Zorn und Zärtlichkeit. Peter Gerdes

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Zorn und Zärtlichkeit - Peter Gerdes

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Spielchen immer noch Verlass ist. »So«, erwiderte er ebenso gelassen. »Lass mich raten. Ein Fingerabdruck in der Dichtmasse.«

      »Genau«, bestätigte Kramer. Falls er enttäuscht darüber war, dass Stahnke seinen dramaturgischen Kniff hatte verpuffen lassen, so ließ er sich auch das nicht anmerken. »Das Silikon ist überall mit dem Finger glattgestrichen worden, der Täter jedoch hat entweder Latexhandschuhe getragen oder aber Kunststofffolie benutzt. Dabei ist er ziemlich sorgfältig vorgegangen.«

      »Einen Fehler aber macht jeder«, soufflierte Stahnke, dem es jetzt doch zu langsam ging.

      Kramer nickte. »Folie verrutscht, Handschuh aufgescheuert und gerissen – so was in der Art. Am Tatort gefunden haben wir keins von beiden. Dafür aber einen sauberen Zeigefingerabdruck. Genau dort.« Er zeigte auf eine der unteren Kistenecken. Dann blickte er auf. »Merkwürdig, nicht wahr? Da macht sich jemand so viel Mühe – und dann das.«

      »Was willst du? Ich beschwere mich jedenfalls nicht«, sagte Stahnke. »Jetzt muss uns dieser Abdruck nur noch weiterbringen.« Er dachte an die Fingerabdrücke des Toten, die sich in keiner Kartei gefunden hatten.

      »Abgleich läuft«, sagte Kramer.

      Also wieder warten! Stahnke rammte die Fäuste in die Hosentaschen. »Und sonst? Was haben wir noch?«

      »Ich habe mir Mergners Bericht noch einmal genauer angesehen«, sagte Kramer. »Er schreibt allerhand zu den alten Narben des Toten. Irgendwie bringe ich das nicht auf einen Nenner. An der Schulter eine vernarbte Schussverletzung, möglicherweise auch Splitterverletzung. Angesichts des vermuteten Alters des Toten, nämlich etwa achtzig Jahre, könnte die aus dem Zweiten Weltkrieg stammen. Auf dem Rücken aber befindet sich noch eine Brandverletzung, Größe etwa DIN A3. Das steht da wirklich! Und dann steht da noch, sie stamme vermutlich von Napalm.«

      »Napalm?« Mit diesem Teufelszeug, das sich so gern in menschliche Haut biss und selbst unter Wasser noch weiterbrannte, hatten die Amis in Vietnam ganz Dörfer abgefackelt, samt allen Bewohnern von Greis bis Säugling. Auch im Zweiten Weltkrieg war dieser Kampfstoff schon eingesetzt worden, allerdings unter anderer Bezeichnung.

      »Und dann ist da noch diese vernarbte Stelle am rechten Unterarm«, fuhr der Oberkommissar fort. »Keine Verletzung, sondern die Überreste einer Tätowierung. Anscheinend ist dort ein Tattoo zunächst übertätowiert und dann entfernt worden. Mit deutlichen Spuren.«

      »Was für ein Motiv war es denn? Kann man noch etwas erkennen?« Vielleicht ja doch ein altes Knast-Tattoo, dachte Stahnke, obwohl der Mann keine Akte bei uns hat. Trotzdem könnten wir mal bei den JVAs rumfragen, wer weiß, wie lange das her ist. Oder der Tote war mal Seemann. Vielleicht Rocker? Nein, falsche Altersgruppe. Obwohl, ausgeschlossen ist gar nichts. Wer in dieser Altersgruppe trug denn früher mal ein Tattoo? KZ-Insassen. Und SS-Leute. Hm. Die volle Bandbreite.

      »Über ein Tattoo-Motiv steht hier nichts. Ich hake noch mal bei Mergner nach.« Kramer machte sich eine Notiz. »Dann gibt es noch diese Blasen.«

      »Brandblasen?«

      »Kutane Blasen an den Fersen, entstanden durch intensive Reibung«, zitierte Kramer. »Offenbar hatte unser Mann neue oder ungewohnte Schuhe getragen. Die Blasen waren geöffnet, die Oberhaut entfernt. Klebespuren von einem Heftpflaster rund um die halbwegs abgeheilten Stellen.«

      »Geöffnet? Das soll man doch eigentlich nicht. Das Flüssigkeitspolster in solchen Blasen ist doch der beste Schutz gegen Infektionen. So heißt es wenigstens.«

