Schweinekrieg. Guido Seyerle
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Bauer machte eine verächtliche Handbewegung. Dabei hatte er anscheinend nicht mit einkalkuliert, dass er schon sehr nahe am Stammtisch stand. Seine Hand donnerte mit den Knöcheln auf die eichene Tischplatte, ein leichtes Krachen war zu vernehmen. Bauer verzog kurz sein Gesicht, um sich bald darauf wieder im Griff zu haben.
Das Gespräch mit den Landwirten nahm einen ähnlichen Verlauf wie beim letzten Mal, allerdings fehlten drei Bauern aus der Runde von vor zwei Wochen.
Schranz hatte sich nicht alle Gesichter einprägen können. Die Teilnehmer saßen auch an einem anderen Platz als beim letzten Mal. In Gedanken überlegte er, was wohl die Gründe sein konnten, diese Details an Dritte weiterzugeben. Wobei man schon sagen musste, dass es clever von der Schweinezentrale gewesen war, den Preisabstand zwischen normalem Schweinefleisch und dem SHL nochmals zu vergrößern. Er verstand jetzt auch, dass sich zwei Bauern beim letzten Mal selbst als Spinner und Idealisten bezeichnet hatten. Logisch schien es wahrlich nicht, ausgerechnet jetzt auf das SHL zu setzen.
Der Patrone führte das Wort, es gab wenige Wortmeldungen. Und alle hörten ihm zu, kommentarlos, wortlos, ohne Widerspruch, aber auch ohne ein Zeichen der Zustimmung.
Aber sie sagten ihm zu, dass er jeden ihrer Eber anfordern durfte, um seine letzte Sau vom SHL zu decken. Und sie wollten auch auf die übliche Deckgebühr verzichten. Anscheinend hofften sie darauf, an etwas Neuem, Zukunftsweisendem beteiligt zu sein. Ab der Stunde null, aus dem Nichts sozusagen.
Zum Abschluss versprach der Kollege Neumann dem Patrone, dass er den nächstmöglichen Decktermin seiner Sau ausnutzen wollte. So könnte es eventuell klappen, dass das SHL auf der nächsten Grünen Woche in Berlin ausgestellt werden konnte. Diese weltweit größte Veranstaltung ihrer Art schien Bauer genau dafür prädestiniert zu sein, die Geschichte des SHL wieder aufleben zu lassen. Wie er berichtete, hatte er auf eigene Kosten dort bereits einen Stand angemietet. Obwohl sich dieser aus finanziellen Gründen auf eine gewisse Mindestgröße beschränkte, würden laut Bauer doch zwischen 20.000 bis 30.000 DM an Kosten anfallen. Für die anderen Landwirte war das ein gewichtiges Wort, ein Grund mehr, einen Vertrauensvorschuss zu gewähren.
Als sich alle von ihren Plätzen erhoben hatten, um wieder zu ihrer Arbeit zurückzukehren, stellte der Patrone wie beiläufig noch eine Frage:
»Weiß jemand von euch, ob unsere drei heute nicht anwesenden Kollegen noch an unserem Projekt interessiert sind?«
Einer brummelte vor sich hin:
»Du hast doch was gehört, Fritz.«
»Ja, Angermann hat zu mir gesagt, dass er vor einer Woche noch drei holländische Muttersauen gekauft hat. Vielleicht war er deshalb nicht hier.«
Die Versammlung löste sich rasch auf. Schranz blieb sitzen.
»Darf ich über diesen Abend jetzt als offizielle Veranstaltung berichten und auch über Ihre Ziele etwas schreiben?«
»Ja, geben Sie es raus. Vielleicht bringen wir damit die Sache noch mehr ins Rollen. Und ich werde mich um den Hinweis von meinem alten Freund Fritz kümmern. Wissen Sie, Schranz«, der Patrone schaute Schranz fast schon freundschaftlich an.
