Emsgrab. Wolfgang Santjer

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Emsgrab - Wolfgang Santjer

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ein mulmiges Gefühl unter einer Brücke, dachte Jean Claude.

      Er erstarrte, als ein dumpfer Schlag das Ruderhaus traf.

      »Jean Claude! Ich denke, wir hatten genug Platz unter der Brücke!«, rief Marie erschrocken.

      »Halt bitte das Ruder. Ich seh nach!«

      Jean Claude riss die linke Ruderhaustür auf und starrte nach oben. Für einen Moment konnte er durch den Nebel die Brücke erkennen und glaubte, den Schatten einer Person am Geländer zu sehen.

      Er warf einen Blick auf den vorderen Mast und die Radarantenne. »Alles heil geblieben, Ich sagte doch: genug Platz.« Erst jetzt bemerkte er, wie blass das Gesicht seiner Frau war. »Marie, es ist alles in Ordnung. Beruhige dich.«

      Im selben Augenblick sah Jean Claude, worauf seine Frau starrte: Die Scheibenwischer zogen einen blutroten Schmierfilm über das Fenster des Ruderhauses.

      »Marie, achte auf den Kurs. Ich sehe auf dem Dach nach. Es ist sicher ein Dummejungenstreich. Bestimmt ein Farbbeutel!« Sein Magen verkrampfte sich, als er nach draußen ging und über die Leiter auf das Dach des Ruderhauses kletterte.

      Ein länglicher Gegenstand lag auf dem Dach. »Oh Gott, nein. Bitte nicht.«

      Mit zittrigen Knien ging er darauf zu. Was sein Unterbewusstsein bereits registriert hatte, wurde nun zur Gewissheit. Ein menschlicher Körper lag in verkrümmter Haltung auf dem Dach, mit dem Bauch in einer Blutlache, die langsam über die Kante lief.

      Er zwang sich, den Körper umzudrehen. Vielleicht war es ein Selbstmörder und man konnte ihm noch helfen. Jean Claude starrte sekundenlang in das Gesicht des Fremden. Wie sollte er sich verhalten? Der Anblick verursachte Grauen und Übelkeit. Trotzdem zwang er sich, nach dem Puls am Hals des Mannes zu fühlen.

      Es gab keinen Zweifel: Diesem armen Kerl war nicht mehr zu helfen. Jetzt erst fiel Jean Claude eine klaffende Wunde am Hals des Toten auf. Vorsichtig schob er die offene Strickjacke des Mannes beiseite und fand weitere Wunden. Jean Claude war kein Fachmann, aber ein Selbstmord war das nicht. Dieser Mann war erstochen worden.

      Der Franzose dachte an die dunkle Gestalt, die er kurz am Brückengelände gesehen hatte.

      Ein Toter auf seinem Schiff. Das bedeutete eine Menge Ärger. Was sollte er nur tun? Seine Gedanken überschlugen sich. Er wusste nur eins: Die Leiche musste sofort verschwinden, mit dieser Sache durfte und wollte er nichts zu tun haben.

      Er rannte zurück ins Ruderhaus. »Marie, kommst du klar? Ich sagte doch: Dummejungenstreich. Ich bring das in Ordnung.«

      Jean Claude schaltete die Sicherung für den kleinen Bordkran an und stieg zurück aufs Dach. Mit der Fernbedienung steuerte er den Kranausleger in die Nähe der Dachmitte. Er zog dem Toten die ohnehin schon halb ausgezogene Strickjacke mit dem Greenpeace-Symbol herunter und wischte damit die Blutlache auf. Dann legte er die Jacke auf das Gesicht des Toten. Er schwenkte den Ausleger mit dem darauf liegenden Körper nach außenbords und ließ ihn hin und her schwingen, bis der Körper endlich vom Ausleger hinunter in den Fluss rutschte.

      »Mein Gott, Jean Claude, was treibst du da draußen?« Maries ungeduldige Stimme drang aus dem Außenlautsprecher an Deck.

      »Die haben uns Schlachtabfälle aufs Dach geworfen, echt eklig. Ich mach nur noch etwas sauber.« Etwas Besseres war ihm so schnell nicht eingefallen. Marie durfte niemals die Wahrheit erfahren. Sie hätte darauf bestanden, die Polizei zu alarmieren. So eine Geschichte konnte das Ende ihrer Ehe bedeuten.

      Er wollte Marie und sein Schiff nicht verlieren und es reichte, wenn einer Albträume hatte.

