Spuren intelligenten Lebens. Len Mette

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Spuren intelligenten Lebens - Len Mette

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am Limit. Nicht nur Neandertaler. Das ist die wahre Liebe zu den Wurzeln des eigenen Seins. Das ist etwas sehr Emotionales, fast wie Religion. Bei den Göttern des Nordens.

      Fahre ich nach Wacken, mögen andere eine Modelleisenbahn bauen und ihren Spieltrieb ausleben oder in einen Männerchor eintreten, um Verbindung zu ihren Emotionen zu finden. Sie entspannen sich. Und das ist wichtig für sie, vor allem in einer Welt, in der viele so unentspannt sind. Es ist wichtig, damit sie nicht komplett am Rad drehen. Es ist fundamental. So wie es eine Handmaske sein kann. Es ist der Ruf unserer Gene nach Ausgleich und Entspannung. Es ist nicht unbedingt weiblich oder männlich. Es ist nicht Homo neanderthalensis oder Homo erectus. Nein, das ist es nicht. Es ist allenfalls ein ganz wunderbares, emotionales und hochkomplexes Individualmysterium, das uns doch irgendwie zu dem macht, was wir sind. Frauen und Männer.

      Deutschlands nächstes Top-Möbel

      Sollte irgendein Wissenschaftler einmal herausfinden, dass sich der Zustand einer Zivilisation an ihren TV-Formaten ermitteln lässt dann, da bin ich mir sicher, befinden wir uns in der Phase, kurz vor dem Untergang. Als nächstes werden wir uns vermutlich gegenseitig zerfleischen. Etwas anderes ist kaum vorstellbar, wenn ich mir so anschaue, was sich da alltäglich in der Flimmerkiste zuträgt, was wir als Unterhaltung bezeichnen. Nennt mich altmodisch oder gestrig. Aber das, was ich hier vorgesetzt bekomme, ist doch wohl keine Weiterentwicklung im Sinne einer Unterhaltungsevolution, oder?

      Dabei hat alles einmal so romantisch angefangen. Damals, die Älteren unter uns wissen es noch, als sich die Familie am Samstagabend vor der strahlenden Flimmerkiste versammelte. Als ein Bildschirm noch eine Tonne wog und die Hälfte des Raumes einnahm. Das waren Zeiten! Da nahm man sich noch Zeit für Unterhaltung. In einer Ära, in der man noch aufwändige Kulissen in den TV-Studios baute oder als Sender ein eigenes Fernsehballett unterhielt. Spätestens hier wusstest du: »Okay, für´s Ballett bin ich zu fett!«, und verwarfst diese Erkenntnis, als Randnotiz eines behaglichen Fernsehabends mit der Familie.

      Ich erinnere mich an die Eurovisionsmelodie und das zugehörige Standbild, in Blau mit gelben Eurosternchen! Hier wiederum wusstest du: Wenn du diese Melodie später am Abend wieder hören wirst, musst du ratzfatz ins Bett.

      »Pölter an, Zähne putzen, ab ins Bett!«, schallte es dann immer aus Mamas Mund.

      Ich erinnere mich an den TED, mit dem vermeintliche Abstimmungen des Publikums, der Zuschauer in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz durchgeführt wurden, während Frank Elstner oder Dieter Thomas Heck wortgewandt die Zeit überbrückten. Das waren Abende guter Unterhaltung, ohne zu viel technischen Schnickschnack. Denn den gab es ja noch nicht.

      Einige Jahre später sah das schon anders aus. Da musstest du bereits die richtige Serie schauen, um hipp zu sein und um mitreden zu können. Ich sage nur: »Ich arbeite für die Foundation für Recht und Verfassung. Und ich kriege Sie, das wissen Sie genau!« Ha! Ja, Michael Knight alias David Hasselhoff in Knight Rider. So richtig beeindruckt war ich aber erst, als Michael Knight es geschafft hatte, die Deutsch-Deutsche Mauer zu Fall zu bringen und dazu noch einen Charthit landete.

      Oder das A-Team: »Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.« Welch Nostalgie! Das waren noch aufwändig produzierte Serien, in denen die Bösewichte, von Folge zu Folge, immer die gleichen Schauspieler in wechselnden Rollen waren. Und ich hab´s erst in der Wiederholung, 20 Jahre später, bemerkt. Wetten dass..?!, wurde derweil durch Thomas Gottschalk in neue Sphären der Unterhaltung geführt und damit auch irgendwie hipp.

      Schauen konntest du den Trendteil des Serien-Programms aber nur, wenn du RTL oder Sat1 empfangen konntest. Verbogen hast du dich, während du die Zusatzantenne an der Glotze anbrachtest und so lang in die Luft hieltest, bis das Bild halbwegs klar war, um dann eiligst einen Buchstapel unter jene Antenne zu bauen, um sie in Position zu halten. Sowas bekam man damals sonst nur im Zirkus Roncalli zu sehen. Der große Mettini an der Antenne des Todes! In der Manege passierte das alles allerdings ohne den finalen Absturz des Artisten in den Bücherstapel. Meistens.

