Schweinekrieg. Guido Seyerle

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Schweinekrieg - Guido Seyerle

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in Deutschland. Und was ich sehe, unterscheidet sich nicht so sehr von Afrika.«

      Mehrere Bauern schauten ungläubig.

      »Wir Bauern sind die Verlierer der Industriegesellschaft. Wir bekommen für unsere Tiere kaum Geld, es reicht gerade so zum Überleben. Und dabei knechten wir jeden Tag, sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr, ohne Urlaub. Wir sind abhängig von den Fleischkonzernen, und die geben uns gerade so viel, dass wir nicht verrecken.«

      Das drastische Wort zum Schluss fand die meiste Zustimmung, mehrfach hallte ein kurzes ›genau‹ durch die immer stickiger werdende Luft.

      Heinrich Bauer schien die Leute auf seiner Seite zu haben, was auch immer er damit erreichen wollte. »Schaut euch mich an, unseren Hof gibt es schon ewig.«

      Das war wohl ein wichtiges Argument. Schranz vermutete, dass er den ältesten Hof der Umgebung sein Eigentum nannte. Oder war sein Vater notariell noch Herr auf dem Hof?

      »Ich komme zurück aus Afrika, und was ist passiert? Die Preise für Schweine sind niedriger als vor sechs Jahren! Niedriger, könnt ihr euch das erklären?«

      Bauer legte eine kurze Pause ein.

      »Die Spritpreise sind gestiegen, ein Traktor kostet seit 1975 ungefähr 40 % mehr, und was macht diese Wirtschaftsmafia? Sie hält uns an der kurzen Leine. Unglaublich! Ein Skandal, meine Freunde!«

      Rhetorisches Talent hatte er, das musste man ihm lassen. Und seine Körpersprache passte dabei perfekt zu seinen Worten, alles war aufeinander abgestimmt. »Und wisst ihr, was das Beste ist? Ja? Für unser heimisches Schwein, das SHL, gibt es sogar 50 Pfennige weniger pro Kilogramm. Dabei hat es weniger Fett und schmeckt viel besser als dieses Zuchtschweinefleisch. Und als Ausrede hören wir vom Schlachthof, die schwarzen Borsten seien das Problem. Dass ich nicht lache.«

      Dem Journalisten wurde klar, warum Bauer vorhin so lange über Afrika und die dortigen Probleme geredet hatte. Damit konnte er einen genialen Bogen zu den Bauern im Hohenlohischen schlagen. Ihre Situation war somit eindeutig. Bei dem angeborenen Stolz der Menschen dieses Landstriches würde dies nur noch mehr Zustimmung hervorrufen.

      Ein Bauer beklagte sich über den ruinösen Preiskampf der Kollegen.

      »Wenn es ein gutes Jahr ist, fallen die Preise. Und wenn es danach ein schlechtes Jahr gibt, und wir wenig Ferkel zu verkaufen haben, dann bleibt der Preis genauso niedrig. Ich verstehe das nicht.«

      Mehrere Wortbeiträge wechselten sich ab, wobei der Groll und der Ärger über die ›Wirtschaftsmafia‹, wie die Landwirte es drastisch ausdrückten, immer größer wurde. Bauer gab eine Flasche selbst gebrannten Schnaps aus, wovon sofort reichlich Gebrauch gemacht wurde.

      Schranz verhielt sich ruhig und machte sich nur wenige Notizen. Er behielt Bauer stets im Auge. Dieser blieb gelassen, hatte gerade mal ein Bier und einen Schnaps getrunken, er schien sich auf sein Finale vorzubereiten.

      »Männer, ich schlage Folgendes vor.«

      Die folgende rhetorische Pause von Bauer nutzten die meisten, um noch einmal einen tiefen Schluck aus ihrem Bierglas zu nehmen.

      »Wir sind alle einer Meinung. Wir müssen etwas tun, sonst bleiben wir abhängig von diesen anderen Mitstreitern auf dem Schweinemarkt. Ich halte unser Schwäbisch-Hällisches Landschwein für sehr gut geeignet, Fleisch von überragender Qualität zu liefern. Geschmackvoll, mit wenig Fett. Seit Jahrhunderten ist dieses Schwein bei uns in Hohenlohe zu Hause, es ist wenig stressanfällig und vermehrt sich gut. Was uns fehlt, ist der Markt dafür. Und den wird niemand für uns schaffen, den müssen wir, ja, Männer, wir müssen uns diesen Markt selber aufbauen.«

      Stille breitete sich aus. Sie sahen sich alle als Landwirte, konnten sich aber nicht vorstellen, wie das gehen sollte.

