Arnulf. Kampf um Bayern. Robert Focken

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Arnulf. Kampf um Bayern - Robert Focken

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      Als Arnulfs Männer durch das Klostertor preschten, um die Verfolgung wieder aufzunehmen, stieß Gallo mit seinen Leuten zu ihnen. Halbernst gemeinte Worte flogen den Ankömmlingen entgegen: dass die Westfranken gerne zu spät kamen, und wenn, dann betrunken.

      Im straffen Galopp ging es weiter. Die Spur führte nicht nach Norden, wie Arnulf zuerst erwartet hatte, sondern ostwärts: Die von vielen Hufen aufgewühlte Straße schlängelte sich die Höhen des Odenwalds hinauf. Die Straße wurde zum Weg, bald streiften die Zweige der Bäume ihre Schultern. Vorbei ging es an aus dem Wald geschlagenen Gehöften. Sie sahen Frauen hinter Zäunen verschwinden, riefen halbnackte Arbeiter auf dem Feld an, die sofort mit der Hand nach Osten zeigten: Zum Main sind sie!

      Am frühen Abend hielten sie auf einem kleinen Plateau mit einem Steinkreuz. Von hier ging der Blick weit nach Osten, und Arnulf konnte das Maintal im grünen Gewoge erkennen. Wollen die Attentäter auf ein Schiff? Sie würden gegen die Strömung segeln müssen …

      Sie ritten weiter bergab, schließlich tauchte noch eine letzte Höhe vor ihnen auf, über die der Weg zum Ufer hinabzuführen schien. Arnulf befahl Halt. Rechts von ihnen war der Hang überzogen mit einem Filz aus Brombeeren, Kletterpflanzen und jungen Bäumen, zwischen ihnen sah man noch die schwarzen Stümpfe eines Waldbrandes. Dort war kein Durchkommen.

      Da kam ein einzelner Krieger aus der Kolonne an den anderen Pferden vorbei nach vorn. Ein drahtig wirkender Kerl mit wettergegerbtem Gesicht und Linien um die Augen, die etwas Düsteres hatten – einer von Sigfrids Wesersachsen, die er in Arnulfs Dienst mitgebracht hatte. »Ich kann sie riechen, Herr«, sagte der Mann, ohne die Stimme zu heben. Er hielt Arnulfs Blick für die Dauer eines Herzschlags. »Sie warten auf uns!«

      Arnulf folgte dem Blick, starrte wieder auf die bewaldete Höhe vor ihnen. »Ein Hinterhalt?«, grunzte Arnulf und zurrte an seinem Halstuch, um Luft an die Haut zu lassen. »Keine schlechte Stelle.« Er befahl abzusitzen. Der Hagere murmelte noch etwas zu Sigfrid und verschwand wieder nach hinten in die Kriegerkolonne.

      Misstrauisch sah Gallo ihm nach. »Ist das ein Seher oder was? Der sagt doch sonst nie was!«

      »Deshalb nennen wir ihn auch Schweiger«, entgegnete Sigfrid und ließ den dünnen Zopf durch die Finger gleiten. Auch er war angespannt.

      »Ach, wirklich?«, murmelte Gallo. »Wie gut, wenn man Wodansanbeter dabei hat, die sprechen mit den Bäumen und den Käfern.«

      Sigfrid schnaubte etwas Verächtliches und schlüpfte mit dem linken Arm in die Griffringe des Schildes, das er vom Sattel gelöst hatte. Erwartungsvoll sah er Arnulf an. Der hatte sein Tuch wieder straff um den Hals gebunden und prüfte die Axt in der Halteschlaufe am Gürtel. Ein harter Blick glitt über seine Krieger.

      »Die wollen uns überraschen. Drehen wir den Spieß um!«

      Kopfnicken und das Grinsen narbiger Gesichter antworteten ihm. Sie zogen die Kinnriemen der Helme fest, bekreuzigten sich und ließen die Schwertspitzen aneinander klirren: Kriegertreue, giniscaft, verhieß dieses Geräusch. Dann gab sax hamar seine Befehle.

      * * *

      Gallo würde mit seinen gut dreißig Mann in Richtung der Hügelkuppe weiterreiten. Als ahnten die Franken nichts … Die anderen mussten sich durch das Unterholz links des Weges auf die Kuppe zubewegen. Ihr Lärm war der einer Rinderherde im Wald – so kam es Arnulf vor, als er mit großen Schritten vorweglief. Doch nichts tat sich vor ihnen. Als das Gelände kaum noch anstieg, verharrte er einen Augenblick, sah sich nach

       Sigfrid um und zog die Axt. Bei einem Kampf im Unterholz war sie handlicher.

