Ein Boot, ein Kuss und du. Isabella Lovegood
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Einen Moment war er still, dann meinte er: »Es gab bisher wenige Frauen in meinem Leben, mit denen ich mir mehr als eine Affäre hätte vorstellen können. Sie war eindeutig eine davon.«
»Hast du dir nie gewünscht, eine Familie zu gründen?«, wagte ich mich weiter vor.
Er zuckte scheinbar gleichgültig mit den Schultern. »Ich denke, ich bin dafür nicht geschaffen.«
Das überraschte mich. »Wie kommst du darauf?«
Lorenzo bedachte mich mit einem langen Blick, bevor er sich daran machte, seinen Serrano-Schinken und meinen Lieblingskäse aus Schaf- und Ziegenmilch auf eine Brotscheibe zu häufen. Als ich bereits davon ausging, dass er meine Frage ignorieren würde, meinte er: »Das liegt bei uns in der Familie. Die Gene oder was weiß ich.« Er nahm einen Bissen, kaute und schluckte. »Mein Vater hat meine Mutter ständig betrogen. Mama hat es akzeptiert, um uns den Vater nicht zu nehmen, wie sie es ausdrückte. Erst als wir aus dem Haus waren, hat sie sich von ihm scheiden lassen. Mein Bruder hat seine Ehe auch in den Sand gesetzt, also denke ich, ist es besser, ich probiere es gleich gar nicht, dann erspare ich mir und einer potenziellen Partnerin eine Menge Kummer und Ärger.«
Diese Sichtweise machte mich sprachlos. Das war also der Grund, warum er fast ausnahmslos flüchtige Affären hatte? Die Gene?
»Entschuldige, wenn ich dir das so hinknalle, aber das halte ich für absoluten Quatsch. Natürlich ist es deine Sache, ob du dich als Single wohlfühlst oder dir eine Familie wünschst, aber Treue ist eine Entscheidung und keine Frage der Gene.«
Seine Augenbrauen zuckten überrascht hoch. »Meinst du? Dann treffen aber eine Menge Leute falsche Entscheidungen.«
»Stimmt. Aber das hat nichts mit einer Veranlagung zu tun, die man in die Wiege gelegt bekommt, und deren Opfer man ist.«
»Klingt, als ob du dich mit dem Thema bereits gründlich auseinandergesetzt hättest.«
Ich zog eine Grimasse. »Das stimmt. Um ehrlich zu sein, hatte ich es schon mit einigen Männern zu tun, für die Treue ein Fremdwort war und alle möglichen Ausreden dafür parat hatten.«
»Trotzdem glaubst du noch immer daran, dass es möglich ist?«, fragte er ungläubig.
»Das ist es ganz bestimmt. Meine Eltern sind einander treu und meine Tante und mein Onkel führen auch eine gute Ehe.«
»Denkst du das oder weißt du es? Wie kannst du dir da so sicher sein?«
Ich verharrte mitten in der Bewegung und meine Olive rutschte von der Gabel und kullerte über den Tisch. Lorenzo fing sie gerade noch, bevor sie auf dem Boden landete, und hielt sie mir vor den Mund. Als ich sie zwischen die Zähne nahm, berührten meine Lippen seine Fingerspitzen. Das sanfte, aufregende Kribbeln, das sich davon ausgehend verbreitete, ließ mich beinahe vergessen, wovon wir gesprochen hatten. Erst nachdem ich den Kern auf den Rand meines Tellers gelegt hatte, war ich auch geistig wieder soweit, antworten zu können.
»Ich will es glauben«, gab ich dann zu. »Vielleicht ist die emotionale Treue aber ohnehin wichtiger als die körperliche.«
Er runzelte die Stirn und griff nach einer weiteren Brotscheibe. »Was meinst du damit?«
»Treue bedeutet für mich in einer Beziehung mehr, als nur mit niemand anderem ins Bett zu hüpfen. Für einander da sein. Achtsam sein, was der andere braucht, damit es ihm gut geht. Sich gegenseitig verwöhnen. Das Gleichgewicht von geben und nehmen. Nicht nur, einander verliebt in die Augen zu sehen, sondern gemeinsam in die gleiche Richtung zu schauen«, zitierte ich einen Dichter. Unter seinem intensiven Blick verstummte ich verlegen und fühlte, wie mir das Blut warm in die Wangen stieg.
