Morgenroths Haus. Thomas Perlick

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Morgenroths Haus - Thomas Perlick страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Morgenroths Haus - Thomas Perlick

Скачать книгу

Übermut zu verreisen. Am Bahnhof las man einander allerlei mögliche Ziele laut vor: Hameln, Querfurt, Rothenstein. Aber am verheißungsvollsten klang Sonneberg in Thüringen. Als Martin zum Fahrkartenschalter ging, erklärte man ihm dort, dass sein Geld nicht bis Sonneberg reichte. Man könne auf dieser Strecke allenfalls bis Themar kommen.

      Das klang zwar vom Namen her nicht so schön, wie es dann in Wirklichkeit war, aber die beiden Hochverliebten waren in so ausgelassener Stimmung, dass sie nun eine Fahrkarte von Hamburg nach Themar lösten. Martin bestaunte die riesige Dampflok ausgiebig und plauderte mit Lokführer Ludwig. Am Ende stellten beide erfreut fest, dass die Bahn einen unbestreitbaren Vorteil hat: Sie kann nämlich niemals untergehen.

      Die zarte Irene, die vollständig angezogen viel bezaubernder aussah als unter ihren Goldsternen, schenkte dem Lokführer Ludwig die letzte Brasil, so dass unser Kistchen Pepe nun leer, aber durchaus sehr erleichtert war.

      Auf der langen Fahrt mit mehrmaligem Umsteigen schmiegten sich die beiden Liebenden aneinander. Die schöne Irene legte ihren Lockenkopf auf Martins Schoß. Im benachbarten Abteil der dritten Klasse führte eine Bäuerin zwei Gänse in einem Käfig mit sich. Das Federvieh machte einen so entsetzlichen Lärm, dass Martin seine großen Hände über die Ohren der Liebsten legte, ihren Schlaf zu behüten. Er wusste schon damals, dass er sie beschützen musste – ihr ganzes Leben lang. Allerdings ahnte er noch nicht, wie nötig sie seine großen Hände einmal haben würde. Irene war nämlich Halbjüdin von Geburt, und es kamen bald die Jahre ganz anderer goldener Sterne in ihrem Leben. Sie wurden auf die Jacke genäht und bedeuteten das sichere Todesurteil. So fuhr Martin schließlich im Jahre 1937 noch einmal mit dem Schiff, und zwar mit Irene und den Kindern nach Amerika. All seine Ersparnisse langten nicht, aber es gab Menschen mit offenen Händen im kleinen Themar, den Schnitzer und den Geschäftsinhaber eines gewissen Kaufladens.

      Aber so weit sind wir noch nicht.

      Irene schlief noch, beschützt von einem Liebsten, den sie auf höchst ungewöhnliche Weise kennen gelernt hatte. Die Gänse stiegen jetzt aus und ein Offizier ein. Er schaute das Paar durch seinen Feldstecher hindurch an und eine kleine Sehnsucht regte sich in ihm. Aber seine Seele war bei Verdun gestorben und lag verschüttet in einem der eingestürzten Schützengräben.

      Auch Martin war nun eingeschlafen. Das Kistchen Pepe stand neben ihm, leer an Zigarren, aber reich an Erfahrungen eines kurzen und doch ereignisreichen Lebens.

      Der Zug rumpelte dahin. Manchmal pfiff die Lok laut auf. Ein andermal hörte man die Bahnschranken klirren. Im Ozean sank gerade das letzte Zigarrenkistchen, durch eine freundliche Strömung bisher immer in Bewegung gehalten, auf den Meeresboden hinab, wo schon Alois, der Bayer, und fünfzehn Leichtmatrosen ruhten. Nur den Schiffskoch hatten die Piraten mitgenommen, denn ihr Fraß war bisher schauerlich, und das rettete ihm das Leben.

      In Erfurt stiegen Irene und Martin zum vorletzten Mal um. Irene streichelte Pepe ganz zart: „Mein Glückskistchen!“, sagte sie leise.

      Die beiden Liebsten hatten noch niemals einen Tunnel passiert. Nun stürzten sie plötzlich in Finsternis, erschraken, hielten sich aneinander und lachten, als es wieder hell wurde.

      Und so kamen sie schließlich in Themar an, ein leeres Zigarrenkistchen im Gepäck. Als sie vom Bahnhof aus Richtung Kirche gingen, da standen sie plötzlich vor Morgenroths Haus. Pepe entdeckte in der Auslage einen Bruder, das Zigarrenkistchen Rio, das schon vor einem halben Jahr angekommen war.

