Great again?. Julia Kastein

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Great again? - Julia Kastein

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Amerikaner ihren deutschen Seelenverwandten bisweilen überlegen: »Adorable Deplorable« ist auf T-Shirts mancher Trump-Fans zu lesen, »bewundernswerter Bedauernswerter«. Das amerikanische »deplorables« stiftet als Selbstbezeichnung nicht nur ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Es führt gleichsam noch den Nachweis für die Arroganz der anderen mit sich.

      Der Begriff hat sich schnell verselbstständigt. Clinton hat die Wirkung ihrer Worte unterschätzt, als sie das Bild vom »basket of deplorables« in die politische Debatte einführte. Ein Gefäß zur Entsorgung von denjenigen, die man aufgegeben hat, die man politisch ohnehin nicht mehr erreichen kann. Die verloren sind. »Deplorable«, das lässt sich mit »bedauernswert« übersetzen, mit »bedauerlich«, »kläglich« oder auch »verurteilungswürdig«. Klingt im Deutschen noch ein wenig nach Mitgefühl, im Englischen aber herablassend. Klanglich irgendwie nach Deportieren. Bei einer Spendengala in New York hatte Hillary Clinton den »basket of deplorables« erstmals eingesetzt: eine Art Abfallbehälter für Trump-Anhänger, die, so Clinton wörtlich, »rassistisch, sexistisch, homophob, xenophob, islamophob« sind. Volle Keule! Und um alle Klischees zu komplettieren, bestand diese Gala aus Spendern und Clinton-Unterstützern aus der LGBTQ-Community. Was in den liberalen Küstenstädten längst eine kulturell bedeutsame und politisch einflussreiche Lobbygruppe ist, das steht im konservativ-ländlichen Amerika für etwas ganz anderes: Sinnbild des gesellschaftlichen Umsturzes, der Menschen mit traditionellerem Lebensstil an den Rand drängen soll. Clinton mag nur extreme, hasserfüllte Rassisten gemeint haben, aber die Instinktlosigkeit ihrer Wortwahl hatte effektvoll ihr eigenes Negativimage als arrogante Klientelpolitikerin bestätigt – und die dramatische Spaltung des Landes weiter vertieft.

      Der Riss quer durch das Land, dem Trump seine einstige »greatness« zurückzugeben versprach, verläuft nicht entlang einer klar gezogenen Linie. Der Spalt trennt nicht einfach progressive Metropolen und traditionelle Landregionen. Der Frontverlauf im amerikanischen Kulturkampf ist so komplex, dass er sich sogar durch die kleinste gesellschaftliche Einheit zieht: die Familie. Trump spaltet sogar im Mikrokosmos. Einer Umfrage zufolge sagen 39 Prozent der Ehepaare in den USA, dass Trump in ihrer Beziehung, ihrer Partnerschaft, für Stress gesorgt hat. Was massenhaft im Verborgenen geschieht, hat ein prominentes amerikanisches Ehepaar zur öffentlichen Inszenierung gemacht: die notorischen Conways. Kellyanne Conway (Jahrgang 1967) ist Trumps Chefberaterin und hat seine Wahlkampagne im Jahre 2016 geleitet. Ehemann George T. Conway III. (Jahrgang 1963), Verfassungsrechtler, ist einer von Trumps schärfsten Kritikern. Die Conways sind Amerikas kuriosestes Ehepaar. Ihren politischen Rosenkrieg hat die New York Times treffend als die »George and Kellyanne Conway Show« beschrieben.

      Die frühe Liebesgeschichte der Conways ist auf bizarre Weise mit Donald Trump verknüpft. Sie beginnt in New York City. Im Sommer 1999 begegneten sich Kellyanne und George zum ersten Mal, im Trump-Tower auf der Fifth Avenue. Conway war Partner in einer New Yorker Anwaltskanzlei. Fitzpatrick, so Kellyannes Mädchenname, war Kampagnenmanagerin für die Republikanische Partei. Zwei Jahre später heiratete das Powerpaar, das sich wunderbar ins Personeninventar eines Tom-Wolfe-Romans einfügen würde. Das sprichwörtliche »Fegefeuer der Eitelkeiten« hüllte diese Liebesgeschichte in stimmiges Licht. Die Conways bezogen ein Luxusapartment im Trump-Tower in Manhattan. Im Foyer des glamourösen Skyscrapers sind sie erstmals dem Erbauer und Eigner des Towers über den Weg gelaufen: Donald Trump. Eine schicksalshafte Begegnung. Der Beginn einer eigenartigen Freundschaft. Im Trump-Tower haben die vier Conway-Kinder ihre ersten Lebensjahre verbracht. Nach Trumps Wahlsieg wurde Kellyanne Conway Trumps Chefberaterin im Weißen Haus. Die Familie zog um nach Washington DC, in ein 8-Millionen-Dollar-Haus. George Conway hatte dem Vernehmen nach auf einen gutdotierten Posten im Justizapparat gehofft. Er ging leer aus.