      »Ich habe jetzt jahrelang am Aufbau von Vermarktungsorganisationen in Entwicklungsländern gearbeitet. So wie ich es einschätze, lässt sich das auch auf uns hier und das SHL übertragen. Lasst uns in vier Wochen nochmals zusammenkommen, ich überlege mir ein Konzept. Wer von euch könnte sich das vorstellen?«

      Bauer blickte in die Runde, die Gesichter schienen verschlossen und in sich gekehrt. Und trotzdem war in ihnen eine gewisse Anspannung zu erkennen. Irgendwie schien Bauer mit dieser Reaktion gerechnet zu haben, trotzdem war Schranz einigermaßen überrascht von den abschließenden Worten:

      »Wie ich sehe, könntet ihr euch alle so eine Landwirtschaft vorstellen. Und schon als Kind habe ich doch auf euren Höfen diese schwarz-weißen Sauen mit den schönen Sätteln gesehen.«

      Bauers Stimme nahm einen fast liebevollen Klang an, seine Gesichtszüge wirkten rund, ehrlich und vertrauensvoll. Und auch die Gesichter der Männer entspannten sich zusehends.

      »Sie liefen frei auf euren Weiden herum. Jeder von euch hatte genug Umsatz mit seinen Ferkeln, konnte seine Familie ernähren und den Hof über Wasser halten. So soll es wieder werden.«

      Jetzt setzte der Redner sich auf den einzigen noch freien Platz. Bisher war er wie ein Löwe von einer Ecke des Stammtisches in die andere Ecke gelaufen, nur unterbrochen von kurzen Ruhephasen. Nun nahm auch Heinrich Bauer einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas. Kurz danach entfuhr ihm ein tiefer Rülpser und zur Freude aller übernahm er als Einstand die gesamte Zeche.

      Die Landwirte hatten sich schnell verabschiedet und sich auf den Nachhauseweg gemacht. Die Arbeit im Stall wartete. Der Journalist nutzte die Chance und wandte sich an Bauer.

      »Verlief alles so, wie Sie es sich gedacht hatten?«

      »Komische Frage, ich dachte, Sie waren dabei?«

      Mit den manchmal etwas ruppigen Umgangsformen vieler Hohenloher kam Schranz noch nicht zurecht, aber er lebte nun schon eine Weile hier und würde sich mit der Zeit daran gewöhnen.

      »Sie haben einen souveränen Eindruck gemacht.«

      Schranz wandte seine alte Taktik an, am Anfang ein paar lobende Worte zu sagen, um einen guten Gesprächseinstieg zu haben.

      »Ja, ich kenne viele schon von Kindesbeinen an. Während meiner Abwesenheit hat sich einiges nachteilig entwickelt. Vor allem, was das Finanzielle betrifft. Der Ertrag pro Hofstelle ist während der letzten sechs Jahre um mehr als 20 Prozent gesunken. Rationalisiert wurde, soviel es ging, trotzdem sind auch die Erträge um praktisch diesen Prozentsatz zurückgegangen. Das kann nicht mehr aufgefangen werden, das spürt jeder am eigenen Geldbeutel. Und unser Hof gehört dazu.«

      Das hätten auch die Worte des Vorstandsvorsitzenden eines Industrieunternehmens sein können, von idyllischer Landwirtschaft und auf dem Feld arbeitenden Männern mit Strohhut war überhaupt nichts zu spüren.

      »Das Hauptproblem ist auf jeden Fall diese Wirtschaftsmafia. Billig einkaufen, nur beim Landwirt in der Produktion soll gespart werden. Und dann wird teuer weiterverkauft. Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen.«

      Als Schranz auf der Bundesstraße wieder Richtung Crailsheim und von dort aus weiter nach Bernau fuhr, war er sichtlich erschöpft. Was sollte er jetzt bloß schreiben? Dass in vier Wochen das nächste Treffen von irgendwelchen Landwirten sein würde, die sich gegen eine dubiose, bisher für ihn nicht greifbare Wirtschaftsmafia auflehnen wollten?

      Martens würde ihn trotz seiner gewohnten Großzügigkeit sofort ins Büro zitieren, obwohl er freie Berichterstattungen

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