Hexenherz. Goldener Tod. Monika Loerchner
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Ich hätte nichts dagegen, Adrian noch weiter auf die Folter zu spannen, doch die anderen nutzen gnadenlos meine Schwäche aus, zu etwas nütze sein zu wollen. Den Anfang hatte Simone gemacht, die mich auf betont unschuldige Art gefragt hatte, ob ich mich schon mit Kolja über die männliche Anwendung der Magie unterhalten hätte. Adrian war so klug gewesen, mich erstmal in Ruhe zu lassen, hatte mir aber als nächstes Désirée auf den Hals gehetzt. Als sie ging, hat sie breit gegrinst. Es scheint ab und an wirklich, als befände ich mich in einem Irrenhaus unter Wahnsinnigen, statt unter freiem Himmel und Rebellinnen. Eingeknickt bin ich aber erst bei Marzena. Weiß die Göttin, wieso schwangere Frauen so gefühlsduselig sind! Eine so starke Frau weinen zu sehen, hätte das härteste Herz erweicht. Entsprechend halte ich es für mein gutes Recht, mich bei Adrian zu beschweren.
»Das mit Marzena war ja wohl eine ganz üble Nummer!«, hatte ich ihn zur Rede gestellt. Wie nicht anders zu erwarten, hatte mich der Anführer der Rebellinnen erst freundlich ausgelacht und mich dann irgendwie überredet, ihnen nun doch weiter zu helfen. Ehrlich, ich sollte mich vielleicht doch langsam zur Ruhe setzen.
Ich denke zurück an meine Zeit in Smaleberg. Von der Goldenen Frau meiner Magie beraubt, war ich zurück in meine Heimat gekehrt, um mich um Kolja zu kümmern. Eine Weile hatte das auch gut funktioniert: Der Junge hatte sich bei mir, meinen Eltern, meinen Großeltern und meinen Nichten eingelebt, hatte Deutsch gelernt und sich mit unserer Hilfe ein Leben aufgebaut. Zwei Jahre lang. Mit Sicherheit nicht das spannendste Leben unter der Sonne, aber ehrlich gesagt hatte ich an so einigem zu knapsen. Ich hatte mich so viele Jahre lang an meine Magie gewöhnt, meine wunderschöne, mächtige Eismagie; zudem an meine Basismagie, die es mir ermöglichte, jede Sprache dieser Welt zu verstehen, kleine Dinge zu bewegen und vieles mehr, dass ich sehr lange gebraucht habe, um damit klar zu kommen. Oder zumindest etwas: so ganz werde ich es wohl nie verkraften, mit 28 schon Großmutter geworden zu sein … Kolja zu beschützen, groß zu ziehen und ihm beizustehen hat den Rest meiner Zeit in Anspruch genommen. Wobei auch das etwas beschönigt ist; an vielen Tagen wäre ich ohne ihn nichtmal aufgestanden. Stattdessen habe ich mit ihm zig Spaziergänge gemacht, bin nach langen Abenden mit Apfelwein am Kaminfeuer mit heftigem Kater durch die Botanik spaziert, während sich mein Vater um Koljas eingenässte Bettwäsche gekümmert hat.
Ich hatte irgendwie erwartet, dass es ewig so weitergeht, doch hatte ich meinen Sohn unterschätzt. Die Ungewissheit, was das Schicksal seines Vaters und den Verbleib seiner Gebärerin anbelangt, hatte dazu geführt, dass Kolja einen tollkühnen Plan schmiedete und hinaus in die Welt zog. Ohne mich. Ich durfte ihn darauf vorbereiten, das war alles. Nichts auf der Göttin Erde, keine Prüfung ist mir je so schwer gefallen, wie ihn ziehen zu lassen. Ich wusste, dass die Reise gefährlich wird und er dabei sterben könnte. Ich wusste aber auch, dass Koljas Seele krank war und dies die einzige Möglichkeit, zu genesen. So haben wir beide etwas gewagt, als er loszog, und wenn ich ehrlich sein soll, haben wir beide dabei etwas verloren, aber umso mehr gewonnen.
So auch die Erkenntnis, wie unsagbar öde das Leben in einem Dorf sein kann. Ohne Kolja, der mir Auf- und Antrieb gewesen ist, wurde ich mir erst darüber klar, was ich da eigentlich tat: Ich versteckte mich vor dem Leben.
Das Problem ist nur, dass sich eine Helena Rinasdother von Smaleberg nicht versteckt, niemals!