      Absturz hin oder her: Zog draußen eine Regenwolke vorbei, war´s das ohnehin mit Knight Rider. Kein Empfang. Over and out. Fernsehen war ein geradezu körperliches Abenteuer. Der Sport des kleinen Mannes. Zeitweilen ein Glücksspiel unter Lebensgefahr. So war das.

      Echauffiert haben wir uns in dieser noch jungen Stunde des Privatfernsehens, als man unser Programm für Werbung unterbrach! Das kannten wir ja nicht. Mitten im Turbo-Boost, während das Auto über Abgründe und Bösewichte flog, unterbrachen diese Arschlöcher in den Sendeanstalten den Adrenalinrausch, dein wohl gefährlichstes Abenteuer der Woche! Immerhin hat uns das die besten Werbejingles der Geschichte beschert. »Ich will so bleiben, wie ich bin«, »Like Ice in the Sunshine«, »Wrigleys Spearmint Gum, Gum, Gum«. Ich schmelze dahin, bei diesen Erinnerungen.

      Was folgte, war die Ära der Talk- und Spielshows. Man nehme ein Rudel zerstrittener Halbaffen, setze einen gebildeten Moderator als Schiri ein, man verfrachte alle in eine bunte Talk- oder Spielshow-Kulisse und füttere das Ganze mit johlendem Publikum an. Fertig ist die Unterhaltung am Nachmittag!

      Heute ist das ja alles ganz, ganz anders. Werbung gehört zum guten Ton, wir streamen unser Programm via Internet auf hauchdünne Displays und nehmen interaktiv, mittels Smartphone-App, teil am Live-Programm. Welch unsägliche, künstlerische, wie auch intellektuelle Möglichkeiten das eröffnet! Es ist unglaublich. Die Werbung schauen wir uns in kleinen Fenstern an, die während der Sendung eingeblendet werden. Dafür wird ab und an der Ton der Live-Sendung unterbrochen. Wir nehmen es dankbar an. Mehr oder minder. So wie schon vor 20 Jahren eben, als man die Werbeblöcke mitten im Turbo-Boost schaltete.

      Zwischenzeitlich haben wir Frank Elstner und Thomas Gottschalk durch keine Geringeren als Guido Maria Kretschmer und Heidi Klum ersetzt. Auch diese Änderung wird uns vermutlich ein schöneres Leben bescheren. Wir schauen uns jetzt an, wie Menschen einkaufen gehen oder sich sechzehnjährige Mädchen, wie man die Protagonisten des Trash-TV für Minderjährige und Minderbemittelte nennt, für ein Foto jeglicher Menschenwürde entledigen und die Eltern ihren Kindern auch noch begeistert applaudierend dabei zusehen. Manchmal schauen wir uns einfach intellektuell beseelte Millionäre an, wie sie im Alltag vor sich hin oxydieren, ihre Kohle in die Weltgeschichte pusten, Angestellte abfällig behandeln und nennen es Dokumentation.

      Petrolgrün ist jetzt plötzlich nicht mehr Petrolgrün. Petrolgrün ist jetzt Eisvogelblau! Wenn Guido das sagt, dann ist das auch so! Zusammenhalt und Wertschätzung sind nicht mehr so wichtig wie die Statur einer Blindschleiche auf Droge, bei natürlich absolut gesunder und ausgewogener Ernährung! Heidi sagt das, dann ist das ja wohl auch so.

      Die beiden, der Guido und die Heidi, die müssen es ja wissen, wurden sie doch von irgendwelchen Marketingstrategen zu Wissenden ernannt, noch bevor man irgendetwas von einem selbstgeschaffenen Lebenswerk, dieser Protagonisten gehört hätte, das die Expertise rechtfertigen würde. Jedenfalls bis dann eben irgendwer, bunt verpackt, gesagt hat, sie wären Experten. Und hier ist die Kette nicht zu Ende. Nein, nein: Unsere Experten ernennen wiederum Experten, die in Wirklichkeit gar keine sind. Es reicht augenscheinlich, in New York oder Los Angeles zu wohnen und für andere Experten gearbeitet oder einfach nur ein Selfie mit ihnen gemacht zu haben! Getreu dem Motto Unter den Blinden ist der Einäugige der König, fachsimpelt man fortan, was das Zeug hält. Immer begleitet von kreischenden Minderjährigen oder eben alten Minderbemittelten. Oh ja, und irgendeine Besonderheit sollte man sich zudem einfallen lassen. Nasales Sprechen. Stöckelschuhe als Mann, den eigenen Brüsten Namen geben ... Irgendetwas Derartiges reicht völlig. Ein Slogan, wie Der Tasche muss lebendig sein. Absolut konkurrenzfähig unter Experten.

      Und es funktioniert. Die Crowd, das Volk der Dichter und Denker, der Ingenieure und Erfinderinnen, lässt sich bereitwillig

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