Emsgrab. Wolfgang Santjer

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Emsgrab - Wolfgang Santjer

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Bartstoppeln machten es auch nicht besser. Rote Augen und schwarze Augenringe vervollständigten den elenden Eindruck.

      Er ließ die Sonnenrollos vor den Fenstern herunter und beschloss, den Spiegel zu meiden. Sein Blick streifte die dreckige Spüle, in der sich schmutziges Geschirr stapelte.

      Das war also übrig vom Neuanfang in diesem Kaff. Egal, wohin man zog, man nahm sich und seine Probleme immer mit.

      Der Anfang hier war irgendwie verkrampft verlaufen. Seine Ehefrau hatte alles richtig machen wollen. Hatte sich um ihn gekümmert und versucht, besonders nett zu ihm zu sein. Sie war ständig beschäftigt gewesen, so als vermiede sie es, ihm gegenüberzusitzen. Er hatte meistens in der Küche herumgesessen und sich nicht aufraffen können, etwas Sinnvolles zu tun. Seine Frau hatte immer wieder versucht, ihm irgendwelche Aufträge zu geben. Angeblich sei nach dem Umzug noch vieles zu erledigen. Wenigstens zum Arzt sollte er gehen.

      Er hatte sich einen Arzt gesucht, einen Termin vereinbart und gehofft, dass seine Frau nun Ruhe gab.

      Der Arzt hatte sich angehört, wo seine Probleme lagen, und vermutete, dass eine Depression vorlag.

      Eine Überweisung zum Facharzt war ausgestellt worden und er hatte Tabletten verschrieben bekommen. Die sollten ihm dabei helfen, seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Aggressionen! Nur weil er sich beim Arztbesuch im Wartezimmer etwas aufgeregt hatte …

      Die Tabletten lagen noch vollständig in der Schublade und einen neuen Termin hatte er sich auch noch nicht besorgt. Seine Frau machte ihm deswegen Vorwürfe, die er beständig ignorierte.

      Seine Frau war zu ihm auf Abstand gegangen, nicht nur im Bett.

      An einem Morgen nach einem taubstummen Frühstück hatte sie zu ihm gesagt: »Geh doch mal unter Leute! Heute Abend ist im Sielhus in Jemgum eine Veranstaltung. Thema ist die Emsvertiefung und der Deichschutz. Das interessiert dich doch immer.« Sie hatte ihm die Tageszeitung hingeschoben und mit dem Finger auf die Ankündigung getippt.

      Er hatte sich dann tatsächlich am Abend aufgerafft und war nach Jemgum gefahren, um an der Versammlung teilzunehmen. Irgendwie hatte er das Gefühl gehabt, seine Frau wollte ihn loswerden.

      Zunächst hatte er das unscheinbare kleine Haus gar nicht finden können. So begann der Abend schon recht merkwürdig, als er einen Spaziergänger nach dem Sielhus fragte. Der reagierte mit Kopfschütteln. »Wo wird es wohl sein, das Sielhus – natürlich am Siel! Das Siel ist dieser Kanal und das kleine Haus mit dem schön restaurierten Giebel dort am Kanal, das ist unser Sielhus.«

      Der Flur des Sielhauses lief mit starkem Gefälle nach hinten ab. Eine Erklärung konnte er den Erläuterungen zu den Fotos entnehmen, die an der Wand hingen: Danach sollte das vorn eingedrungene Hochwasser hinten wieder ablaufen.

      Der Hafen hatte früher bis an das Gebäude herangereicht. Der spätere Ausbau des Hochwasserschutzes mit dem vorverlegten Deichdurchlass und dem Schöpfwerk hatte das Dorf vor Hochwasser bewahren sollen, das kleine Gebäude war dadurch vom Hafen abgeschnitten worden.

      Stimmen drangen aus einem Raum, und er öffnete die Tür.

      Der Schankraum war sehr klein. Neben der Theke befand sich eine Art Kaufmannsladen. Die Wirtin zapfte gerade ein Bier und bemerkte seinen fragenden Gesichtsausdruck. »Da staunen Sie, was? Hier haben früher die Schiffer ihre Kluntjes gekauft und anschließend noch ein Bier getrunken.«

      »Ist hier dieser Vortrag wegen der Emsvertiefung?«

      Die Wirtin sah ihn über den Brillenrand an. »Im Nebenraum, geht gleich los. Aber passen Sie auf die Stufe auf. Möchten Sie etwas trinken?«

      Mit einem Bier in der Hand betrat er den kleinen Versammlungsraum und wäre fast der Länge nach hineingestolpert. Den Sturz konnte er verhindern, aber die Hälfte seines Bieres spritzte auf zwei Männer, die ihn daraufhin finster ansahen. Er entschuldigte sich und setzte sich auf einen freien Stuhl.