»Friedrich Neumann oder Fritz, wie wir ihn alle nennen, kennt mich schon von Kindesbeinen an. Er war des Öfteren bei uns auf dem Hof und hat mit meinem Vater über die Landwirtschaft diskutiert. Ich weiß noch, wie ich als Kind lange auf der Holzbank vor unserem Haus gesessen bin, und die beiden Männer stundenlang über Kühe, Schweine, Winterweizen usw. gesprochen haben.«
Jetzt verhärtete sich sein Blick wieder.
»Aber diesem Angermann, dem traue ich schon länger nicht mehr. Dass er ausgerechnet auch noch in Rufweite von Fritzens Hof wohnt, ist wirklich nicht optimal.«
Als Schranz nach Hause kam, sah er seinen Anrufbeantworter hektisch blinken.
»Haben sich gelohnt, die 200 DM, auch wenn es viel Geld für so ein kleines, schwarzes Kästchen ist«, murmelte er vor sich hin.
»Schranz, gut, dass Sie dieses Gerät haben.«
Martens klare Stimme klang aus dem Mikro.
»Heute ist eine Anzeige bei uns drin, dass ein gewisser Herr Freongard aus dem Odenwald Züchter vom SHL hier bei uns in der Gegend sucht. Diese sollen sich bei ihm melden, er wolle die Schweinerasse erhalten. Richtig große Anzeige. Könnte ja vielleicht wichtig sein für Ihren Artikel. Bis später.«
Bevor die Leitung unterbrochen wurde, hörte man im Hintergrund noch das aufgeregte Klappern der Schreibmaschinen im Redaktionsraum. Die Produktion der Texte für die morgige Ausgabe schien während des Telefonats auf Hochtouren gelaufen zu sein. Der Anruf war wohl gegen 17 Uhr gewesen.
Also noch Zeit genug, um in Stimpfach schnell im Gasthof Linde die dort auf dem alten Schirmständer hängende Ausgabe der HV zu studieren und die Telefonnummer dieses Herrn Freongard herauszufinden.
Er lief hinter das Haus, um seinen Golf zu holen, als er auf der gegenüberliegenden Seite seinen Nachbarn am Traktor hantieren sah. Wie so oft in den letzten Tagen hatte Franz die große Ladeschaufel an seinen Traktor montiert, um abends Brennholz aus dem Freilager in seinen Schuppen einzufahren. Dort sollte es die letzten Monate vollends austrocknen, um im Winter als preiswerte Heizmöglichkeit zu dienen.
Schranz schmunzelte. Was wäre Franz bloß ohne sein Holz ...
Schon von Weitem rief dieser ihm zu.
»Chris, komm kurz her, ich habe dir heute eine Anzeige aus der Zeitung herausgeschnitten. Das könnte interessant für dich sein.«
Schranz wählte die kurze Nummer von Freongard, nach der Vorwahl kamen nur noch zwei Ziffern für die Rufnummer. Das musste dort wirklich eine sehr ländliche Gegend sein.
»Freeeongaaard.«
Eine extrem tiefe Männerstimme meldete sich schon nach dem dritten Klingeln.
»Grüß Gott, Herr Freongard. Hier Chris Schranz von der ›Haller Volkszeitung‹.«
Keine Reaktion am anderen Ende der Leitung.
»Hallo?«
»Ja?«
»Ich dachte schon, Sie seien nicht mehr da. Ich habe Ihre Anzeige in der ›Haller Volkszeitung‹ gelesen.«
»Ja?«
»Und ich wollte Sie fragen, ob Sie mir dazu etwas erzählen könnten.«
»Haben Sie ein Schwein?«
»Wie, ob ich ein Schwein habe?«
»Ich suche jemanden, der mir Ferkel vom SHL produzieren kann. Damit ich meine Zucht auffrischen kann.«
Schranz war etwas überrascht, dass Freongard anscheinend doch längere Sätze sprechen konnte.
»Nein, ein Schwein habe ich nicht. Aber ich