Seidenstadt-Schweigen. Ulrike Renk

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Seidenstadt-Schweigen - Ulrike Renk

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ziehen musste. »Verdammt, nun antworte mir doch.«

      »Eigentlich ist nichts passiert. Ich packe nur noch einiges ein.« Sie klang, als würde sie weinen.

      »Ich komme.«

      »Nein …«

      Fischer hatte schon aufgelegt. Er nahm sich seine Jacke und die Autoschlüssel, ließ die Haustür hinter sich ins Schloss fallen, ohne abzuschließen. Auch das Licht ließ er brennen. Um die Geschwindigkeitsbegrenzung kümmerte er sich nicht. So schnell war er noch nie nach Moers gefahren. Was mochte ihr zugestoßen sein? Hatte sie sich verletzt?

      Er parkte vor dem Haus, lief zur Tür und schellte.

      Martina öffnete die Haustür. Ihre Augen waren verquollen. Jürgen nahm sie in die Arme, drückte sie an sich.

      »Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Hast du dich verletzt? Bist du gestürzt?«

      »Nein, nichts von alledem. Komm …« Sie zog ihn in den Flur, schloss die Tür.

      »Was ist es dann?« Fischer stieß die Luft aus und rieb sich über das Kinn.

      »Möchtest du einen Kaffee?«

      »Kaffee? Martina! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, bin fast hierhergeflogen. Du hast geweint, warum?« Auf einmal verspürte er die unbezwingbare Lust auf eine Zigarette. Martina war in die Küche gegangen und betätigte die Kaffeemaschine. Auch hier war schon vieles eingepackt. Überall lag Zeitungspapier und Klebeband. Fischer ging durch das Wohnzimmer, es war ein Slalom zwischen Kartons und Kisten. Er öffnete die Terrassentür, nahm die Zigaretten hervor, steckte sich eine an und inhalierte tief.

      Martina trat hinter ihn. Er konnte den würzigen Duft des Kaffees riechen. Sie legte ihm eine Hand auf den Rücken.

      »Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«

      »Das ist dir nicht gelungen.«

      »Das tut mir leid. Ich hatte es nicht so gemeint. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich noch hier bin und später komme.«

      Jürgen drehte sich zu ihr um. »Weshalb?«

      »Ich habe gepackt und aussortiert. Dabei sind mir die alten Fotoalben in die Hände gefallen. Bilder von früher …« In ihren Augen glitzerte es verdächtig.

      Fischer biss sich auf die Unterlippe. Martinas Mann war vor einigen Jahren an Krebs gestorben. Martina war lange Zeit nicht über seinen Tod hinweggekommen. Immer noch gab es Momente, in denen Jürgen das Gefühl hatte, dass sie in die Vergangenheit abtauchte. Gegen einen Toten anzukommen, war für ihn unmöglich. Die schlechten Erinnerungen vergaß man und die guten wurden übermächtig. Er seufzte.

      »Soll ich dir beim Packen helfen?«

      Martina schüttelte den Kopf.

      »Was kann ich dann tun?«

      Sie schwieg.

      »Martina?« Fischer zog noch einmal an seiner Zigarette, warf sie dann zu Boden und trat sie aus. »Sollen wir essen gehen? Ich lade dich ein.«

      »Ich glaube, ich möchte noch ein wenig alleine sein.« Ihre Stimme klang hoch und unsicher.

      Fischer schloss die Augen, dann nickte er. »Okay. Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«

      Er fuhr langsam über die Dörfer zurück, wählte Umwege, verfuhr sich beinahe. In Neukirchen-Vluyn hielt er bei McDonald’s und gönnte sich einen Hamburger Royal TS. Fischer hatte kein gutes Gefühl, was Martina anging. Ob sie ihren Entschluss zusammenzuziehen schon bereute? Zweifelte sie an der Beziehung, an ihrer Liebe? Oder hat sie festgestellt, dass Fischer nie so wie ihr verstorbener Mann sein würde?

