte einen für die Reisenden recht bequemen Liegeplatz, bequem, weil man direkt vor dem alten Luxushotel ›Old Winter Palace‹ lag, in dem man Tagesbequemlichkeit und jede Möglichkeit der Kommunikation und drei gute Restaurants fand. Als Erstes stellte Oberst Burgess Verbindung zu dem ihnen vom Kurator des Ägyptischen Museums empfohlenen Kurator des Tals der Könige, Ernest Graham, her, der von seinem Kollegen schon informiert war und ihnen anbot, sie am nächsten Tag persönlich nach Theben-West, der Gräberstadt auf der Westseite des Nils, zum Tempel der Hatschepsut und schließlich ins Tal der Könige zu begleiten. Zum Kennenlernen verabredeten sie sich für den Abend zum Dinner im Old Winter Palace.
Ernest Graham, Mitte sechzig, war, wie sich herausstellte, ein in Habitus und Persönlichkeit typisch englischer Professor – easy to talk to – sehr gelehrt, ohne Aufdringlichkeit oder Weltfremdheit. Er kam mit seiner Frau Lucy, die von der Art war, dass man sie nach kurzem Kennenlernen am liebsten als Familientante adoptiert hätte. Es dauerte also nicht lange, bis man sich nach Austausch von ein paar einführenden Fragen und Antworten fast wie eine Familie benahm.
»Sie sind aus Weybridge? Wie interessant. Wir kommen aus Esher. Wir sind somit eigentlich Nachbarn!«
»Sie waren Chef der 22. Fuseliers? Wir sind befreundet mit John und Edith Granworth, Ihrem Nachfolger bei den Fuseliers. Vielleicht wissen Sie, dass er auch aus Esher stammt.«
Das britische Netzwerk arbeitete.
»Esfra, ich meine meinen Kollegen und Freund im Ägyptischen Museum, Mr Al-Budai, den ich sehr schätze, hat Sie bei mir schon angekündigt und mir empfohlen, mich um Sie zu kümmern, was ich umso lieber tue, nachdem ich Sie kennengelernt habe.«
Es entspann sich eine rege Unterhaltung, die natürlich, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, zunächst auf die Ermittlung beiderseitiger Bekanntschaften, Erlebnisse und Interessen einging, um später zur Diskussion der bisherigen Reiseeindrücke und Erfahrungen überzugehen. Und in dem Zusammenhang kam Ernest Graham darauf zu sprechen, was ihm sein Kollege Al-Budai über Blackie berichtet hatte.
»Wo ist denn Ihr Hund zurzeit?«
»Er liegt vor der Tür. Er würde uns nie beim Dinner stören, wie wir ihm nicht zusehen, wenn er seine Mahlzeit bekommt.«
»Esfra machte ein paar Andeutungen, dass Sie ihm ein paar Wunderdinge über den Hund erzählt haben. Ich kenne diese Rasse, die man Anubis-Hunde nennt, und die in Ägypten, vor allem hier im oberen Ägypten, Verehrung genießt, ganz gut und weiß von der Intelligenz der Tiere.«
Das war Wasser auf die Mühlen von Amy. Während Oberst Burgess meistens schmunzelte und nur manchmal ein paar Worte zur Bestätigung dessen, was Amy erzählte,