Seidenstadt-Schweigen. Ulrike Renk

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seidenstadt-Schweigen - Ulrike Renk страница 6

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Seidenstadt-Schweigen - Ulrike Renk

Скачать книгу

Neues?« Fischer überflog die Notizen, die auf seinem Schreibtisch lagen.

      »Nein«, brummte Brackhausen.

      »Noch nicht ausgeschlafen?« Fischer lachte.

      »Scheißnacht gehabt.«

      »Vollmond?«

      »Nein, Streit mit Vera.«

      Brackhausen sah nicht so aus, als würde er darüber reden wollen, deshalb fragte Fischer nicht weiter nach.

      Das Schweigen hielt auch während der Fahrt an. Fischer parkte den Wagen am Grotenburg-Stadion. Als sie den Zoo betraten, kam ihnen ein Mitarbeiter entgegen.

      »Guten Morgen. Friedel Schmitz, stellvertretender Zooleiter. Sie sind Hauptkommissar Fischer, richtig? So wie es aussieht, dauert es noch.«

      »Gibt es Probleme?«, fragte Fischer.

      »Wir können das Regenwaldhaus nicht räumen. Die Gefahr, dass das Haus beschädigt wird, wenn die Bombe hochgehen sollte, ist sehr groß. Es gibt aber ein Spezialzelt, das man über derartige Blindgänger aufstellen kann. Ein besonderes Gewebe, das die Druckwelle abfängt. Es wurde speziell für Bombenfunde in U-Bahnen und auf großen Plätzen entwickelt. Das Zelt muss aber erst noch organisiert werden. Ich bin froh, dass es so etwas gibt. Nicht auszudenken, was mit den Tieren passieren würde, sollte doch etwas schiefgehen.«

      »Sind die Kollegen aus Düsseldorf schon da?«

      »Ja, sie warten dort hinten. Bleiben Sie hier? Ich habe jemanden geschickt, um Kaffee zu holen.«

      Wenn es hier nichts weiter für ihn zu tun gab, wollte Fischer lieber wieder fahren und seinen Schreibtisch in Ordnung bringen. »Danke, nein.«

      Brackhausen war schon vorgegangen und hatte die Kollegen vom Kampfmittelräumdienst in ein Gespräch verwickelt. Fischer lächelte. Er konnte sich noch gut an seinen ersten Bombenfund erinnern.

      »Ich fahre wieder zum Präsidium. Wenn die Bombe beseitigt ist und dort in der Grube tatsächlich eine Leiche liegt, werden wir die nötigen Maßnahmen ergreifen und uns darum kümmern.«

      »Die Leiche – falls da eine ist – ist aber alt, nicht wahr? Das gibt keinen Skandal?«, fragte der stellvertretende Zoodirektor.

      »Ich gehe davon aus, dass es jemand aus dem Krieg sein könnte. Machen Sie sich keine Sorgen, für mich sieht es bisher nur aus wie ein Kleiderbündel.«

      Fischer ging zurück zum Eingang. Dort stand Lutz Rosen, ein Schutzpolizist, und diskutierte mit einem älteren Mann. Der Mann trug einen feinen hellbraunen Anzug. Er stützte sich auf einen Rollator.

      »Ich habe es Ihnen doch schon erklärt.« Lutz seufzte. »Sie können vorläufig nicht hier rein.«

      »Ich habe eine Jahreskarte. Ich bin jeden Tag hier. Sie ist gültig, schauen Sie.« Der Mann zog seine Brieftasche aus dem Jackett und nahm eine Karte hervor.

      »Guten Morgen, Herr van Treek, gibt es ein Problem?« Friedel Schmitz trat zu den beiden.