      Ein Mann im Fischerhemd ging an das Rednerpult und stellte sich als Mitglied des Naturschutzbundes vor. »Ich darf heute Abend auch einige Vertreter der Deichbehörde und des Wasseramtes begrüßen. Die Herren sind bereit, einige Fragen zu beantworten.«

      Er nippte an seinem halb vollen Bierglas und versuchte, sich auf die Ausführungen der Behördenvertreter zu konzentrieren.

      »Meine Damen und Herren, die Wirtschaft verlangt nach immer größeren Schiffen. Der Markt bestimmt die Bedingungen, wir müssen baggern, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen.«

      Die Veranstaltung nahm ihren Lauf, und er bestellte sich schließlich das fünfte Glas Bier. Nervös bemerkte er, dass die Männer, die er mit Bier bespritzt hatte, ihn immer wieder beobachteten. Ihm ging der Gedanke durch den Kopf, für beide auf seine Rechnung ein Bier zu bestellen. Aber in diesem Moment hörte er das Wort »Arbeitsplätze« vom Vortragenden und es hielt ihn nicht mehr auf dem Stuhl.

      »Jetzt kommen Sie wieder mit diesem Totschlagargument Arbeitsplätze – und was ist, wenn die Deiche brechen?! Haben Sie schon mal die Flutmarken in Pogum und Wynhamster Kolk gesehen? Der Deich ist in der Vergangenheit dort schon gebrochen.«

      »Dafür haben wir ja auch das Sperrwerk gebaut.«

      »Sie meinen wohl den Staudamm.« Er redete sich immer weiter in Rage.

      Zunächst stimmte man ihm noch zu. Einige andere Zuhörer baten ihn jedoch, sie auch einmal zu Wort kommen zu lassen. Wutschäumend ignorierte er sie, und schließlich beschimpfte er die anderen Zuhörer. »Ihr seid doch zu blöd, um zu erkennen, was die wollen! Die Deiche werden wieder brechen und ihr Ignoranten sauft alle ab!«

      Dem Nabu-Mann reichte es: »Wir haben hier das Hausrecht und wir möchten Sie bitten, diese Versammlung zu verlassen. Diese Art bringt uns hier nicht weiter. Also bitte!« Er wies auf die Ausgangstür.

      »Ihr Idioten … Von mir aus könnt ihr alle ersaufen.« Er bezahlte seine Rechnung an der Theke und verließ das Sielhus.

      Draußen hatte er sich zunächst einen Joint drehen wollen und nicht auf die beiden Männer geachtet, die ebenfalls die Kneipe verlassen hatten. Plötzlich wurde ihm von hinten die Jacke über den Kopf gerissen und ein Faustschlag traf ihn in den Magen.

      Er wurde in den Schwitzkasten genommen und nach vorn gerissen. Der Arm um seinen Hals löste sich und gleichzeitig wurde er nach vorn gestoßen. Er stolperte vorwärts, verlor den Halt und rollte eine Böschung hinab. Kurz darauf schlug das Wasser des Siels über ihm zusammen. Er strampelte mit den Beinen und versuchte, sich von der Jacke zu befreien. Seine Füße versanken im weichen Boden des Siels, aber das Wasser war nur hüfthoch.

      Als er die rutschige Böschung hinaufkletterte, hörte er das Lachen der beiden Männer, die ihn ins Siel geworfen hatten. »Lass dich hier nie mehr blicken, du Großmaul.«

      Mit Schlamm beschmiert, keuchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht kroch er hoch. Auf dem Weg zu seinem Auto achtete er darauf, dass ihn niemand sah.

      Als er endlich zitternd im Wagen saß, sah er zum Sielhus, wo einige Männer zusammenstanden und sich köstlich amüsierten. »Ich werde mich rächen«, murmelte er hasserfüllt. »Eines Tages werde ich es euch heimzahlen.«

      Zu Hause sah seine Frau dann entsetzt zu, wie er verdreckt aus dem Auto stieg. Er schämte sich so sehr, und als seine Frau wissen wollte, warum sie ihn in den Kanal geworfen hatten, schrie er sie an. »Du bist schuld! Hast mich dahin geschickt! Wolltest mich loswerden!«

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