      Es roch immer noch intensiv nach Farbe, als er die Haustür zu ihrem Haus aufschloss. Diesmal hatte der Geruch etwas Chemisches, es roch nicht wie die Vorankündigung von neuem Glück.

      8. Kapitel

      Sabine Thelen öffnete die Tür ihres Kühlschranks und starrte hinein. Ihr Magen knurrte, aber sie konnte sich nicht aufraffen, eine der Tupperdosen zu öffnen, die ihre Mutter eingepackt hatte, und das Essen warm zu machen.

      Für einen kurzen Augenblick überlegte sie nach Oppum zu ihren Eltern zu fahren, doch dort war sie vorgestern schon gewesen. Außerdem konnte sie den besorgten Blick ihrer Mutter nicht mehr ertragen.

      »Isst du genug, Kind? Du siehst so dünn aus? Du arbeitest sicher zu viel. Komm, nimm dir noch ein Stück Kuchen. Soll ich dir auch Kuchen einpacken?« Sätze dieser Art kamen immer. Obwohl Sabine wusste, dass ihre Mutter es gut meinte, fand sie die Fürsorge übertrieben und konnte nur schlecht damit umgehen.

      Ihre Katze maunzte und rieb sich dann schnurrend an Sabines Beinen.

      »Du hast auch Hunger, nicht wahr?« Sabine füllte den Napf der Katze, sah dem Tier beim Fressen zu. Auf dem Küchenschrank stand eine Flasche Rotwein, den Sabine gestern geöffnet hatte. Sie nahm sich ein Glas, schenkte es voll. Dann ging sie auf den Balkon.

      Schon seit einigen Jahren wohnte sie in der Dachgeschosswohnung eines Hauses in der Dürerstraße. Den Blick über die Gärten empfand sie als beruhigend, die Wohnung gut geschnitten. Trotzdem schaute sie immer mal wieder in die Zeitung, auf der Suche nach einer neuen Wohnung.

      Vor zwei Jahren war ihr Lebensgefährte und Kollege bei einem Einsatz ermordet worden. Sabine hatte inzwischen fast alles von ihm weggegeben, aber die Erinnerungen blieben.

      Das Schellen der Wohnungstür riss sie aus ihren Gedanken. Im Flur nahm sie den Hörer der Gegensprechanlage ab. Wer würde sie um diese Zeit besuchen? Wahrscheinlich waren es die Zeugen Jehovas.

      »Sabine? Hier ist Oliver …«

      »Komm hoch.« Verwundert drückte sie den Türöffner. Seine Schritte klangen laut in dem engen Treppenhaus. An der Tür blieb er stehen, sah verlegen auf den Boden.

      »Ich wollte dich nicht stören …«

      »Komm rein. Ist was passiert?«

      »Ich habe versucht dich telefonisch zu erreichen …« Oliver stand immer noch an der Tür.

      Sabines Handy lag auf dem Tischchen in der Diele. Sie warf einen Blick darauf. »Der Akku ist leer. Verflucht, ich hatte das Ding doch gerade erst aufgeladen.«

      »Zeig mal.« Endlich trat Brackhausen in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. »Kann sein, dass der Akku kaputt ist. Da kannst du aufladen bis der Arzt kommt, das Ding ist sofort wieder leer. Hast du Ersatz?«

      »Ja, irgendwo. Ich such nachher. Magst du ein Glas Wein?«

      »Ein Bier wäre mir lieber.«

      »Hab ich auch. Geh schon mal auf den Balkon.«

      Oliver blieb am Geländer stehen. Er wischte sich über das Gesicht, schaute in die Gärten, ohne etwas wahrzunehmen. War es richtig gewesen, zu Sabine zu fahren? Die Kollegen hielten zusammen, waren wie eine Familie. Sie kannten sich in Ausnahmesituationen, manchmal kannten sie sich besser als der Partner zu Hause. Er hatte jemanden zum Reden gesucht und Sabine war ihm als Erstes eingefallen.

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