Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner

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Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner Von keltischer Götterdämmerung

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den Spalt, der seit einiger Zeit zwischen den großen Türen des hinteren Stalltors klaffte, und spähte nach draußen. Nichts regte sich. So leise er konnte, schob Aigonn eine der Türen durch das nasse Gras – nur so weit wie nötig – und zwängte sich darauf in die Nacht hinaus. Zwei Häuser mit Stallungen trennten ihn von dem nahen Wall. Bis zum letzten Gebäude überwand er diese Strecke beinahe ohne Hindernis. Doch nun galt es zu warten.

      So eng wie möglich presste Aigonn sich an den feuchten Lehm. Die Nachtwachen drehten dieser Tage – da der Krieg noch so nahe war, dass niemand Unachtsamkeit wagte – zu viert ihre Runden hinter den Palisaden entlang. Die Plattform, die ihnen erhöhte Sicht und zugleich noch immer Schutz vor heranfliegenden Lanzen bot, hatte Behlenos vor wenigen Monaten in Eile zusammennageln lassen – so sporadisch, dass Aigonn gefürchtet hatte, sie würde nach einem Tag wieder zusammenbrechen. Doch einige stützende Balken hatten es möglich gemacht, dass die Wachen unbehelligt nach Feinden Ausschau halten konnten – oder unerwünschten Flüchtlingen aus dem Inneren.

      Leise Schritte verrieten Aigonn, dass die erste Wache nahe war. Er wagte nicht zu atmen, als er sich in den Schatten der Stallungen drückte und abwartete, bis der Krieger auf dem Wehrgang vorbeigelaufen war. Zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwanzig Herzschläge – dann hatte Aigonn genügend Abstand gewonnen, dass er sein Vorhaben wagen konnte.

      So schnell wie möglich huschte er aus seiner Deckung und suchte Halt bei den Stützbalken des Wehrganges. Ein kurzer Blick über die Siedlung verriet ihm, dass zwei der Wachen noch auf der anderen Seite des Walls ausharrten – zu seinem Glück scheinbar in ein Gespräch vertieft. Der vierte Wachposten schlenderte gemütlich den Wall entlang, müde – und weit genug entfernt.

      Mit gehörigem Schwung hievte Aigonn sich auf den Wehrgang. Ihm blieb der Atem im Halse stecken, als er die Bretter unter sich knarren hörte. Nicht nur vor Schreck. Der Schmerz in seinen gebrochenen Rippen trieb ihm alle Luft aus den Lungen. Mit dem steif bandagierten Arm hatte er sich kaum mit der nötigen Behändigkeit auf den Wehrgang ziehen können. Aber das war nun egal. Niemand hatte ihn bemerkt, niemand reagierte.

      Leise presste Aigonn sich gegen die Palisaden. Er war gerade groß genug, dass sein Kopf über die angespitzten Enden der zugeschnitzten Baumstämme hinwegsah – ganz gleich, ob es ihm etwas nutzte. Die Nacht war hell, aber finster genug, dass der nahe Wald nur ein schwarzer Schatten war. Die Nebelschwaden auf den Wiesen schienen wie alter Staub von den Sternen gefallen. Aigonn konnte nicht sagen, wo ihre Gestalt einen Anfang nahm, und wo sie endete. Das war seine Chance. Die einzige, um in dieser Nacht noch Antworten zu erhalten.

      „Herrin!“ Sein geflüsterter Ruf verschwand im Schrei eines Waldkauzes. „Herrin, höre mich! Ich brauche deine Hilfe!“

      Nichts geschah. Der milde Wind brachte in die Nebel eine kaum merkliche Bewegung, die weder Ziel noch Beginn zu haben schien. Doch niemand antwortete ihm. Keine Gestalt erhob sich aus den silbernen Schwaden.

      „Herrin! Ich bitte dich!“ Aus Aigonns verklungener Wut wurde Missmut. Er glaubte selbst schon nicht mehr daran, dass er die Antworten erhalten würde, nach denen es ihn so verlangte, als er es zum letzten Mal versuchte: „Herrin aus den Nebeln! Höre mich!“

      Doch sie hörte ihn nicht. Ein Blick über die Schulter mahnte Aigonn, dass es an der Zeit war, den Wehrgang zu verlassen. Die beiden Wachposten hatten sich wieder getrennt. Aigonn erkannte die schemenhafte Gestalt von einem der Krieger, die sich undeutlich vom nachtschwarzen Firmament abhob. Noch einmal, mit der einzigen, übrig gebliebenen Hoffnung spähte er auf die Wiesen hinaus. Sein Ruf blieb ungehört. Ungehört.

      Enttäuscht schwang Aigonn sich die Palisaden hinab. Ihm war der Sinn nach Fragen und deren Antworten vergangen. Er unterdrückte sie, sperrte sie weg, die Fragen, tief hinein in seinen Kopf. In dieser Nacht hatte es ja doch keinen Sinn.