      „Ich habe noch drei Pfennige“, sagte Irene, „wir wollen sehen, was wir dafür bekommen können.“

      Im Laden standen zwei Männer in sägemehlweißen Latzhosen. Sie drehten sich natürlich um, denn die Liebe kommt auch hier nicht jeden Tag so fröhlich hereinspaziert. Die eifrige Frau Morgenroth fragte nach dem Begehr und Irene legt das letzte Geld auf den Ladentisch.

      „Ich hab da auch noch ein leeres Zigarrenkistchen“, sagte Martin.

      „Hm“, murmelte Frau Morgenroth „nun gut. Als Behältnis immer willkommen.“

      Sie kochte Kaffee, belegte einige Brote mit Wurst und schaute zufrieden, als die beiden aßen. Dann holte sie den Kuchen vom Sonntag und Martin aß ihn ganz allein auf, denn Irene war immer viel zu schnell satt. Als die beiden schließlich hinter einem der Arbeiter herzogen, weil er ein Zimmer für sie hatte und Arbeit für den kräftigen Martin, blieb das Zigarrenkistchen Pepe endgültig zurück. Aber wenn Irene später in Morgenroths Haus kam, um einzukaufen, dann warf sie stets einen dankbaren Blick auf Pepe.

      Als sie im Jahr 1937 mit der Bahn nach Hamburg zurückreisen und nach Amerika auswandern mussten, weil es Martin glücklicherweise so wollte, sagte Irene zu den traurigen Morgenroths:

      „Ich komme wieder. Hebt mir den Kleinen auf!“

      Und die tüchtigen Ladeninhaber nickten, allerhand Tränen in den Augen. Es war nach der kalten Nacht der Kristalle, als der Mob sich austobte und mit Lust brandschatzte. Der kluge Martin, einst Schiffsjunge und verhinderter Liebhaber, erkannte die Unheilszeichen der Zeit und handelte. Diesmal hatten sie den treuen Pepe nicht im Gepäck, aber sie hatten einander, die Kinder und allerlei Erinnerungen, die eine Rückkehr versprachen. In Themar wartete eine Tischlerei, ein Kaufmannsladen und eine gut gehütete Zigarrenkiste, die der dreijährige Kaufmannssohn Arnd Morgenroth im Jahre 1945 zum ersten Mal ganz bewusst wahrnahm. Dass er daraufhin sofort „Pepe“ sagte, ist nur ein Gerücht, aber ein sehr liebenswertes.

      Irene, Martin und die Kinder Johanne, Annemarie und (wir erinnern uns, aus welchem Grunde:) Fritz kehrten im Jahre 1952 zurück nach Themar und zu Pepe, dem alten hölzernen Kameraden in Morgenroths Haus.

      Warum? Weil diese Geschichte einen guten Schluss haben muss. Basta und Pepe!

      Mannsbilder im Freibad

      Schaut euch das mal an“, sagte Ulli, „fünfzig laufende Meter Unterwäsche.“

      Frank pfiff ordentlich durch die Zähne, denn fünfzig laufende Meter Unterhosen, Seidenstrümpfe und manches mehr auf einer Wäscheleine unweit der Ladestraße, das ist schon was. Selbst wenn es eigentlich nur zwölf Meter waren.

      „Und wo sind die BHs?“, fragte ich.

      „Die hängt sie nicht raus! Die müssen auf dem Dachboden trocknen.“

      „Aber bei der Tochter des Bürgermeisters nicht.“

      „Nein“, sagte Frank, „bei der hängen sie zwischen den Obstbäumen.“

      Die Tochter des Bürgermeisters hieß Ellen und war das unerreichbare Ziel unserer verfrühten Männersehnsüchte. Sie hatte alles, was man sich mit zwölf Jahren erträumt.

      „Ich hab sie schon mal fast nackt gesehen“, sagte ich.

      „Ja, ja, die Geschichte kennen wir schon.“

      „Sie hatte ja noch was an!“, maulte Andreas.

      „Nur ein rotes Höschen und einen Büstenhalter.“

      „Toller Erfolg, echt!“, spottete Ulli.

      So ging das oft. Wir drangen nur bis in den Vorhof all der Geheimnisse, die sich mit den großen Damen verbanden. Frauen waren rätselhafte Fabelwesen, was ihre Körper betraf, Sirenen, die unentwegt lockten und dennoch keinerlei Erfüllung schenkten.

      Auch die Mädchen in

Скачать книгу