Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
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Kauffeld (2010) plädiert im Zusammenhang mit der Transferförderung für eine stärker prozessbezogene Evaluation statt einem lediglich ergebnisorientierten Vorgehen. Damit geht sie über den Evaluationsansatz von Kirkpatrick hinaus – der mit seinem bereits 1959 entwickelten viertstufigen Modell den klassischen Bezugspunkt der Diskussion bildet. Nach Kirkpatrick/Kirkpatrick (2006) sind die vier Ebenen Reaktion, Lernen, Verhalten und Ergebnisse, die aufeinander aufbauen, zentrale Evaluationsaspekte (vgl. auch Müller/Soland in diesem Band).
4.3.5 Bildungscontrolling und Qualitätsmanagement
Während sich die Evaluation im hier vorgestellten Verständnis auf einzelne Bildungsmaßnahmen bezieht, begleitet das Bildungscontrolling auch die vor- und nachgelagerten Prozesse und stellt damit eine Entscheidungs- und Steuerungsfunktion dar. Es umfasst auf Grundlage messbarer Daten verschiedene Funktionen der Informationsfunktion Planung, Steuerung und Kontrolle von Bildungsprozessen (vgl. Schöni in diesem Band; Dehnbostel 2015b, S. 432). Realiter finden sich in Betrieben jedoch häufig Verengungen des Bildungscontrollings auf eine Kostenkontrollfunktion. Wie empirische Untersuchungen zeigen, stellt sich das Bildungscontrolling in den Unternehmen allerdings in sehr unterschiedlicher Weise dar (vgl. Käpplinger 2012, S. 13).
Die reale Ausrichtung und Zielstellung betrieblichen Bildungscontrollings ist daher in Abhängigkeit sowohl der Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit, insbesondere aber auch in Bezug auf die Aspekte des strategischen und normativen Bildungsmanagements zu bestimmen.
Während das Bildungscontrolling fast ausschließlich auf quantitative Daten und Ergebnissen setzt zur Verbesserung des Bildungsmanagements, zielt das Qualitätsmanagement stärker auf die Gestaltung von Prozessen. Starke Verbreitung finden hierbei Ansätze des Total-Quality-Management (TQM). Die größte Verbreitung als TQM-Konzept in Deutschland besitzt das EFQM-Modell für Excellence der European Foundation for Quality Management. Die Ansätze des Qualitätsmanagements zielen vielfach auf das Gesamtunternehmen. Die Übernahme dieser Ansätze für das betriebliche Bildungsmanagement wird jedoch kritisch betrachtet, u.a. da die Perspektive des Lerners – als dem eigentlich wichtigsten Entscheider darüber, ob eine Bildungsmaßnahme erfolgreich war – zu kurz kommt (vgl. Schlömer 2011). Ansätze wie die Lernerzentrierte Qualitätsentwicklung (LQW), die vielfach in Weiterbildungseinrichtungen zum Einsatz kommen (vgl. Zech 2014), sind im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements bisher kaum verbreitet.
Einzugehen ist an dieser Stelle noch auf den Begriff „betriebliche Bildungsarbeit“, der in berufspädagogisch konnotoierten Publikationen Verwendung findet. Trotz der Nähe des operativen Bildungsmagement zur „betriebliche Bildungsarbeit“ verortet Dehnbostel diese quer zu den Ebenen des Bildungsmanagments. „Sie integriert einerseits nur Teilbereiche der Personal- und Organisationsentwicklung, weist aber andererseits in ihrer berufs- und betriebspädagogischen Anbindung an Qualitäts- und bildungsstandards, berufliche Aus- und Weiterbildungsgänge sowie an das öffentlichrechtliche Bildungssystem über diese hinaus“ (Dehnbostel 2015a, S. 29). Insbesondere das letzgenannte Hinausweisen über das Einzelunternehmen erfolgt im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements nur begrenzt.
5 Entwicklungstendenzen und Ausblick
Um neben der Beschreibung des Ist-Standes betrieblichen Bildungsmanagements Aussagen über zu erwartende Entwicklungen treffen zu können, ist ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hilfreich. Veränderungen auf der Ebne der strategischen Ausrichtung von Unternehmen, der betrieblichen Arbeitsorganisation und auch der Bildungsformate wirken auch auf die Verfasstheit des betrieblichen Bildungsmanagements zurück.