      Kaum jemand aus dem konservativen Lager in Washington schießt so scharf und unerbittlich gegen Präsident Trump wie George Conway. Trump sei der »Idiot-in-Chief«, ein pathologischer Lügner, ein Krimineller, findet George. Und twitterte an die Adresse Trumps: »Sobald man versteht, was eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist, versteht man Sie! Und man versteht, warum Sie nicht geeignet und unfähig sind für die angesehene Stellung, die Sie vorübergehend innehaben.« Gleichzeitig verteidigte Kellyanne ihren Boss mit unnachgiebiger Hartnäckigkeit. Von einem Conway geschmäht, vom anderen Conway gestützt: Trump versucht den Spaltkeil anzusetzen. George, ein »absoluter Versager«, sei nur eifersüchtig auf den Erfolg von Kellyanne, spottet Trump. An anderer Stelle nennt er ihn den »Ehemann aus der Hölle«. Doch während nur wenige Paare die ständige Spannung aushalten könnten, andere Ehen längst zerbrochen wären über eine derart dramatische Differenz, kommen die Conways offenbar damit klar. Gelegentlich lassen sie durch einen öffentlichen Schlagabtausch Druck aus dem Kessel. So hat George seine Frau vorgeworfen, sie sei hirngewaschen von einem Kult. Kellyanne leide am Stockholm-Syndrom, an einem Übermutterkomplex, um einen selbstzerstörerischen Kind-Mann zu beschützen. Die Gemahlin schießt zurück: »Niemand kennt mich nur wegen meines Ehemanns. Aber viele Leute kennen meinen Mann nur wegen mir!«

      Mitte Mai 2020 sorgt dann eine Gruppe von Republikanern für Aufsehen, die sich »Lincoln Project« nennt. Es ist die Woche, in der sich Trump vor der pompösen Kulisse des Washingtoner Lincoln-Memorials von seinem Haussender Fox News zur Pandemie befragen lässt. Das »Lincoln Project« lässt zeitgleich ein TV-Video ausstrahlen, das sich ästhetisch bewusst an Wahlkampf-Spots von Ronald Reagan, dem republikanischen Übervater, anlehnt. In dem Video heißt es unter anderem: »Dank Donald Trumps Führung ist unser Land schwächer, kränker und ärmer.« Mit der Wortwahl machen sich die Initiatoren über Vizepräsident Mike Pence lustig, der Trumps Corona-Task-Force geleitet hat und bei den TV-Briefings jeden zweiten Satz unterwürfig mit den Worten begann: »Dank der großartigen Führung von Präsident Trump …« Treibende Kraft des »Lincoln Projects« ist George Conway.

      Trump tobt. Und feuert per Twitter voll unter die Gürtellinie: »Ich weiß nicht, was Kellyanne ihrem geistesgestörten Loser von einem Ehemann, Mondgesicht, angetan hat«, so der Präsident der Vereinigten Staaten, »aber das muss ziemlich schlimm gewesen sein!« Trump liebt es, seinen Gegnern nicht nur gehässige Beinamen zu verpassen (Sleepy Joe Biden, Crazy Nancy Pelosi, Shifty Adam Schiff, Mini Mike Bloomberg etc.), er verteilt gerne auch herabwürdigende Spitznamen (etwa Alfred E. Newman, nach der Witzfigur aus den MAD-Heften, für Pete Buttigieg). Jetzt also Moonface, Mondgesicht, für George Conway. Und der lässt erwartungsgemäß nicht locker und legt am 7. Mai in der Washington Post nach: »Extreme Narzissten überhöhen ihre Leistungen und Befähigungen – und so hat Trump sein ganzes Leben damit verbracht, ein falsches Bild seiner selbst zu schaffen – nicht nur für andere, sondern für sich selber, um sein zutiefst zerbrechliches Ego zu schützen.«

      Die »George and Kellyanne Conway Show« ist ohne Ende unterhaltsam. Der »Never Trumper« (das ist die gängige Bezeichnung für diejenigen, die nie ein gutes Haar an dem Präsidenten lassen) und die Chef-Propagandistin: US-Journalisten schlecken sich die Finger danach, eine Homestory über die zwei machen zu können. Um herauszukriegen, was hier Inszenierung ist und was echt. Conways konservativer Rosenkrieg triff auch deshalb einen Nerv, weil viele Amerikaner aus Erfahrung wissen, wie sich ein Trump-gemachter Riss durch die eigene Familie anfühlt.

      In Julias und meinem engsten Freundeskreis gibt es auch ein Paar, das politisch nicht auf gleicher Wellenlänge liegt. Wenn man Nancy Flinn und Dick Weiss besucht, dann liegen immer zwei Tageszeitungen auf dem Wohnzimmertisch. Die Washington Post und die Washington Times. Nancy liest die Post. Dick liest die Times. Die Post ist das Leib- und Magenblatt der weltoffenen Liberalen. Die Times dagegen bedient das andere Lager. Mehr Reagan als Trump. Aber während der Corona-Krise (wie im ersten Kapitel erwähnt) rückte das Blatt stramm auf die Linie der sogenannten »Alt-Right«, der ultrakonservativen »alternativen Rechten«, der jegliches staatliche Handeln ein Gräuel ist und die entsprechend scharf gegen die Corona-Schutzmaßnahmen schoss. Liest man die beiden Washingtoner Zeitungen parallel, dann gewinnt man schnell den Eindruck, die Blätter schildern unterschiedliche Realitäten aus getrennten Paralleluniversen. Doch Nancy und Dick sind ein zauberhaftes Beispiel dafür, dass gegensätzliche politische Philosophien der Liebe nicht im Wege stehen müssen.

      Beide leben in Nancys

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