Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich
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Читать онлайн книгу Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich страница 17
»Im Dorf gibt es sicher Arbeit für mich. Es gibt dort noch mehr Menschen, die alles verloren haben. Ich kann ihnen beim Wiederaufbau helfen.«
»Aber warum willst du weg? Habe ich irgendetwas falsch gemacht?«
»Es ist nicht wegen dir. Es sind die Menschen in Prag. Auch wenn sie sich mir gegenüber freundlich verhalten, habe ich das Gefühl, dass sie hinter meinem Rücken über mich reden.«
»Du wirst bei Polyxena und Diepold immer willkommen sein.«
»Das weiß ich. Es ist die Dienerschaft, die hinter meinem Rücken über mich tuschelt. Das ertrage ich nicht mehr lange. Ich habe nie etwas Unrechtes getan.«
»Natürlich hast du das nicht.« Philipp dachte fieberhaft nach. Es musste eine Möglichkeit geben, wie er seine Angebetete davon überzeugen konnte, bei ihm in der Stadt zu bleiben.
»Werde meine Frau.«
»Was?«
»Heirate mich. Wir können uns ein Haus bauen und zusammen in der Stadt leben. Dann wird es keiner mehr wagen, schlecht über dich zu reden.«
»Ich kann nicht. Der Tod meiner Eltern geht mir nicht aus dem Kopf. Wir haben sie noch nicht einmal begraben.«
»Du weißt, dass wir das nicht konnten.«
»Dennoch tut mir es in der Seele weh. Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich meine Eltern zwischen den Trümmern des Gasthauses liegen. Ich muss zurück nach Hause.«
»Dann werde ich dich begleiten.« Philipp war fest entschlossen, Magdalena nicht alleine gehen zu lassen. Er konnte sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen und würde alles für die junge Frau tun.
»Das würdest du tun?«
»Wenn es dein Wunsch ist.«
»Dein Platz ist in dieser Stadt.«
»Nein. Er ist an deiner Seite. Wenn du Prag verlassen willst, komme ich mit.«
»Das kann ich nicht zulassen.«
»Dann musst du ebenfalls in der Stadt bleiben.« Philipp sah Magdalena entschlossen an. Sie wirkte plötzlich unsicher und schien nicht zu wissen, was sie antworten sollte. »Lass uns morgen noch einmal in Ruhe über alles sprechen«, schlug Philipp schließlich vor. »Wir werden eine Lösung finden.«
»Einverstanden. Begleitest du mich zurück? Ich möchte nicht noch einmal alleine durch die Stadt laufen.«
»Natürlich. Warum bist du nicht zu mir gekommen, als ich noch bei den von Lobkowitzes war? Der Weg hierher ist viel zu gefährlich.«
»Ich wollte mit dir alleine sprechen.«
»Das hättest du auch dort gekonnt.«
***
Als er an diesem Abend in seinem Bett lag, konnte Philipp keinen Schlaf finden. Das Gespräch mit Magdalena wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. Der Gedanke, dass er sie für immer verlieren könnte, war unerträglich und schmerzte in seinem gesamten Körper. Die ganze Nacht über wälzte er sich unruhig in seinem Bett hin und her und schreckte mehrmals schweißgebadet auf. Als er sein Zimmer am Morgen verließ, hatte er das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben.
Pressburg, 01. Juli 1618
Anton schreckte aus dem Schlaf hoch und hatte das Gefühl, sein Kopf würde explodieren. Stöhnend ließ er sich zurück auf das Bett fallen und blickte Richtung Fenster. Was in Gottes Namen ist passiert, dachte er. Seine Zunge hing ihm wie ein trockener Schwamm im Mund, sein Durst war entsetzlich. Er kämpfte gegen seine Kopfschmerzen an und setzte sich erneut auf. Dabei schien sich das Zimmer um ihn herum zu drehen. Er kämpfte gegen den Schwindel an und stand auf. Ich muss etwas trinken.
»Wohin gehst du?«, fragte eine Frauenstimme.
Anton drehte sich entsetzt zum Bett um, aus dem er gerade aufgestanden war. Dort lag eine dralle Rothaarige, die lediglich bis zum Bauch zugedeckt war und ihm so einen Blick auf ihren üppigen Busen gewährte. Er schaute an sich selbst herunter und stellte fest, dass auch er nackt war. Offensichtlich hatte er mit der Dame die Nacht verbracht. Dumm nur, dass er sich weder daran erinnern konnte, wie ihr Name war, noch daran, wie sie in sein Zimmer gekommen war.
»Ich habe Durst«, ächzte Anton, weil ihm in dieser Situation nichts Besseres einfiel.
»Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Könntest du bitte deine Blöße bedecken?«
»Warum? Heute Nacht hat es dich auch nicht gestört, dass wir beide nicht bekleidet waren. Ganz im Gegenteil. Außerdem bist du gerade selbst entblößt.«
Anton griff nach der Decke und band sie sich unbeholfen um die Hüften. Was auch immer in den vergangenen Stunden passiert war, er steckte in Schwierigkeiten. In Großen sogar. Wenn man das Weib in seinem Zimmer erwischte, würde er die Krönungszeremonie im Kerker verbringen. Der König. Ich muss sofort in den Martinsdom.
»Du musst sofort verschwinden.«
»Willst du nicht lieber zu mir zurück ins Bett kommen?«
»Du liebe Güte, nein!« Anton sah die junge Frau schockiert an, die sich jetzt der Decke entledigte und komplett unbekleidet vor ihm lag. Er musste zugeben, dass sie alles zu bieten hatte, was ein Mann sich von einem Weib wünschen konnte. Aus ihren hellblauen Augen blickte sie ihn verführerisch an und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Anton schluckte und sein Hals wurde noch trockener.
»Ich kann nicht.«
»Heute Nacht konntest du.«
Anton wollte das Weib in diesem Moment nur noch loswerden. Sie machte allerdings keine Anstalten, sich endlich aus dem Bett zu erheben und fuhr sich stattdessen mit einer Hand über die Brust und winkte ihn mit der zweiten zu sich. So sehr Anton sich anstrengte, es wollte ihm einfach nicht einfallen, wann er das Weib getroffen hatte. Er konnte nicht einmal sagen, ob sie eine Adelige war, oder ob sie zu den Dienstboten des Schlosses gehörte. In beiden Fällen hatte er ein Problem, wenn herauskam, wo sie sich die Nacht über aufgehalten hatte.
Nur langsam kehrten die Erinnerungen an den vergangenen Tag zurück. Das Denken bereitete Anton noch immer große Kopfschmerzen und er hatte das Gefühl, alles wie in einem Traum zu erleben. Am vorherigen Mittag war er mit dem König und einem Tross von über zweihundert Menschen in Pressburg angekommen. Am Abend hatte es einen Empfang zu Ehren von Ferdinand gegeben, bei dem der Wein in wahren Strömen geflossen war. Irgendwo dort musste er dann seine nächtliche Bekanntschaft gemacht haben.
Ich brauche meine Hose. Anton sah sich im Raum um und atmete erleichtert auf, als er seine Sachen auf einem Stuhl liegen sah. So schnell es sein körperlicher Zustand zuließ, zog er sich an und drehte sich dann wieder zum Bett um.
»Willst du nicht aufstehen?«
»Warum die Eile?«
»Ich muss in den Dom. Ferdinand