Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich

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Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich Geschichten des Dreißigjährigen Krieges

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würde die Luft mit jeder Person, die den Dom betrat wärmer und schlechter. Anton spürte wie sein Hals immer trockener wurde. Er sehnte sich nach einem Krug Wasser, wusste aber, dass er noch mehrere Stunden ohne etwas zu trinken auskommen musste.

      Anton wendete seine Aufmerksamkeit den Besuchern im Martinsdom zu. In den Gesichtern der Menschen sah er, dass viele eher aus Zwang anwesend waren als aus echtem Interesse. Der ungarische Adel wirkte gelangweilt und teilweise sogar abweisend.

      Das einfachere Volk zeigte sich dagegen von der Pracht beeindruckt. Reglos standen die Menschen auf ihren Plätzen und warteten ehrfürchtig auf den Beginn der Zeremonie. Anton konnte im Sinne des angehenden Königs nur hoffen, dass Ferdinand im ungarischen Reich nicht ähnliche Probleme bekommen würde wie in Böhmen. Er befürchtete aber, dass dies recht schnell der Fall sein würde, schließlich war auch ein Großteil der ungarischen Stände protestantisch. Nicht auszudenken, wenn sich die Ungarn mit den Böhmen verbündeten! Das wäre das Ende jeglicher Friedensbewegungen und würde einen vermutlich langen Krieg bedeuten.

      Endlich wurde Ferdinand von den geistlichen Würdenträgern hereingeführt. Im Dom wurde es schlagartig still. Trotz der großen Wärme im Saal spürte Anton, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Er trug schwarze Reiterstiefel und eine weiße Uniformjacke. Die rote Hose erinnerte den Schreiber an seine Bettgefährtin in der vergangenen Nacht. Sofort, als er an das sündige Weib dachte, kehrte sein schlechtes Gewissen zurück.

      Hinter dem Bischof gingen zwei Kirchendiener, die violette Schleifen über ihren schwarzen Gewändern trugen. Die beiden hielten je ein rotes Samtkissen mit der goldenen Stephanskrone und dem königlichen Zepter und brachten diese zum Altar. Beiden war anzumerken, dass der kostbare Schatz ein immenses Gewicht haben musste.

      Als Letzter trat Kardinal Klesl zum Altar und warf Erzherzog Maximilian, der in der vordersten Besucherreihe saß, einen finsteren Blick zu. Genau wie der Bischof aus Pressburg trug er ein samtenes Gewand, auf dessen weißen Untergrund mit goldenen Fäden heilige Motive gestickt waren.

      Anton hörte den Worten des Bischoffs kaum zu, als dieser die Zeremonie eröffnete und beobachtete stattdessen die Reaktionen des ungarischen Adels. Die Blicke der Menschen waren zu einem großen Anteil angewidert oder verachtend.

      Als der Bischof nach seiner Ansprache und der Vereidigung Ferdinands die Krone auf das Haupt des Königs setzte, gab es verhaltenen Beifall. Ferdinand ließ sich von den abweisenden Reaktionen des Publikums nicht beeindrucken. Er stand vor dem Altar und blickte stolz in die Runde. Die halbrunde Krone schien wie für seinen Kopf gemacht zu sein. Auf ihrer Oberseite war ein goldenes Kreuz angebracht. Der König nahm das Zepter in die Hand und schritt erhaben durch den breiten Flur zum Ausgang des Martinsdoms. Anton schaute seinem König begeistert dabei zu, wie er die Kathedrale verließ. Am Ende der Zeremonie schienen es dann alle besonders eilig zu haben, den Martinsdom zu verlassen. Anton selbst war einer der letzten, die aus der Kathedrale ins Freie traten. Die Hitze des Tages traf ihn wie ein Schlag, und er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Innerhalb des Martinsdoms war es angenehm kühl gewesen. Hier draußen jedoch war die Luft schwül und warm. Anton, dessen Magen sich noch immer nicht von dem vielen Wein des Vorabends erholt hatte, beeilte sich, den Sonnenstrahlen zu entkommen und schritt eilig Richtung Burg. Dort ging er direkt zum Ballsaal, wo die Feierlichkeiten zu Ehren des Königs stattfinden sollten.

       ***

      Während der Feierlichkeit versuchte Anton, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich am liebsten sofort, nachdem die Speisen abgetragen worden waren, verabschiedet hätte. Er saß den ganzen Tag neben Kardinal Klesl, der nur schweigend mit dem Messer in seinem Essen herumstocherte und dem König finstere Blicke zuwarf. Ferdinand schien ebenfalls kein sonderlich großes Interesse an dem Fest zu haben und leerte gelangweilt einen Becher Wein nach dem anderen, während sich der Erzherzog von Bayern mit dem ungarischen Adel unterhielt.