      »Dieser Mann will mich nicht einlassen.« Der alte Mann fuchtelte entrüstet mit seiner Jahreskarte herum. »Dabei ist die Karte gültig. Sagen Sie ihm das, Herr Schmitz.«

      »Sie können jetzt tatsächlich nicht in den Zoo. Es ist eine Bombe gefunden worden, die muss entschärft werden. Ich hoffe, heute Nachmittag ist alles behoben und geklärt, dann werden wir wieder öffnen.«

      »Eine Bombe? Wer macht denn so etwas?«

      »Das ist eine Bombe aus dem Krieg. Ein Blindgänger.«

      Van Treek zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Wo denn?«

      »Hinten am Regenwaldhaus.«

      »Was mach ich denn jetzt? Ich kann doch nicht nach Hause gehen und dann wiederkommen. Was, wenn ich dann immer noch nicht rein darf? Das können Sie doch mit mir nicht machen.« Van Treek schien in sich zusammenzusacken.

      »Kann ich Sie nach Hause bringen?«, bot Fischer dem alten Mann an. Dieser schüttelte unwillig den Kopf, drehte sich um und ging langsam die Straße hinunter.

      »Er kommt fast jeden Tag. Muss schon an die 90 sein. Als er einen Schlaganfall hatte und einige Zeit nicht kommen konnte, haben wir ihn regelrecht vermisst.« Schmitz schaute dem Mann hinterher. »Er spendet immer und hat auch schon Tierpatenschaften übernommen.«

      »Wahrscheinlich wird morgen alles wieder seinen gewohnten Gang gehen und er kann wiederkommen.« Fischer verabschiedete sich und ging zum Wagen.

      6. Kapitel

      1939

      »Antreten!« Der Ruf des Ausbilders hallte durch die Gänge.

      »Was denn? Es ist doch gleich Essenszeit. Elender Schinder. Wenn der uns wieder durchs Gelände jagt …« Fritz stöhnte auf.

      »Was dann?« Alfred lachte. Beide waren aufgesprungen und griffen nach ihrer Ausrüstung.

      »Wir sind hier nicht auf Urlaub. Los, los Ihr Säcke!«, brüllte der Ausbilder.

      Innerhalb weniger Minuten war die Kompanie zugweise im Hof angetreten, der Kompaniechef äußerte sich kurz zu den soldatischen Tugenden und sprach von der zu jeder Zeit notwendigen Härte gegen sich selbst. Dann übernahmen die Zugführer.

      »Geländedienst, Männer. Fertig werden!« Der Feldwebel ließ den Blick die Reihe entlangwandern. »Stillgestanden, Gruppenführer übernehmen!« Fritz kontrollierte unauffällig, ob die Gasmaske ordentlich befestigt war. Sein Gruppenführer, Unteroffizier Heff, hatte ihn schon wegen kleinerer Vergehen zur Schnecke gemacht.

      Im Gleichschritt marschierten die Gruppen vom Kasernenhof. Nach zwei Kilometern strammen Marsches erreichten sie die Heide. Dort scherte ihre Gruppe aus und ging in Linie vor.

      »Stellung!«

      Fritz ließ sich auf den Bauch fallen, nahm die Hacken herunter und schob das Gewehr feindwärts. So manches Mal hatte er vergessen die Hacken herunterzunehmen. Diesbezüglich gab Heff kein Pardon, immer wieder schnauzte er, dass die Hacken ein gutes Ziel bildeten, und dass man mit angeschossenen Fersen nur eine Belastung und Gefahr für seine Kameraden darstelle. Mitunter ließ er sich dazu hinreißen, hochstehende Fersen einfach um zu treten.

      »Deckung!«

      Fritz drückte sein Gesicht in die kalte Erde, legte die Arme um den Helm, die vereiste Pfütze unter seinem Bauch brach, er spürte das eisige Wasser durch die Kleidung dringen.

      »Sprung auf! Marsch, Marsch!«

      Sie erhoben sich und stürzten in die befohlene Richtung. Der Klappspaten hatte sich aus dem Futteral gelöst, Fritz griff im letzten Moment danach, bekam ihn mit der Linken zu fassen. Die Gasmaskendose schlug gegen seine rechte Hüfte, das Sturmgepäck lastete schwer auf seinem Rücken.

      »Fliegerangriff, neun Uhr!«

      Wieder nahmen sie Deckung. Fritz kam dabei so unglücklich zu Fall, dass er sich die kugelige Verdickung am Ende des Holzstiels seines Klappspatens genau zwischen

Скачать книгу