      Jean Claude zwang sich, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, als er das Ruderhaus betrat. Marie blickte ihn nicht an, wie hypnotisiert starrte sie auf den Scheibenwischer. Kein gutes Zeichen. Jean Claude ging hinunter in die Kombüse und wusch sich die Hände. Im Ruderhaus zurück, streichelte er beruhigend ihre Schulter und schaltete den Autopiloten ein.

      Sie drehte sich zu ihm um und er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Du, wir hatten einfach nur Pech, dass wir gerade unter der Brücke waren und uns die Sachen aufs Dach gefallen sind.«

Teil 1

      1.

      An Bord des niederländischen Saugbaggers Arne Monsing

      Die Freischicht war vorbei und Henk de Olde wieder als Schiffsführer an Bord des Saugbaggers Arne Monsing. Die freien Tage waren viel zu schnell vorübergegangen. Jetzt lagen wieder sieben Tage Baggerarbeit auf der Ems vor der Besatzung.

      Der Maschinist Pieter ten Broek war der Meinung, dass zunächst ein starker Kaffee nötig sei. Gemeinsam mit dem Matrosen Martin Kerstmann gingen sie in die Kombüse, um nachzusehen, ob die vorherige Schicht dort für Ordnung gesorgt hatte. Noch konnte man der alten Besatzung gehörig in den Hintern treten, falls die einen Saustall hinterlassen hatten.

      Pieter ten Broek stellte die Kaffeemaschine an und sah sich um. »Die Jungs waren wohl schon in Gedanken bei ihren Frauen.«

      »Reg dich nicht künstlich auf«, sagte Martin. »Die gerechte Strafe erwartet sie bestimmt schon zu Hause.«

      Pieter lachte. »Zumindest Boonstra. Seine Alte hat Haare auf den Zähnen.«

      Sie wischten die angetrockneten Kaffeetassenringe von der Arbeitsfläche. Pieter fluchte. »Das sollten wohl die olympischen Ringe werden … Verdammichte Smeerlappen!«

      Die Kaffeemaschine gab gleichmäßige glucksende Geräusche von sich und Pieter und Martin gingen die Treppe hinauf zur Brücke. Die letzte Gelegenheit für einen kleinen Plausch mit der abrückenden Besatzung wollten sie nicht versäumen. Die nächsten Tage würden sie unter sich sein. Henk würde seine alten Witze erzählen und sein Lieblingsopfer, den jungen Martin, gehörig auf den Arm nehmen.

      Die Maschinisten führten ihre Fachgespräche, angefangen vom aktuellen Bunkerbestand bis zur dieser verdammten seit Jahren leckenden Hydraulikpumpe. Die Schiffsführer besprachen zusammen mit Baggerleiter Gerd Peters die von den Besatzungen der Peilboote vorgelegten Ergebnisse der Tiefenmessungen.

      Henk de Olde war nicht überrascht, dass Peters wieder mal unter Dampf stand. Die erforderlichen Tiefen waren noch nicht erreicht worden und der Zeitdruck war wegen der geplanten Überführung des neuen Kreuzfahrtschiffes groß. »Gerd, lass dich nicht verrückt machen, bis jetzt haben wir alle Arbeiten immer noch pünktlich erledigt. Auch dieses Mal wird es keine Probleme geben, wir haben Zeit genug.«

      Nachdem der neueste Tratsch aus Holland und die neuesten Familienbilder ausgetauscht worden waren, verließ die alte Crew mit einem lauten: »Tot ziens« das Schiff.

      Der Bagger war nun wieder sieben lange Tage Henks Zuhause. Wie viel Zeit hatte er wohl schon auf diesem Ding verbracht? Ich bin länger mit meiner Besatzung als mit meiner Frau Mareike zusammen, grübelte er. Zum Glück hatte seine Ehe dieser Belastung standgehalten.

      Erst war er jahrelang als Steuermann auf Kümos gefahren. Die Kindererziehung hatte Mareike übernommen. Dabei war sie mit der Zeit immer selbstständiger geworden und jetzt erledigte sie alles, von der Gartenarbeit bis zu den Behördengängen. Bei den Landurlauben hatte Henk immer wieder festgestellt, dass Mareike alles bestens organisiert hatte. An Bord der Schiffe war er der Kapitän und Chef, aber zu Hause hatte Mareike das Kommando. Die ersten Tage an Land, oha – da zog schon mal eine Gewitterfront auf. Mareike konnte im Streit sehr

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