Einer der auszog, um reich zu werden. Kanghan YUAN

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Einer der auszog, um reich zu werden - Kanghan YUAN

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      Hong hat natürlich beides auf ihrem Handy. »Du bist sowieso immer zu beschäftigt, um dich darum zu kümmern. Wusstest du, dass es zum guten Ton gehört, eine WhatsApp-Nachricht innerhalb von vier Minuten zu beantworten? Bei manchen Unternehmen sind Service und Vertrieb ohne WhatsApp gar nicht mehr denkbar. Wenn du eine Firma hast, brauchst du jemanden, der sich in Vollzeit darum kümmert.«

      Ich staune und nehme mir vor, mich etwas näher damit zu beschäftigen. Aber heute nicht mehr.

      Meine Frau erwähnt noch, dass sie sich heute Morgen mit meinem Fahrer über den Unfall mit dem Hund unterhalten hat. Der Fahrer gab zu bedenken, dass die Versicherung unbedingt über den Schaden informiert werden müsse, da die Leasingfirma sonst nicht für den Schaden aufkommen werde. Also einigten sie sich kurzerhand darauf, am kommenden Sonntag einen kleinen Unfall für die Polizei in Szene zu setzen, damit die Reparatur während unseres Thailand-Urlaubes, der in acht Tagen beginnt, auf Kosten der Versicherung durchgeführt werden kann.

      Der sechste Tag der Woche ist ein Samstag. Logisch, denkt jetzt jeder Europäer, aber in China ist das nur bedingt logisch, denn hier werden die Wochentage einfach von Montag bis Samstag durchgezählt, also Montag ist die 1, Dienstag die 2 und so weiter. Der Sonntag heißt sowohl Sonnentag als auch Himmelstag. Obwohl der heutige Tag aufgrund der staatlichen Vorgaben zum Ausgleich für den zusätzlichen Feiertag an CNY ein offizieller Arbeitstag in China ist, fehlt noch immer ein Großteil der Belegschaft. Um ein paar Arbeiten abzuschließen, verzichte ich kurzerhand auf das Mittagessen. So schaffe ich einiges und kann früher als sonst nach Hause gehen.

      Hong duscht gerade im kalten Bad, als ich das Haus betrete. Der Gedanke, jetzt an ihrer Stelle zu sein, lässt mich frösteln. Offenbar ist sie wieder genauso abgehärtet wie früher. Beim Abendessen erzählt sie mir, dass sie auch nichts zu Mittag gegessen hat, weil es wichtigere Dinge zu erledigen gab. Übrigens sei auch kein Trinkwasser mehr da, wirft sie wie nebenbei ein.

      Ich verstehe den Wink und laufe noch schnell in einen Supermarkt, um ein paar Flaschen zu kaufen. Danach mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich und schaue mir den Film »Die Bourne Identität« an. Dabei wird mir sofort klar: Was der amerikanische Geheimdienst alles kann, kann der chinesische schon lange. Schließlich kann ich mich noch gut an die Zeit erinnern, als ich vor zwanzig Jahren zum ersten Mal nach China kam. Alle Autos und sämtliche Hotelzimmer waren verwanzt und jedes Telefongespräch wurde ungeniert abgehört. Unterkünfte und Fahrzeuge samt Fahrer wurden einem zugewiesen. Westlichen Ausländern stand man damals noch viel misstrauischer gegenüber als heute. Nun stellt sich mir die Frage: Arbeitet der Geheimdienst heute moderner und noch geheimer oder haben sie es aufgegeben und man wird wirklich nicht mehr beobachtet?

      Mir macht die Kälte mal wieder zu schaffen, also schütte ich den Rest meines chinesischen Reisweins in einen Topf und erhitze ihn. Da dieser Wein eine gelbe Farbe hat, wird er in China auch »Gelber Wein« genannt. Reiswein gibt es in auch in Japan, dort heißt er Sake, und in Korea mit Namen Magoli, diese Weine sind jedoch fast klar und nicht gelb gefärbt.

      Nachdem die Wärme des Weins meinen Ansprüchen genügt, gieße ich ihn in ein Glas und begebe mich in mein Büro im dritten Stock unseres Hauses.

      Plötzlich stürzt Hong in mein Büro und schimpft wie ein Rohrspatz: »Das ganze Haus stinkt nach Gelbem Wein, hast du dich erbrochen?«

      Das Weinglas vor meinen Mund haltend, schaue ich sie verwirrt an. »Nein, ich hab mir den nur heiß gemacht.«

      »Säufst du etwa die ganze Flasche?«

      »Beruhige dich doch, es ist ja nur ein Glas«, versuche ich sie zu beschwichtigen.

