Seidenstadt-Schweigen. Ulrike Renk

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Seidenstadt-Schweigen - Ulrike Renk

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Fritz schaute zur Seite, wusste nicht, was er sagen sollte.

      Sein Vater war unterwegs, um die neue Stoffkollektion der Weberei anzubieten. Er würde erst am Wochenende wieder zu Hause sein. Bevor er gefahren war, hatte er Fritz eine neue Armbanduhr geschenkt. Sie war nur vergoldet und Fritz schämte sich, sie zu tragen. Die Geschäfte der Weberei liefen schlecht. Die größeren Konkurrenten und die Verseidag nahmen ihnen die Kunden weg. Wenn es so weiterging, würde sein Vater schließen müssen.

      »Es wird Krieg geben, Fritz«, sagte sein Vater zum Abschied. »Sieh zu, dass du dich unauffällig verhältst, deinen Dienst schnell ableistest und dann wieder nach Hause kommst. Ich brauche dich hier im Geschäft.«

      Im Geschäft zu arbeiten war das Letzte, was Fritz wollte. Trotzdem fühlte es sich komisch an, das erste Mal so weit weg von zu Hause.

      »Heil Hitler!«

      Überrascht drehte Fritz sich um. Er hatte nicht gehört, dass die Tür geöffnet wurde.

      »Heil Hitler!«, grüßte er zackig zurück. Er war schon lange bei der Hitlerjugend, ihm lag das Militärische.

      »Heinrich«, stellte sich der Neue knapp vor. Er trug einen Mantel aus rauer Wolle. Schlechte Qualität, das sah Fritz auf den ersten Blick. Statt eines Koffers hatte er nur einen Pappkarton. Ohne zu fragen, schmiss er diesen auf das Bett, das an der Wand in der Nähe der Heizungsrohre stand. Eigentlich hatte Fritz diese Pritsche haben wollen, aber er war sich nicht sicher, ob sie freie Wahl hatten oder ob ihnen die Betten zugeteilt wurden. Doch wenn Heinrich sich einfach eines aussuchte, wollte er nicht nachstehen. Er nahm das Bett am anderen Ende des Zimmers. Als Neulinge mussten sie mit dem Dachgeschoss vorliebnehmen. Im Sommer stand hier die Hitze, im Winter schneite es durch die Dachpfannen, hatte man ihm erzählt.

      »Wann sollen wir uns melden?«, fragte der andere.

      »Um acht«, antwortete Fritz. Er fand Heinrich auf Anhieb unsympathisch.

      »Hallo, bin ich hier richtig?« Diesmal hörte Fritz, dass die Tür geöffnet wurde.

      Er drehte sich um, hob den rechten Arm, »Heil Hitler.«

      »Jaja. Alfred Peerhoven. Und wie heißt ihr?« Der junge Mann zog sich Fahrradklammern aus den Hosenbeinen, lächelte offen und freundlich. Fritz sah ihm skeptisch entgegen. Er hatte nicht ordentlich gegrüßt, das würde er sich merken. Dann runzelte er die Stirn. Peerhoven kam ihm bekannt vor.

      Alfred schmiss seinen Koffer achtlos auf eines der oberen Betten in der Mitte. Er befühlte den derben Wollstoff der Decke, rümpfte die Nase. Sein Koffer war von feinster Qualität, das sah Fritz sofort. Rindsleder, mit Messingbeschlägen. Auch die Schuhe des jungen Mannes waren edel, Fritz musterte ihn ausgiebig. Alfred sah seinen Blick, lächelte. Dann zog er ein Zigarettenetui aus Silber hervor. »Möchtet ihr?«

      »Wo kommst du her?«, fragte Heinrich.

      »Aus Krefeld, aus der Seidenstadt.«

      So ein Zufall, dachte Fritz. Oder war es Schicksal? Bevor er sagen konnte, dass er aus Hüls war, öffnete sich die Tür erneut.

      »Ick glop, ick werd verrückt. Mensch, hier friert einem ja der Arsch ab. Moin, Dieter Müller.«

      »Heil Hitler!« Fritz riss den Arm hoch, die anderen schauten ihn merkwürdig an.

