Schweinekrieg. Guido Seyerle
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schweinekrieg - Guido Seyerle страница 5
Er hatte momentan nichts vor, aber Veronika schon. Ihre Kinder waren noch da, sie sollten heute Abend von ihrem Vater ins lange Wochenende abgeholt werden. Und dann wäre es günstig, mit ihr in Ruhe die letzten Wochen zu besprechen.
Eigentlich war Veronika die einzige Frau, die Schranz bisher in seiner neuen Heimat kennengelernt hatte. Wie so oft hatte er vor einigen Wochen einen Abendtermin wahrgenommen, eine Aufführung eines Laientheaters. Martens hatte ihn ausgewählt, weil er ein gewisses Kunstverständnis hätte. So hatte er zumindest argumentiert, und wenn es in seine Strategie passte, dann hatte Schranz beim nächsten Auftrag auch politisches Verständnis. Er machte es immer passend.
Es wurde ein langer Abend. Um 22 Uhr stand erst der Beginn des zweiten von drei Akten an, und Schranz ärgerte sich bereits, dass er diesen Auftrag angenommen hatte. Vier Stunden Theateraufführung und es würden 80 Zeilen und ein Bild dabei herauskommen. Ein niedriger Stundenlohn, fürwahr.
Er verfolgte eher gelangweilt den Verlauf des Stückes. Es handelte von irgendeiner Verwechslungsgeschichte zwischen zwei Bauern, in die dann später auch noch die beiden Frauen verstrickt wurden. Dabei fand Schranz indessen immer mehr Gefallen an der rotblonden Schauspielerin, die eine der beiden recht garstigen Bauersfrauen spielte. Sie hatte eine gute Figur, eine schöne Stimme, ihre Augen glänzten, was entweder an den Bühnenscheinwerfern lag oder am vierten Bier, das der Journalist vor sich stehen hatte.
Nach der Vorstellung sah er die Mittdreißigerin kurz im Gang stehen, und sie bat ihn, ihr eine Kopie des Artikels dieses Abends zu schicken. Der Regisseur hatte sich schon vor Beginn des Stückes bedankt und Schranz darum gebeten, eine freundliche Kritik zu schreiben. Und so wusste der ganze Saal, dass Schranz nun am Zug war, diesen Abend in positiver Weise in der HV darzustellen.
Veronika hatte den jungen Mann angestrahlt und dabei erklärt, sie habe leider keine Möglichkeit, die Zeitung zu kaufen.
Durch dieses kurze Zusammentreffen war ein feines Band von Gefühlen entstanden, ohne dass sich die beiden in den letzten Wochen bisher sehr nahe gekommen wären.
Deshalb freute er sich über die Einladung. Allerdings fühlte er sich auch unsicher ob dieser Zweisamkeit, die auf ihn wartete.
Bauer klang am Telefon ziemlich genervt und hektisch.
»Mensch, Schranz, was haben Sie da für ein komisches Gerät? Immer mehr von diesen Dingern gibt es jetzt hier bei uns.«
»Sie haben Ihren Namen nicht draufgesprochen.«
»Doch klar, aber dieses Gerät hat dauernd gepiepst.«
Schranz vertiefte das nicht weiter. Er wollte zum eigentlichen Grund des Anrufs kommen.
»Was gibt es denn Neues?«
»Wir, das heißt, Sie, die Schweinezüchter und ich, werden uns wieder treffen. Gleicher Ort wie letztes Mal, gleiche Uhrzeit. Sie sollten bitte eine halbe Stunde früher da sein, wir beide müssten uns vorab noch absprechen.«
Es kam schon öfter mal vor, dass Leute versuchten, einen Journalisten vor dem Verfassen eines Berichtes zu beeinflussen. Was genau Bauer vorhatte, ahnte Schranz noch nicht. Da er sich nicht gerne beeinflussen ließ, war er auf der Hut. Obwohl auch sein Chef eine Art Zensur darstellte. Wenn Martens Kürzungen oder kleine Umstellungen am Text vornahm, dann hatte Schranz es auch zu akzeptieren.
