Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich
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Читать онлайн книгу Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich страница 14
»Das ist gut. Gilt das auch für König Ferdinand?«
»Nein«, antwortete Philipp. »Er hat versucht den Kaiser zu überzeugen, gegen die Protestanten vorzugehen. Er will den Krieg. Wie stehen die Aufständischen in der Stadt dazu? Wollen sie sich wirklich auf einen langwierigen Streit mit ihrem König einlassen?«
»Lasst uns das drinnen besprechen«, warf Diepold von Lobkowitz ein. »Wir sollten nicht riskieren, dass jemand unsere Worte mithört.«
Eine halbe Stunde später saß Philipp mit den beiden Statthaltern und Polyxena zusammen am Tisch. Magdalena hatte es vorgezogen, sich zurückzuziehen und ein Zimmer bekommen, in dem sie sich ausruhen konnte. Die Hausherrin hatte ihrer Dienerschaft aufgetragen, ein Mahl und Wein aufzutischen. Philipp merkte erst jetzt, wie hungrig er nach der langen Reise war und ließ sich nicht lange bitten, sich an den Speisen zu bedienen.
»Die Stimmung in der Stadt ist zwiegespalten«, nahm von Sternberg das Gespräch wieder auf. »Es gibt ein Direktorium, welches die Macht in Böhmen übernommen hat. Graf von Thurn ist dabei, ein Heer aufzustellen und rüstet zu einem möglichen Kampf.«
»Also wollen die Protestanten ihr Recht mit Gewalt durchsetzen«, stellte Philipp fest.
»Zumindest sind sie dazu bereit«, bestätigte von Lobkowitz. »Es sind aber nicht nur die protestantischen Stände, die sich gegen den König formiert haben. Auch ein Großteil des katholischen Adels hat sich auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Sie wollen Frieden im Reich. Diesen sahen sie bedroht, als ihr Kaiser sich gegen den Majestätsbrief gestellt hat.«
»Das hat er gar nicht«, entgegnete Philipp. »Zumindest behauptete er das. Matthias will keinen Krieg.«
»Den wollen wir auch nicht«, sagte von Lobkowitz.
»Wie steht Ihr zu der Rebellion?« Philipp war gespannt, welche Antwort er nun von den beiden ehemaligen Statthaltern bekommen würde. Offensichtlich sahen sie sich nicht in Gefahr. Sie mussten sich also mit von Thurn und seinem Gefolge arrangiert haben.
»Wir können die Beweggründe der Protestanten nachvollziehen, auch wenn wir sie keinesfalls billigen«, übernahm Polyxena das Wort. »Die Rebellen gehören an den Galgen. Ein Krieg würde allerdings sehr großes Leid über unsere Stadt bringen. Letztlich geht es uns allen um eine friedliche Lösung. Daher haben wir eine beratende Position übernommen und wollen versuchen, zwischen dem neuen Direktorium und dem König zu vermitteln.«
»Was ist mit Martinitz und Slavata?«
»Sie sind nach ihrer Genesung nach München aufgebrochen und wollen dort abwarten, wie sich die Lage entwickelt«, erklärte Polyxena. »Hier wären sie ihres Lebens nicht mehr sicher gewesen.«
»Was soll ich jetzt tun? Kann ich mich überhaupt in der Stadt blicken lassen?«
»Die Menschen in Prag sind geteilter Meinung über eure wundersame Rettung«, antwortete von Sternberg. »Die katholischen Bürger glauben, dass ihr von der Jungfrau Maria persönlich gerettet worden seid und damit unter ihrem Schutz steht. Graf von Thurn behauptet, ein Misthaufen habe euren Fall gebremst und auch so vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Sein Groll richtet sich aber nicht gegen dich. In der Stadt wird dir nichts geschehen. Du kannst in deine Kammer zurück. Das Schloss solltest du allerdings nicht aufsuchen. Halte dich von Graf von Thurn und dem Direktorium fern.«
»Was soll ich noch in Prag, wenn ich meine Arbeit als Sekretär nicht mehr aufnehmen kann?«
»Wir können einen Schreiber gut gebrauchen«, sagte Diepold von Lobkowitz. »Wenn du einverstanden bist, kannst du hier für meine Gemahlin und mich tätig werden.«
»Das ist ein großzügiges Angebot, das ich gerne annehme.« Philipp war erleichtert, dass ihm die Möglichkeit geboten wurde, wieder Fuß in der Stadt zu fassen. Er brauchte ein Einkommen, wenn er Magdalena ein gutes Leben bieten wollte. Zwar würde er mit dem Geld des Kaisers noch einige Zeit auskommen, irgendwann würde es aber aufgebraucht sein. »Was ist mit Magdalena?«
»Die junge Frau wird bei uns bleiben«, erklärte Polyxena mit fester Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »In der heutigen Nacht wirst auch du Gast in unserem Haus sein. Alles Weitere wird sich morgen ergeben. Ich bin sicher, dass du nach der langen Reise müde bist und dich ausruhen willst. Es ist spät geworden.«
Philipp war froh, dass er in dieser Nacht nicht mehr zu seinem eigenen Haus aufbrechen musste. Tatsächlich steckten ihm die langen Tage in der Kutsche in den Knochen. Ein paar Stunden Schlaf würden ihm guttun.