Also war ich mit Kolja gegangen, als er loszog, sein Versprechen gegenüber den Rebellinnen einzulösen, sie in die Anwendung der Magie durch Nicht-Frauen einzuweihen. Wie sich aber herausstellte, habe ich hier bislang noch keine neue Aufgabe für mich und mein Leben gefunden. Ich könnte also weiter mit Adrian schmollen, oder aber verdammt nochmal froh sein, dass ich mich wieder nützlich machen kann!
Kapitel 8
»Da sind wir also«, stelle ich fest, als Kolja und ich die Lichtung betreten. Die anderen haben sich bereits versammelt: Adrian, Marzena, Simone, Désirée, zwei Männer, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe, und meine beiden Lieblingsrebellen.
»Ich gehe dann mal«, erklärt Corey, bedenkt mich mit einem Blick, den er sicherlich geübt hat, der seine Wirkung bei mir aber völlig verfehlt, dreht sich um und geht. Zu meinem Verdruss scheint sich Gero ihm nicht anschließen zu wollen. Ob ich nachhelfen kann?
»Gero, Süßer«, schnurre ich und zeige mein schönstes Lächeln. »Husch, ab mit dir nach Hause, das hier ist nur was für große Kinder!«
Der Rebell reckt das Kinn. »Ich denke nicht daran, Helena! Und an deiner Stelle wäre ich schön vorsichtig! Immerhin kann ich vielleicht bald Magie benutzen!«
»Und dann?«
»Dann«, er grinst, »bin ich stärker als du!«
Ich bekomme einen Lachanfall.
Gero läuft hochrot an. Zu meinem Vergnügen müssen sich auch Adrian und Simone das Lachen verkneifen. Désirée hustet verdächtig und Marzenas Schultern zittern.
»Mama!«, flüstert mir Kolja vorwurfsvoll zu. Er weiß ganz genau, dass ich bei Gero einfach nicht anders kann. Ihm zuliebe versuche ich, mich zu beruhigen. Allerdings werde ich mir den dummen Gesichtsausdruck des Rebellen ebenso merken, wie die so herrlich amüsante Vorstellung, wie er vor mir steht und angefüllt mit Magie vor mir herumfuchtelt. Der würde doch seinen eigenen Hintern nicht finden, wenn er ihn nicht dauernd kratzen müsste! Der liebe Gero ist einmal mehr ein ganz wunderbares Beispiel dafür, zu welch absurden Vorstellungen dieser ganze Blödsinn von wegen Gleichwertigkeit der Geschlechter führt. Als ob es allein an der Magie läge, Männer haben einfach keine mentale Stärke! Nun ja, bis auf einige Ausnahmen natürlich.
»Helena?« Wie immer ist Simone vernünftiger als ich. »Wärst du dann so freundlich, uns zu sagen, was du weißt?«
Ich atme bewusst langsam ein und aus und meide den Blick auf Gero – sonst würde ich gleich wieder losprusten.
»Aaaaalso. Euer Problem ist, dass es zwar Kolja und einigen Frauen gelungen ist, Magie aus den Speichersteinen zu ziehen, nicht aber anderen Männern, richtig?«
Marzena nickt. »Wir haben die Steine überprüft, mehrfach, Kolja auch. Trotzdem und trotz Désirées Anleitung ist es keinem anderen Mann gelungen.«
Ich spüre, wie sich Kolja neben mir ein wenig weiter aufrichtet. Göttin, das mit dem Mann-Sein scheint ihm ja wirklich wichtig zu sein!
»Wer hat es denn schon alles ausprobiert, wenn ich fragen darf?« Ich deute auf den schmollenden Rebellen. »Also wenn es nur Gero war, dann … «
»Ich habe es ebenfalls versucht«, fällt mir Adrian ins Wort. »Wie du sehr wohl weißt. Ebenso übrigens Dennis und Sascha.« Er nickt den beiden anderen Männern zu. »Keinem von uns ist gelungen, was dein Sohn geschafft hat. Was auch der Grund dafür sein mag, wir haben ihn noch nicht gefunden.«
»Eieiei.« Ich grinse, so breit ich kann. »Kinder, könnt ihr denn gar nichts ohne mich?«
Adrian geht nicht auf mein Geplänkel ein. Vielmehr schüttelt er den Kopf auf eine Art, die mir zeigt, dass er jetzt nicht mehr zum Scherzen aufgelegt ist. Das hier ist ernst.
»Na schön«, sage ich. »Ich sage es euch ja. Ich meine, nicht, dass ich es mit absoluter Sicherheit wüsste, aber eine Idee habe ich