»Wie kann jemand alleine sein, der sich so schöne Gedanken über Beziehung macht und offenbar viel zu geben hat?« Seine Stimme war samtig und weich und jagte mir einen wohligen Schauer über den Rücken. Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr er mich damit berührte, und zuckte mit den Schultern.
»Weil dazu zwei gehören und ich noch niemanden gefunden habe, der die gleichen Vorstellungen hat. Besonders das mit dem Geben und Nehmen funktionierte bisher nicht so richtig und ich habe es satt, mich ausnutzen zu lassen.«
»Das tut mir leid.« Lorenzo nahm einen großen Schluck Wasser, dann richtete er neuerlich den Blick auf mich. »Ich finde es bemerkenswert, dass ich hier sitze und mich mit dir über Beziehungen unterhalte. Am Ende polst du mich sogar noch um.« Er zwinkerte mir zu. »In der letzten Zeit passieren diesbezüglich ohnehin Dinge, die ich nie erwartet hatte. Erst holt sich Alejandro eine Braut aus Österreich und bekommt gleich auch noch einen ziemlich süßen Sohn dazu. Und dann die Sache mit Enrique. Ich hatte ja schon länger den leisen Verdacht, dass er schwul sein könnte, aber da stand ich anscheinend alleine da, oder?«
Er schmunzelte wissend und ich spürte, wie mir erneut die Röte in die Wangen stieg. Wie hatte er mitbekommen können, dass ich jahrelang unglücklich in den zurückhaltenden, liebenswerten Mann verschossen gewesen war, obwohl wir so wenig Kontakt gehabt hatten? Erst in den letzten Monaten, seit ich mich mit Florian angefreundet hatte, war ich öfter mit der Runde zusammen. Wusste vielleicht unsere ganze Clique darüber Bescheid?
»Ich bin froh, dass er Florian gefunden hat«, erwiderte ich, ohne auf Lorenzos Bemerkung einzugehen. »Sie wirken sehr glücklich miteinander.«
»Und du bist seither deutlich entspannter in Enriques Gegenwart«, stellte er unerbittlich fest, lächelte mich aber ohne Spott an.
»Ja, das stimmt«, gab ich nun zu. »Ich bin froh, endlich zu wissen, warum aus uns nichts werden konnte.«
»Kann ich mir vorstellen.« Lorenzo nickte verständnisvoll. »Eva und Florian sind ausgesprochen nette Menschen. Vielleicht solltest du dich auch in Österreich umsehen.« Obwohl er im Scherz gesprochen hatte, erschien mir die Idee plötzlich gar nicht so abwegig, also griff ich sie auf.
»Ich wünsche mir schon lange, Urlaub im Ausland zu machen. Hast du Spanien schon mal verlassen?«
Er schüttelte nur den Kopf, weil er gerade den Mund voll hatte.
»Allerdings ist mir bei dem Gedanken, mich ganz alleine aufzumachen, doch etwas mulmig. Vielleicht fliege ich das erste Mal gemeinsam mit Eva. Sie ist ja regelmäßig in ihrer früheren Heimat.« Alejandros Frau arbeitete auch nach ihrem Umzug nach Mallorca für eine österreichische Agentur, die sich auf literarische Übersetzungen spezialisiert hatte.
»Stimmt, für sie ist das Fliegen vermutlich so aufregend wie für mich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Palma zu fahren.« Lorenzo lächelte schief. »Eigentlich ein bisschen armselig, wenn ich es recht bedenke. Ich bediene jahrein, jahraus Gäste aus aller Herren Länder und war selbst noch nirgends.«
An seinem Blick erkannte ich, dass er über etwas nachdachte, während er die letzten Bissen seines Brotes aß. Ich selbst war schon satt. Mir fiel auf, dass zwei Möwen über uns kreisten, nun kam auch eine dritte hinzu. Ich hatte den Eindruck, dass es die eleganten silbrig-weißen Vögel auf unsere Reste abgesehen hatten und hielt es für klüger, diese zusammenzupacken, bevor sie einen Angriff starten konnten.
»Fertig?«, fragte ich Lorenzo. Er nickte und half mit, alles in den kleinen Kühlschrank zu packen.
Ich