Von einer Bediensteten der Gräfin wurde Philipp in ein Gästezimmer geführt. Er zog seine Kleidung aus, legte sich auf das Bett und schlief wenige Sekunden später ein.
Wien, 17. Juni 1618
»Heute werden wir prüfen, ob du in den letzten Wochen etwas gelernt hast«, sagte Zeidler, als er die Bibliothek betrat, in der Anton bereits seit zwei Stunden saß und im Schein zweier Kerzen las.
Er sah seinen Lehrmeister überrascht an. Der Alte schien an diesem Morgen außerordentlich gute Laune zu haben.
»Wie meint Ihr das?«
»Ich will sehen, ob du in der Lage bist, die Ereignisse in Europa klar und verständlich zusammenzufassen.«
»Also soll ich einen Text schreiben?«
»Nein. Ich stelle dir Fragen und du versuchst so knapp und präzise zu antworten, wie es dir möglich ist.«
»Ich verstehe.« Anton war nicht klar, was Zeidler mit dieser Übung bezweckte. Wenn er allerdings in den letzten Wochen eines gelernt hatte, dann, dass es keinen Sinn machte, mit seinem Meister zu diskutieren. Bisher hatte er ihm nie etwas über seine Ziele gesagt, sondern ihm lediglich Anweisungen erteilt. In den ersten Tagen hatte Anton seinen Meister oft nicht richtig verstanden, weil der sehr undeutlich sprach, wenn die beiden allein waren. Zeidler hatte immer sehr verärgert reagiert, wenn er etwas wiederholen musste und seinem Schüler die Schuld gegeben. Mittlerweile hatte sich Anton an die Sprache des Alten gewöhnt und verstand jedes Wort.
»Bist du bereit?«
»Ich denke schon.« Anton sah Zeidler irritiert an. Was auch immer der Alte vorhatte, es schien ihm eine diebische Freude zu bereiten. Für ihn selbst konnte das nichts Gutes bedeuten.
»Welche Königreiche grenzen direkt an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation?«
»Das ist leicht«, gab Anton zurück. »Diese Frage hätte ich bereits beantworten können, bevor ich meine Arbeit hier begonnen habe.«
»Dann tue es bitte.«
»Es sind die Königreiche Ungarn, Polen, Dänemark, Frankreich und England. Außerdem die Republik Venedig, der Kirchenstadt Rom, das Mittelmeer und die Nord- und Ostsee.«
»Sehr gut. Wie wird es regiert?«
»Zunächst einmal durch den römisch-deutschen Kaiser. Dann haben wir die Kurfürsten, die Reichsfürsten und die Reichsgrafen.«
»Vergiss die Reichsritter nicht.«
»Die höchsten Instanzen sind der Reichshofrat und das Reichskammergericht, wobei letzteres durch die Spannungen im Reich praktisch nicht mehr handlungsfähig ist.« Anton wunderte sich darüber,