      Anton war erleichtert, als er sah, dass seine Gefährtin von letzter Nacht an einem anderen Tisch servierte und er so nicht in die Verlegenheit kam, vor den anderen Gästen mit ihr reden zu müssen. Zwar warf sie ihm hin und wieder wissende Blicke zu, doch Anton tat so, als kenne er das Weib nicht. Genau genommen war das sogar die Wahrheit, immerhin wusste er noch immer nicht, wie ihr Name war.

      Als zu später Stunde eine Gruppe von Spielleuten auftrat, um die Anwesenden bei Laune zu halten, entschied sich Anton zu gehen. Der König hatte sein Fest inzwischen ebenfalls verlassen. Insgesamt war die Stimmung genauso angespannt gewesen, wie schon bei der Krönungszeremonie. Anton erachtete es nicht für empfehlenswert, dass der neue König des ungarischen Reiches sich zukünftig allein in den Straßen der Stadt aufhielt. Er konnte es nicht fassen, wie feindselig die Menschen auf ihr neues Oberhaupt reagierten. Als Anton in den Burghof trat, wurde er von einer der Küchenhilfen aufgehalten.

      »Wollt Ihr das Fest schon verlassen?«

      »Es ist spät. Ich habe ein paar anstrengende Tage hinter mir und bin froh, wenn ich mich ausruhen kann.« Was will die jetzt von mir?, dachte Anton. Auf eine weitere Bekanntschaft in Pressburg kann ich gerne verzichten.

      »Vroni dachte, Ihr würdet sie im Anschluss an das Fest im Burggarten treffen.«

      Ach daher weht der Wind. »Daraus wird heute nichts.« Anton wollte gar nicht wissen, wie viel die Küchenhilfe von der vergangenen Nacht wusste, befürchtete aber, dass sie bestens im Bilde war. Zumindest wusste er jetzt den Namen des Weibes.

      »Sag deiner Freundin, dass ich morgen eine Gelegenheit finden werde, sie zu treffen.«

      »Sie wird sehr enttäuscht sein, wenn Ihr heute nicht auf sie wartet.«

      »Ich werde dir keine Rechenschaft darüber ablegen, wie ich den restlichen Abend verbringe. Richte Vroni aus, was ich dir gesagt habe. Mehr braucht dich nicht zu interessieren.« Das wird ja immer besser, dachte Anton wütend. Wenn das so weitergeht, habe ich bald die Hälfte der Bediensteten der Burg am Hals.

      Er entschloss sich, im Burghof zu warten, bis die Magd verschwunden war, bevor er sich in sein Zimmer zur Nachtruhe begab. Obwohl es bereits dämmerte, war es noch immer unerträglich warm und schwül.

      Anton dachte an Wien. Er freute sich darauf, endlich an den Kaiserhof zurückkehren zu dürfen, wenn es ihm auch vor der Reise bangte. Zeidler war sicherlich ebenfalls froh, wenn sein Schüler zurückkehrte und ihm die anstrengenderen Arbeiten abnahm. Natürlich würde der Meister das gegenüber Anton niemals zugeben.

      Der Schreiber schaute zum Himmel. In den wenigen Minuten, die er sich nun im Freien aufgehalten hatte, war es merklich dunkler geworden. Das konnte nicht nur am Einbruch der Nacht liegen. Tatsächlich blickte Anton nun auf ein paar schwarze Wolken, die über die Stadt gezogen. Anton spürte einen Windhauch und zog gierig die etwas frischere Luft in seine Lungen. Dann trafen ihn die ersten Regentropfen. Begleitet von einem heftigen Donnerschlag öffnete der Himmel seine Schleusen. Anton gelang es nicht mehr, schnell genug das Innere des Schlosses zu erreichen. Er rannte in Richtung Eingang, rutschte auf dem nassen Granitboden aus und fiel auf den ohnehin noch schmerzenden Rücken. Gnadenlos ergoss sich eine wahre Sintflut auf den Schreiber und innerhalb von Sekunden war seine Kleidung völlig durchweicht.

      Anton rappelte sich hoch und hatte die Tür fast erreicht, als ein Blitz den Schlossgarten hell erleuchtete. Der nächste Donner folgte keine Sekunde später. Jetzt stieg Panik in ihm hoch. Schon als kleiner Junge hatte er sich sehr von Gewittern gefürchtet und diese Angst bis heute nicht ablegen können. Es war ausgerechnet Vroni, die die Tür öffnete und ihn in den trockenen Flur hineinzog.

       ***

      »Was machst du bei diesem Wetter allein im Freien?«

      »Ich

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