      Nach und nach füllte sich die Stube. Fritz hatte Schwierigkeiten, sich die Namen zu merken. Das gibt sich mit der Zeit, dachte er.

      Um acht Uhr traten sie zum Appell an, danach marschierten sie zum Einkleiden, ihnen wurden Uniformen und Ausrüstungsgegenstände ausgehändigt. Darüber war Fritz froh. Zwei auf der Stube kamen aus besseren Elternhäusern, das hatte er sofort gesehen. Einer hatte sogar einen adeligen Namen, von Steglitz. Sein Onkel war Gauleiter am Niederrhein. An ihn würde Fritz sich halten.

      Als abends das Licht gelöscht wurde, wusste Fritz, dass nun die beste Zeit seines Lebens begonnen hatte. Alles würde anders werden. Alles. Anders und besser.

      3. Kapitel

      »Jürgen?« Christiane Suttrop, die Sekretärin des Polizeichefs, stand in der Tür zu Fischers Büro. »Oliver hat mehrfach versucht dich zu erreichen, aber bei dir war immer besetzt.«

      »Ich musste einiges abklären. Was will er denn?«

      »Das hat er nicht gesagt. Nur, dass er dich sprechen muss.«

      Jürgen Fischer nahm sein Diensthandy. Der Akku war leer. »Hast du mal eben Olivers Nummer?«

      »Auswendig weiß ich sie nicht. Ich ruf ihn an und stell dann zu dir durch.«

      Fünf Minuten später sprach Fischer mit einem aufgeregt klingenden Oliver Brackhausen.

      »Ich bin im Zoo. Hier ist ein Blindgänger.«

      »Das weiß ich.« Fischer stöhnte leise.

      »Aber in der Grube ist auch noch etwas anderes. Eine Plane und Stiefel.«

      »Jemand hat dort Müll entsorgt?«

      »Jürgen, ernsthaft. Hier ist tatsächlich eine Leiche.«

      Fischer stand auf. Es war schon vier Uhr nachmittags und der Stapel auf seinem Schreibtisch hatte sich an diesem Tag nicht wesentlich verkleinert. »Eine ältere Leiche oder etwas Aktuelles?«

      »Kann ich nicht sagen, dazu müsste ich in die Grube steigen. Soll ich?«

      »Um Gottes willen, nein. Ist der Kampfmittelräumdienst noch nicht da?«

      »Nein, sie stecken im Stau.«

      »Bleib wo du bist, lass niemanden in die Nähe. Ich komme.«

      Egal, was sich sonst noch in der Grube befand, bevor die Bombe nicht entschärft war, durfte sich ihr keiner nähern. Fischer hatte einmal mitbekommen, wie ein kleiner Blindgänger hochging. Die Detonation war gewaltig und der Bombenkrater anschließend enorm. Da die Bombe auf einem entlegenen Feld gefunden worden war, kam niemand zu Schaden. In der Stadt konnten die Folgen weitaus schwerwiegender sein. Die Kollegen vom Räumdienst würden die Gefahr gut einschätzen können. Sie bestimmten, in welchem Umkreis evakuiert werden musste.

      Da nicht viel los war, hatte Fischer die freie Auswahl an Dienstfahrzeugen. Er wählte den Astra, denn bei diesem Wagen funktionierte die Klimaanlage. Nachdem der Juli verregnet gewesen war, schlug der August mit heißem Wetter zu.

      Ein Mitarbeiter des Zoos führte ihn zum Fundort. Dieser Bereich war abgesperrt.

      »Es ist dort hinten, zwischen Regenwaldhaus und Zooschule. Wir hatten einen Rohrbruch und der Weg ist abgesackt.«

      »Kommt immer mal wieder vor, dass man Blindgänger findet.« Fischer sah sich um. Er war bisher nur einmal mit Martina Becker, der Staatsanwältin, im Zoo gewesen.

      Hinter dem Regenwaldhaus stand der Bagger, die Schaufel in eine Grube gesenkt. Die Arbeiter hatten sich auf eine Bank gesetzt und rauchten. Oliver Brackhausen kam Fischer entgegen.

      »Gut, dass du da bist. Schau mal.« Er führte Fischer zu der Grube, zeigte hinein. Der Blindgänger war unter Sand und Erde gerade zu erahnen.

      »Viel

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