      Kramer zuckte die Achseln. »Tja. Alte Schule eben.«

      »Pflasterspuren.« Stahnke rief sich die Bilder vom Tatort ins Gedächtnis. »Die Pflaster selbst trug der Tote nicht mehr, richtig?«

      »Richtig. Es heißt ja auch halbwegs abgeheilt.«

      »Und in dem Keller lagen die Dinger nicht herum.«

      »Sind zumindest nicht aufgelistet.« Wieder blätterte Kramer, aber er schaute gar nicht richtig hin. Vermutlich hatte er solche Details im Kopf. »Woran denkst du?«

      Stahnke öffnete den Mund. Hinter ihm platzte eine Tür auf. »Hier sind Sie also!«, schnauzte es schneidend. De Beer stürmte in den Raum, zwei Faxausdrucke in der Hand, das graue Gesicht eine einzige Maske der Empörung. »Wie kommen Sie dazu, eine Gen-Analyse bei einem teuren Privatlabor in Auftrag zu geben, ohne meine Genehmigung einzuholen! Kennen Sie den Dienstweg etwa nicht? Oder glauben Sie, Sie hätten es nicht nötig, sich an Vorschriften zu halten?« Er fuchtelte mit etwas herum, das eine Auftragsbestätigung zu sein schien. Kramer schien für ihn Luft zu sein; der Raubvogelblick des frischgebackenen Kriminalrats war allein auf Stahnke gerichtet.

      Verdammt. Natürlich hatten sie eine Erlaubnis eingeholt, aber von Manninga, eben wie gewohnt. De Beer hatten sie dabei übergangen, es war also sein gutes Recht, sich aufzuregen. Also schwieg Stahnke, und Kramer tat es ihm gleich.

      De Beer hätte auch gar nicht zugehört. Er präsentierte das andere Papier, schlug klatschend mit dem Handrücken darauf: »Und während Sie lustig Steuergeld vergeuden, hat das LKA seine Arbeit bereits getan! Doppelter Unfug also. Ich sage Ihnen, Herr Stahnke, das wird Folgen haben. Auch Sie haben eine Personalakte! Mal schauen, wie viel da noch hineinpasst. In dieser Sache hören Sie noch von mir, darauf können Sie sich verlassen. Für die Zukunft untersage ich Ihnen solche Alleingänge ausdrücklich. Das ist ein dienstlicher Befehl!« Er ließ das Fax einfach fallen und rauschte aus dem Raum.

      Kramer schnappte sich das Papier aus der Luft. Während er es eilig überflog, schlug seine Stirn Falten.

      »Nicht gespeichert? Keine Übereinstimmung?«

      Kramer schüttelte nur den Kopf.

      Verflucht, wieder nichts! Liefen sie denn hier nur in Sackgassen hinein? Und was de Beer über Stahnkes Personalakte gesagt hatte, gab ihm mehr zu denken, als er vor sich selbst zugeben mochte. Jungfräulich und schlank war die nicht mehr, und der Kriminalrat hatte sich ganz bestimmt schon davon überzeugt. Jetzt würde er daran gehen, sie zu mästen, und zwar gründlich. Irgendwann, fürchtete Stahnke, würde ihn dann auch seine gute Aufklärungsbilanz nicht mehr retten.

      Zumal er im gegenwärtigen Fall meilenweit von jedweder Lösung entfernt war.

      »Wie verfahren wir also jetzt mit dem Foto? Herausgeben an die Presse?«, fragte Kramer.

      Stahnke nickte: »Ja. Ruhig an den großen Verteiler.« Dann fügte er, einer Eingebung folgend, noch hinzu: »Außerdem ein Foto von dieser Kiste hier. So wie sie hier steht. Mit einer kurzen Erläuterung.«

      Ehe Kramer nachfragen konnte, schlug sein Handy an. Die Titelmelodie von Derrick, schau an, dachte Stahnke, die Serie kannte der noch? Na ja, die Vierzig hatte auch ein Kramer schon hinter sich, obwohl man ihm das nicht ansah. Schon gar nicht jetzt gerade, da ein zufriedenes Lächeln seine Züge glättete.

      Der Oberkommissar bedankte sich und schob sein Handy wieder zusammen. »Endlich ein Treffer«, sagte er trocken.

      »Der Fingerabdruck?«

      »Genau. Es gibt eine Übereinstimmung. Sogar hier bei uns.«

      »Und? Haben wir einen Namen?«

      Kramer schüttelte den Kopf. »Das leider nicht. Aber es wurde ein identischer Abdruck gesichert, vor einigen Wochen schon. Im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Brandstiftung, eventuell sogar einer kleinen Serie. Ich soll mich mal an

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