Spuren intelligenten Lebens. Len Mette

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Spuren intelligenten Lebens - Len Mette

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und es kommt der Moment, der so nicht geplant war: Die Meute hat in der Zwischenzeit erkannt, dass sie ihr Krieg von der Beute abhält. Sie haben sich eiligst entknotet und den Laden gestürmt. Vor mir taucht eine Wand aus wildgewordenen, mit Gehhilfen um sich schlagenden Rentnern auf, die sich nun auf Gartenstühle und Sonnenschirme stürzt.

      Wer braucht schon Wunderheiler, wenn er Aldi hat? Der hilfsbedürftige Senioren-Teil unserer Gesellschaft vollbringt vor meinen Augen olympische Höchstleistungen: Gewichtheben, Weitsprung, Boxen. Die haben alle Chancen, mal wieder ordentlich sportliches Gold nach Deutschland zu holen, wenn man ihnen nur ein Sonderangebot in Aussicht stellt! Das ist vielleicht die rettende Idee für unser angeschlagenes Gesundheits- und Pflegesystem! Wir haben keinen Pflegenotstand, uns fehlen schlicht die richtigen Sonderangebote ... Und ganz nebenbei steuern die Individuen dieser Seniorenarmee sogar noch ihre Konsum-Panzer!

      »Gelernt ist eben gelernt«, geht mir noch amüsiert durch den Kopf, während mich der Prothesen-Tsunami überrollt. Da stehe ich also mit meinem Schirm und werde von den Wogen der Konsumgesellschaft hin und her geschoben. Eine Kriegsherrin ergreift meinen Schirm, um ihn zur Lanze umzufunktionieren und mich gewaltsam wegzuschieben.

      Moment mal ... Greift mich da etwa jemand an? Im Aldi? Wegen eines Gartenartikels? So nicht! Nun ist Schluss mit pazifistisch! Ghandi war gestern, jetzt mache ich mit.

      Ich stelle meinen Schirm ab, ziehe mir die eben noch so mutige Kriegsherrin an Lanze und Kragen heran, schaue ihr tief in die fragenden Augen und sage leise:

      »Ich bin genau die Sorte Mensch, vor denen dich deine Eltern immer gewarnt haben. Du benimmst dich hier wie eine offene Hose, weil du geil auf nen Gartenstuhl bist? Auch das hätten sich deine Eltern so sicherlich nicht vorgestellt. Du hast jetzt genau diese eine Möglichkeit, noch einmal über dich nachzudenken und wortlos aus meinem Tanzbereich zu verschwinden, bevor mein Schirm wundersam in dir verschwindet!«

      Habe ich das gerade wirklich gesagt? Mich auf das Niveau der Meute begeben? Ich habe! Noch bevor ich Zeit habe, darüber nachzudenken, dass ich selbst zum Tier geworden bin, verschwindet die Kriegsherrin so flink, wie wortlos in der Menge. Mehr noch: Scheinbar hat der eine oder andere die Szene bemerkt, sodass ich freies Geleit durch eine schmale Gasse aus der Menschentraube heraus bekomme, nachdem ich freundlich lächelnd meine Jacke gerichtet habe. Den Schirm hat in der Zwischenzeit ebenfalls niemand angerührt, sodass ich auch ihn in aller Seelenruhe mitnehme, um bald darauf als erster Kunde des Tages an der Kasse zu stehen. Ein bisschen fühle ich mich wie einer dieser Kriegsherren aus einer Mittelalterserie, der mit Bärenfell und Schwert auf dem Rücken die Szenerie betritt, während das Volk eine Gasse für ihn bildet ...

      Ich rate der Kassiererin noch freundlich, sich nicht provozieren zu lassen, denn die Meute dort hinten sei unberechenbar. Sie dankt mir freundlich, teilt mir aber mit, dass das der ganz normale Wahnsinn sei.

      »Armes Deutschland«, denke ich, verstaue meinen Schirm im Auto und fahre heim.

      Hey, ihr respektgierigen Wiederaufbauer Deutschlands da draußen: Ihr seid´s, die sich über angetrunkene Jugendliche aufregen. Ihr seid´s, die sich über nüchterne Jugendliche echauffieren, die sich um ihren Planeten sorgen. Ihr seid´s, die zum Wutbürger werden, wenn eine Gartenhecke die in einer Satzung festgelegte Höhe um 3cm überschreitet. Ihr seid´s, die stetig mit dem Finger auf andere zeigen. Und Ihr seid´s ebenso, die im Aldi Montag morgens um acht wegen eines Gartenstuhls zum, von der Genetik gesteuerten, Neandertaler werden.

      Meinen Glückwunsch, eine große gesellschaftliche Leistung. Das hält selbst Ghandi nicht aus und ich habe mich gleichfalls davon anstecken lassen.

      Denkt mal drüber nach!

      Ich tu´s.