In den ersten Wochen hatte er sich deswegen mit seinem Vorgesetzten ausgesprochen. Und die Erklärung von Martens für starke Textkürzungen an einem von Schranz’ Artikeln war gewesen, dass aufgrund eines Berichts über einen schweren Verkehrsunfall eben alle anderen Artikel auf dieser Zeitungsseite gekürzt worden seien. Und die entsprechenden Zeilen hatten natürlich auch seinen Artikel betroffen. Was hätte Schranz darauf erwidern sollen? Ein Chefredakteur würde immer plausible Erklärungen finden.
8. September 1983
Der Abend bei Veronika zog sich hin.
Schranz hatte sich nicht getraut, der jungen Frau zu gestehen, dass er sie großartig fand. Und sie war offensichtlich völlig übermüdet, die Erziehung ihrer beiden pubertierenden Töchter schien sie sehr anzustrengen. Nachdem sie nunmehr ein freies Wochenende vor sich hatte, brauchte sie dringend Erholung. So kam es, dass Schranz noch vor 24 Uhr wieder daheim gewesen war.
Der Termin bei den Schweinezüchtern stand auf der Tagesordnung. Wieder war Schranz viel zu spät losgefahren, durch Crailsheim hindurch herrschte das übliche Verkehrschaos. Es wurde Zeit für die schon lange geplante, aber noch nicht gebaute Umgehungsstraße.
Er würde wieder einmal mindestens 10 Minuten zu spät zu einem Termin kommen.
Diesmal fand er die Einfahrt zum Gasthaus Sonne auf Anhieb, er stellte seinen Golf in den kühlen Schatten einer hohen, alten Kastanie und betrat die Gaststube. Im Hintergrund hörte er Bauers kräftige Stimme. Er telefonierte wohl in einem Nebenraum.
»Nein, dem können wir nicht zustimmen. 50 Pfennige weniger als für die Rasse der Holländischen Schweine, das kommt gar nicht in Frage.«
Ein vernehmliches Krachen ließ vermuten, dass Bauer den Hörer auf die Gabel des Telefonapparats geknallt hatte.
Die Durchgangstüre wurde mit Schwung aufgestoßen, touchierte leicht die Wand, in welcher ihre Scharniere verankert waren und der Landwirt erfüllte sofort den Raum durch seine Präsenz.
»Hallo, Herr Schranz. Schön, Sie zu sehen. Außer uns ist noch niemand da. Gut so. Wir sollten uns eine Strategie überlegen.«
»Es ehrt mich ja, dass Sie wir sagen, aber ich weiß von nichts.«
»Na, mit wir meine ich auch wir alle, nicht nur Sie und mich. Alle Hohenloher, alle Bauern hier. Wir sitzen doch in einem Boot.«
Ein einnehmendes Wesen, da gab es keinen Zweifel.
Er hatte beide Arme in seine Hüften gestemmt, sodass sich seine kräftigen Oberarmmuskeln zeigen konnten und dabei das eng anliegende schwarze T-Shirt deutlich nach außen bogen.
»Ich möchte die nächsten Monate meine ganze Kraft daran setzen, einige Ferkel vom SHL so großzuziehen, dass es das bestmöglichste und schmackhafteste Fleisch ergibt. Dazu will ich mich aber nicht von den Futtermittelproduzenten abhängig machen. Ich werde das Getreide unserer Felder selbst zum Schweinefutter aufarbeiten, und ich werde die Ferkel nicht mit Antibiotika spritzen lassen. Dann wollen wir doch einmal sehen, ob sich dafür nicht ein Markt entwickelt.«
»Und wozu brauchen Sie die anderen Bauern?«
»Erstens bin ich hundertprozentig von meinem, bzw. unserem Erfolg überzeugt. Letztes Mal hat sogar einer der anderen Bauern beim Abschied zu mir gesagt, ich sei für sie alle so etwas wie ein ›Patrone‹.«
Bauer war sichtlich stolz darauf.
»Und zweitens, ich habe hier auf unserem Hof noch genau eine Sau vom SHL. Ich könnte zwar auf die Manneskraft des Ebers meines Schwagers zurückgreifen, aber ich brauche unbedingt frisches Blut. Und wissen Sie, noch etwas ist mir besonders wichtig ...«
Seine Augen funkelten, als er Schranz