Die Bildungsformate hängen wiederum eng mit der betrieblichen Arbeitsorganisation zusammen. Lange Jahre waren Lehrgänge und Seminare die vorherrschenden Lernformen in der betrieblichen Bildung. Lernen und betriebliche Bildung fand vornehmlich in externen Bildungseinrichtungen oder Seminarräumen abseits der Arbeitsorte statt. Die häufig stark repetitiven Arbeitsplätze selbst wurden im Rahmen tayloristischer Arbeitsorganisation als wenig lernförderlich angesehen. Informelle Lernformen, wie bspw. das Lernen von Kollegen oder betrieblichen Experten sowie das Lesen von Fachzeitschriften, wurden nicht als Lernen begriffen und damit auch nicht als Aufgabe betrieblicher Bildung angesehen.
Der Betrieb und der Arbeitsplatz als Lernort haben im Rahmen der arbeitsprozessorientierten Wende in der beruflichen Bildung seit Anfang der 1990er Jahre erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Eine entscheidende Rolle bei dieser Wiederentdeckung des Lernorts Arbeitsplatz haben veränderte betriebliche Produktionskonzepte gespielt (Kern/Schumann 1984). Studien belegten den Trend zu einer postfordistischen Arbeitsorganisation, die neue und erweiterte Qualifikations- und Kompetenzanforderungen für Facharbeiter in den Unternehmen mit sich brachte (vgl. Schumann et al. 1994, Baethge/Baethge-Kinsky 2006). Der Strukturwandel von einer berufs- und funktionsorientierten Weiterbildung zu einer stärker prozessorientierten Weiterbildung (vgl. Schiersmann 2007) hat auch die Aufgaben des Bildungsmanagements und des Bildungspersonales. Es wurden verstärkt dezentrale Lernformen entwickelt und gefördert, da nunmehr neue Tugenden wie Selbstständigkeit und Teamfähigkeit gefordert waren und sind.
Mit der Digitalisierung der industriellen Produktion verändert sich in den Unternehmen die Arbeitsorganisation erneut. Es ist jedoch noch unklar, welche Auswirkungen dies auf die Arbeitsorganisation und die Qualifikationen haben wird. Sowohl die Verbesserung der Qualifikationen als auch eine stärkere Polarisierung zwischen den Beschäftigten werden daher diskutiert (vgl. Hirsch-Kreinsen/ten Hompel 2017). Die Anforderungen von Industrie 4.0 legen noch stärker arbeitsplatznahe Qualifizierungsformen nahe (vgl. Spöttl/Windelband 2017). Digitalisierung der Arbeit ist zwar nicht deckungsgleich mit der Digitalisierung von Bildung, doch muss die betriebliche Bildungsarbeit als Teil des Bildungsmanagements auf die Veränderungen reagieren. Betirebliche Bildung kann immer weniger ohne digitale Medien gedacht und praktiziert werden. Allerdings wird unter Industrie 4.0 in vielen Unternehmen jeweils etwas Anderes verstanden. Außer dem gemeinsamen Label und dem Schlagwort der Digitalisierung finden sich sehr unterschiedliche Ausprägungen.
Vor diesem Hintergrund ist daher anzunehmen, dass das betriebliche Bildungsmanagement weniger einem einheitlichen Paradigma folgen wird – wie dies etwa in den 1990er Jahren im Zuge der Debatte um Lean production und die Einführung von Gruppenarbeit war – sondern dass in jedem Unternehmen die geeignete Form des Bildungsmanagements gefunden werden muss. Dies ist und bleibt die Herausforderungen für die damit betrauten betrieblichen Bildungsmanager jeweils in Rückkopplung zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens.
Literatur
BACK, A.; Gronau; N.; Tochtermann, K. (Hrsg.) (2012): Web 2.0 in der Unternehmenspraxis. Grundlagen, Fallstudien und Trends zum Einsatz von Social Software. 3. Aufl. München: Oldenbourg.
BAETHGE, M.; BAETHGE-KINSKY, V. (2006): Ökonomie, Technik, Organisationkationsstruktur und Qualifikationsprofilen von Fachkräften. In: Arnold, R./Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. 2., überarb. und akt. Aufl., Wiesbaden, S. 153-173
BECK, Ch. (2012): Personalmarketing 2.0: vom Employer-Branding zum Recruiting. 2., bearb. und erw. Aufl., Köln: Luchterhand
DEHNBOSTEL, P. (2015a): Betriebliche Bildungsarbeit. Kompetenzbasierte Aus- und Weiterbildung im Betrieb. 2. erw. Aufl., Baltmannsweiler: Schneider
DEHNBOSTEL, P. (2015b): Bildungscontrolling: Erfolgssteuerung in der betrieblichen Weiterbildung. In: Schwuchow, K./Gutmann, J.(Hrsg.): Personalentwicklung 2016. Themen, Trends, Best Practices. Freiburg: Haufe-Lexware, S. 431 – 440
DIESNER, I. (2008): Bildungsmanagement in Unternehmen. Konzeptualisierung einer Theorie auf der normativen