      »Deine Spermien sind trotzdem besoffen, schwimmen irgendwohin, finden das Ziel aber nicht. Kinder kommen besoffen zur Welt, wenn der Vater so viel trinkt.«

      Hong scheint mit ihrem Kinderwunsch oder Nichtkinderwunsch sehr wankelmütig zu sein. Was will sie denn nun wirklich? Weshalb regt sie sich so auf? Im Reiswein ist weitaus weniger Alkohol als im Schnaps.

      Sie zitiert mich in ihr Büro ein Stockwerk tiefer und ich befürchte schon Schlimmstes, aber es geht um ein völlig anderes Thema. Sie hat im Internet eine Immobilie gefunden, die der lokale Gerichtshof in Taicang verkauft. Ganz in der Nähe unseres jetzigen Mietshauses. Wie in Deutschland werden Objekte, deren Eigentümer zahlungsunfähig werden, veräußert, damit die Banken nicht darauf sitzen bleiben.

      Ich überschlage die Zahlen und erkläre Hong, dass diese Eigentumswohnung zu teuer sei. Der Gerichtshof will verdienen, der Gläubiger auch.

      »Das ist vermutlich auch nur der Einstiegspreis zum Verhandeln«, weiß ich aus Erfahrung. Trotz des hohen Einstiegspreises finde ich das Objekt interessant und schlage eine Wohnungsbesichtigung vor, doch dann bemerken wir, dass die Kaution für die Versteigerung stolze 300.000 RMB, rund 40.500 Euro, beträgt.

      Ich überfliege das Kleingedruckte. »Hier steht, man bekommt später sein Geld zurück, aber die Frage ist wann. Solange die das Geld haben, können die Behörden und Banken damit arbeiten«, gebe ich zu bedenken.

      Hong reagiert aufgebracht: »Das ist chinesische Kriminalität, gedeckt und initiiert vom Staat. Lassen wir lieber Finger davon, denn es ist wie bei einem Hund, dem du ein Stück Fleisch gibst, du bekommst es nie mehr zurück.« Sie muss es ja wissen, sie hatte schließlich mal einen Hund gehabt.

      Am Sonntagmorgen fängt es an, leicht zu schneien. Da Hong weiterschlafen will, jogge ich allein. Danach rufe ich meinen Fahrer an, um mit seiner Hilfe eine Polizeistation in Taicang zu finden, die die Geschichte von dem Autounfall mit dem Hund glaubt. Hong bekommt ein Formular zum Ausfüllen für die Versicherung des Autos. Zum Dank überreiche ich dem Fahrer ein Geschenk, das ich zu diesem Zweck von zuhause mitgenommen hatte. Dieses Geschenk hatte ich vor zwei Tagen von der Bank für meine Geldanlage erhalten. Alles läuft wie geschmiert.

      Während des Tages räume ich mein Büro auf, sortiere Papiere in Ordner oder schreddere sie. Hong zieht mit zu mir nach oben, so dass wir nur noch ein Büro heizen müssen und Geld sparen können. Sie arbeitet an ihrem Laptop gegenüber und ermahnt mich mehrmals, jedes Papier vor dem Schreddern gründlich zu überprüfen. Nun frage ich mich, ob es ihr tatsächlich ums Geldsparen geht oder ob sie mir nur kontrollieren möchte.

      Nach dem Abendessen telefoniere ich mit Daniel in Deutschland und Hong mit ihrer Mutter. Wir gehen diesmal früher als sonst ins Bett. Die Wärmflasche ist schon mit heißem Wasser gefüllt.

      Währenddessen mache ich mich mit dem Flugzeug vom Shanghaier Inland-Flughafen Hongqiao auf den Weg, um einen Lieferanten im etwa fünfhundert Kilometer entfernten Qingdao in der Shandong-Provinz zu besuchen. Der Businesstrip soll zwei Tage dauern und ich habe Hong versprochen, morgen Abend wieder zurück zu sein. Wie in China üblich werden mein Kollege, ein chinesischer Einkäufer, und ich mit einer Limousine abgeholt, um in das Werk des Lieferanten außerhalb der Stadt gebracht zu werden.

      Zu meinem Leidwesen muss ich feststellen, dass die von uns beauftragte Platte wesentlich dicker ist als die der Konkurrenz.

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