      Die andere Lhenia

      Der nächste Tag versprach für Aigonn nur wenig mehr Hoffnung als der zurückliegende. Behlenos und Rowilan hatten an ihrer Idee festgehalten. Ohne ihre Aufsicht und Zustimmung war Aigonn der Gang aus der Siedlung verwehrt – ungeachtet der Tatsache, dass weder ein Fürst noch ein Schamane nach dem Gesetz der Bärenjäger uneingeschränkte Macht innehatte. Doch Chancen verschuf diese Tatsache Aigonn keine. Das Stimmrecht bei jedem Beschluss, jeder Bestrafung hatte das gesamte Dorf mit Ausnahme der Halbwüchsigen und Kinder. Aigonn hätte eine Versammlung einberufen und seinen Missmut zur Sprache bringen können. Doch er war sich bewusst, dass niemand für seine Sache stimmen würde – außer Efoh vielleicht. Aigonn war den Menschen unheimlich geworden. Man machte große Bogen an ihm vorbei, wenn man seinen Weg kreuzte. Seit er bei der Begräbniszeremonie beinahe einem Geist, einem Wesen – was immer es sein mochte – zum Opfer gefallen war, sprach kaum einer der Dorfbewohner mehr offen mit ihm. Es gab lediglich das verstohlene Geflüster hinter vorgehaltenen Händen, das nicht für ihn bestimmt sein sollte, aber trotz allem seine Ohren erreichte. Zum ersten Mal in seinem Leben verstand Aigonn wahrhaftig, welche Angst die anderen Menschen vor den Geistern dieser und der Anderen Welt mit sich trugen. Und zum ersten Mal fragte er sich, ob sie damit nicht im Recht waren.

      Da die Wachen ihm den Ausgang aus der Siedlung verwehrten, musste Aigonn Efoh allein mit zwei anderen jungen Männern in den Wald schicken, um zwei oder drei Bäume zu fällen. Für den kommenden Winter musste neues Holz geschlagen und zum Trocknen aufgestapelt werden – ganz gleich, wie viel Zeit ihnen bis dahin noch blieb. Der verletzte Arm und die gebrochenen Rippen verhinderten, dass Aigonn eine Axt vernünftig schwingen konnte. Letztendlich blieb ihm nur noch eine einzige Möglichkeit, an diesem Tag zu dem Verdienst seiner geschrumpften Familie beizutragen.

      Die Prozedur längst gewohnt, stand das Schaf ruhig nahe der Stallwand. Das Nesselseil, das seinen Hals an einen dicken Holzpflock fesselte, störte das Tier nicht im Geringsten, während es geräuschvoll Grasbüschel ausriss und verzehrte. Lediglich die Abwesenheit seiner Artverwandten bereitete dem Schaf von Zeit zu Zeit Sorgen, sodass es den Kopf hob und nach seiner Herde schrie. Doch die anderen vier Schafe, die Aigonn im Stall zurückgelassen hatte, besänftigten das Tier. Sie würden das Schicksal ihres Artgenossen teilen.

      Seit dem Tod von Aigonns und Efohs Vater war dessen Herde sichtlich geschrumpft. Der alte Hund war zum unscheinbaren Gast geworden, der nur noch hin und wieder den Wohnteil des Hauses betrat, sondern lieber im Stall unweit der Schafe Wache hielt. Aigonn hatte ihm dort mit Decken eine eigene Ecke zugeteilt, von welcher aus das zottige Tier ihn nun beobachtete.

      Der Tag war sonnig. Obgleich Mittag nicht in Sicht war, erfüllte eine Schwüle die Luft, wie nur Gewitter sie bringen konnten. Schweißperlen glänzten wie teurer Schmuck auf Aigonns Stirn und Brust, auch nachdem er sich seines Leinenhemdes entledigt hatte. Unwirsch kratzte er sich am Rand der Bandage um seine Rippen, unter welcher es seit einigen Tagen juckte. Noch hatte er es nicht gewagt, sie zum Waschen abzunehmen, da ihm nicht der Sinn danach stand, Rowilan um ein neues Anlegen zu bitten. Denn dann galt es neue Salben aufzutragen, die Aigonn selbst nicht besaß.

      Für einen Atemzug blitzte es angsterfüllt in den Augen des Schafes auf, als Aigonn ein kurzes, fast sichelförmiges Bronzemesser an einem Stein schärfte. Die Form war nahezu perfekt, meisterlich geschmiedet und scheinbar wie geschaffen dafür, eine Kehle zu durchtrennen. Doch Blut wollte Aigonn heute nicht sehen.

      „Ruhig, meine Große!“ Besänftigend strich er dem Schaf über den Kopf. Dann ging er über dem Tier so in die Hocke, dass seine Knie es festhielten, umfasste mit der Hand des verletzten Arms die Brust und setzte das Messer auf dem Rücken an. Das Schaf blökte auf, als es erstes Fell fallen spürte. Leise fluchend bemerkte Aigonn, dass er das Messer zu nah an der Haut vorbeigeführt hatte, sodass das Tier zumindest die Schärfe der Klinge gespürt haben musste.

      Beruhigend redete er auf das Schaf ein, während mehr und mehr Wolle zu Boden fiel. Für einen Moment ließ das Weibchen das Scheren über

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