      Vielleicht in Thailand. Oder in Nordamerika. Mal sehen.

      Nach dem Kochen Hände waschen!

      Man mag es nicht glauben, aber selbst als gestandenes, männliches Individuum mittleren Alters lernt man tagtäglich viel Neues dazu. Das können auch Kleinigkeiten sein. Besonders schön, gemessen am fortschreitenden Alter, ist es, dass sich die Kleinigkeiten durch ihren immensen Nutzen für die Restlaufzeit dieses ermüdenden und sich bereits langsam zersetzenden Köpers auszeichnen. So die recht einfache, wie nützliche Erkenntnis, nach dem Kochen die Hände zu waschen! Ja, ganz recht: Danach.

      Ich meine, dass man sich vor dem Kochen die Hände waschen sollte, weiß ja jedes Kind. Man will schließlich niemanden mit Altlasten bekleben, die ein jeder von uns an seinen, sündhaft im Alltag kontaminierten, Händen mit sich herumträgt. Nach dem Kochen sieht das allerdings anders aus. Hier ist es, wie soll ich sagen, eher eine persönliche Angelegenheit, wie ich vor Kurzem, in geradezu prägender Weise erlernen durfte.

      Es mag darüber hinaus ein Prozess der inneren Reife sein, sich an einem gewissen Punkt seines Lebens von Dosenfraß und Fastfood-Tempeln zu distanzieren und in eine Welt der Würze, des frischen Geschmacks und der sinnlich anregenden Freude eintauchen zu wollen. So auch ich. Zumindest teilweise. Ganz gelungen ist es mir bis heute nicht. Nichtsdestoweniger tauchte ich eines schönen Tages in diese Lebensphase ein. Vielleicht, um überhaupt noch etwas Neues zu erleben, vielleicht aber auch nur einfach so. Ich vermag es nicht zu sagen, ich weiß es nicht.

      Ein gutes Beispiel an dieser Stelle ist Kaffee. Bis zu meinem 30. Lebensjahr trank ich keinerlei Kaffee, kannte ich doch nur diese gefilterte Plörre, die bei Ommma, morgens gekocht, in die Thermoskanne gefüllt und auf dem mit einer Wachsdecke versehenen Fliesentisch der Marke Eiche-rustikal platziert wurde. Ein Bild, wie man es vielleicht nur als Ruhrgebietskind kennt, bekannt als Gelsenkirchener Barock. Hach, das waren Zeiten. Als die Welt noch einfach war. Bei Ommma.

      Aber ich schweife ab.

      Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn du nicht ein halbes Kilo Zucker und ein Euter voll Sahne in die Plörre schütten wolltest, hat das Zeug wie durch eine Socke gefiltertes Grubenwasser von Zeche Zollverein geschmeckt und sah zudem genauso aus. Heute ist das ganz anders: Frisch gemahlene Bohnen und exakt berechnete Brühtemperatur zaubern einen Genuss aus dem Siebträger, der dich glauben lässt, die 25-jährige Tochter des Kaffeebauern vor dir zu sehen, die wie in einem dieser realitätsfernen Rambo-Filme, die einzige Schönheit ihrer Population weit und breit ist. Was ich meine: Dschungel, Krieg, Dreck, Ungeziefer … und dann taucht da diese exotische, gepflegte Traumfrau auf der Plantage auf, die sogar gemachte Nägel hat ...

      Sei´s drum.

      In kulinarischer Hinsicht – und damit versuche ich, die dramaturgische Kurve zu bekommen – ist es nahezu unglaublich, was ein frisches Kraut vom Wegesrand mit einer Mahlzeit und mit dem Gaumen des die Mahlzeit verspeisenden Neandertalers anzurichten vermag:

      Die Frische von Basilikum, die Wärme des Rosmarins oder das Feuer einer dosiert eingesetzten Chili-Schote eröffnen neue Perspektiven. Ja, ich möchte sagen, sie eröffnen gar neue Dimensionen des Genusses. Ich persönlich zum Beispiel, habe mich an die facettenreichen Formen der Schärfe herangetastet. Leichtsinnigerweise war ich in jungen Jahren der unangefochtene Currywurst-Schärfe-Champion Duisburgs und konnte Saucen in mich aufsaugen, die wohl klingende Namen, wie LaBomba oder SuddenDeath trugen. Das hatte zugegebenermaßen wohl weniger mit Geschmack, als mehr mit dem Ruhm zu tun, den mir die staunende Meute beim Verzehr der mit allerlei Warnzeichen markierten Brühe entgegenschleuderte, die man nur erhielt, wenn man einen Wisch unterschrieb, der die eigene geistige Zurechnungsfähigkeit bescheinigte.

      Ein gewisses Maß an Leidenschaft steckte aber wohl schon damals darin. Fakt war: Das Zeug brannte in der Tat mehrfach. Erst im Mund, danach an der Kimme und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch noch einmal dem städtischen Kanalarbeiter in

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