      »Und jetzt?«, raunte Sigfrid und zerquetschte eine Mücke am Hals. »Geht mit Euren Leuten weiter, geradeaus, auf die andere Seite der Kuppe«, murmelte Arnulf, einer Eingebung folgend. »Ihr fangt dort alles ab, was vom Kampfort flieht.«

      Sigfrids Blick ging nach vorne, versuchte das dichte Grün zu durchdringen. Schweigend nickte er. Doch ausgerechnet jetzt kam Arnulf sein ganzer Plan tollkühn und halsbrecherisch vor. Ist dieser Schweiger denn ein Hellseher? Aber einfach weiterzureiten, das wäre genauso riskant gewesen. Er drückte Sigfrids Oberarm, kurz und kräftig. Der Sachse grunzte, machte seinen Leuten Handzeichen und arbeitete sich weiter vor.

      Arnulf zählte langsam bis dreißig. Er spürte die Blicke der Krieger auf sich, wusste, dass er nicht eine Spur von Zweifel zeigen durfte. Von den Sachsen war nichts mehr zu sehen, auch nichts zu hören. Vorsichtig setzten sie sich wieder in Bewegung, hielten jetzt direkt auf die Kuppe zu. Äste knackten, Krieger zischten wütend, wenn sie in Erdlöcher traten. Nichts regte sich vor ihnen. Doch Spechte arbeiteten über ihren Häuptern. Das Geräusch erinnerte Arnulf an den Vormittag, den Marsch zur Jagdstellung. Rasch verdrängte er die Gedanken wieder. Dann tauchte zwischen dem Grün vor ihnen das Rotbraun einiger Pferde auf – die Thüringergäule?! Angebunden an jungen Bäumen. Wo bleibt Gallo?

      Sie warteten mit klopfendem Herzen … Endlich: Hufgetrappel! Lärmend kam Gallos Truppe die Höhe hinauf. Arnulf sprang auf. Die Lichtung auf der Kuppe hatte eine birnenartige Form, der breitere Teil lag in Gallos Richtung. Der Welsche mit seinen Männern ritt geradezu in einen Pfeil- und Speerhagel hinein! »Unter den Buchen!«, brüllte Arnulf, denn die ersten Bogner der Thüringer lösten sich jetzt aus dem Schutz der Bäume. Arnulfs Axt fegte einen von ihnen mit blutigem Schädel zur Seite, dann stand da einer mit Speer, der sofort reagierte. Die Spitze krachte in Arnulfs Schild. Der Offizier sah die schreckgeweiteten Augen und trat dem Mann in die Körpermitte, sodass der Mann zusammenklappte. Ein Schildstoß gegen den Kopf schickte ihn ins Reich der Träume. Irgendwen muss man noch befragen können!

      Ein Schlag aus dem Nichts: Im letzten Moment konnte Arnulf die Waffe heben, ein Schwert kreischte über die Axtklinge. Ein heftiger Schildstoß ließ Arnulf nach hinten stolpern. Er fing sich, schlug mit einem wilden Hieb ein paar Späne aus dem Schild des anderen. Der Kerl brüllte etwas, entblößte eine riesige Zahnlücke und schlug wieder zu. Arnulf wehrte ihn mit dem Schild ab, fasste die Axt am untersten Schaftende, fiel auf ein Knie und zertrümmerte dem anderen mit einem sichelartigen Schlag das Schienbein. Arnulf spürte den Knochen nachgeben, doch der Kerl fiel nicht um. Er schrie einen Schmerzenslaut hinaus wie ein Ochse und stach irgendwie mit der Schwertspitze nach unten. Glühend heiß glitt der Stahl über die Knochen und Knorpel seines Nackens.

      »Verzeihung!« Ein dumpfes Aufschlaggeräusch, dann fiel der Kerl mit Würgen und Krächzen nach hinten über. Senkrecht ragte der Schaft einer Stoßlanze aus seiner Brust. Arnulf richtete sich zitternd auf und sah in die Ich-kann-auch-anders-Fratze Gallos. Auf der Lichtung, am Waldsaum erklang noch das Geräusch von Waffen, doch kein Kampfgetöse mehr. »Habt Ihr Hardrad?«

      »Pfeile im Arsch haben wir, sonst nichts«, knurrte der Westfranke und wischte die Lanzenspitze am Hosenbein des Toten ab.

      Die Enttäuschung überdeckte für einen Moment den Schmerz in Arnulfs Nacken. Zwei ihrer eigenen Männer lagen blutüberströmt und reglos auf dem Waldboden. Ein paar hielten sich zerschmetterte Gelenke, ein halbes Dutzend Mann war damit beschäftigt, Pfeile aus den Pferden und Kriegern zu zerren. Die rasch angefertigte Panzerung der Tiere aus zusammengeknüpften Satteldecken hatte die meisten Geschosse aufgefangen.

      Im Laufschritt und mit klappernden Waffengürteln kamen Sigfrid und seine Leute herbei. Arnulf wrang schwarzroten Saft aus seinem Halstuch. »Wen habt Ihr gefangen?« Der Schweiger stieß zwei junge, picklige Kerle mit leeren Schwertscheiden nach vorn: Die Pferdewachen?!

      »Verdammt!«, zischte Arnulf. Nichts war gewonnen, Hardrad womöglich über alle Berge! Da blieb sein Blick an dem Speerkämpfer hängen, den er niedergeschlagen hatte. Eine kleine

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