Zorn und Zärtlichkeit. Peter Gerdes

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Zorn und Zärtlichkeit - Peter Gerdes

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Mit breitem, fettem Grinsen wandte sich der Mann an die Umstehenden. »So, Volksgenossen«, tönte er, »jetzt wollen wir diesen Judenlümmeln mal zeigen, wie wir Ostfriesen mit solchen Schädlingen umgehen. Vorwärts, holt die Schweine mal raus da!«

      Eifrige Helfer lösten die provisorische Vertäuung des Kofferraumdeckels. Die beiden Gefesselten, die aus Schnitt- und Schürfwunden am Hals bluteten und kaum noch bei Bewusstsein waren, wurden herausgezerrt, auf die Füße gestellt und unsanft aufrecht gehalten, Rücken an Rücken. Der Kohlenhändler nahm ein Tauende in die Hand und reckte den Arm in die Höhe. »Passt alle gut auf!«, brüllte er. »Jetzt werden die beiden Juden hier mal mit Emswasser Bekanntschaft machen! Nachher werden sie sauberer sein als vorher, denn so gründlich haben die sich bestimmt noch nie gewaschen! Vor allem aber wird Ostfriesland hinterher viel sauberer sein. Wir spülen den Dreck weg, und zwar endgültig, das verspreche ich euch.« Mit diesen Worten bückte er sich, schlang das Tau den beiden bereits Gefesselten um die Leiber und knotete die Schlinge fest zusammen. »Janssen, was ist nun mit dem Boot?«, rief er über seine Schulter.

      »Kommt!«, ertönte die militärisch knappe Antwort. Janssen treidelte bereits eine schlanke Motorbarkasse die Kaimauer entlang in Position, unterstützt von Erikas Vater, der, nachdem er den achteren Festmacher provisorisch belegt hatte, den Glühkopf des schweren Diesels mit einer Lötlampe auf Temperatur brachte.

      »Sie wollen die beiden hinter das Boot binden!« Stinus’ Gesichtsausdruck wechselte zwischen Unglauben und Gier. »Sie wollen die Juden durchs Wasser schleifen! Mensch, die meinen es ernst.«

      »Das überleben die beiden nicht«, stöhnte Erikas Großmutter und verbarg ihr Gesicht in den Handflächen.

      Fritz schwieg. Tränen liefen über seine wachsbleichen Wangen.

      7.

      Als Stahnke zu Kramer hinüberging, stand Dr. Mergner bei ihm, die weißen Haare unternehmungslustig gesträubt, in der Hand einen Stoß zusammengehefteter Kopien. »Fertig!«, verkündete er stolz. »Na, war das schnelle Arbeit?«

      Der Hauptkommissar zuckte die Achseln. »Mal gucken. Wenn’s uns schlauer macht, war’s schnell. Wenn nicht, dann hat es noch zu lange gedauert.«

      Mergner schickte Stahnke einen vernichtenden Blick, der allerdings durch seine dicken Brillengläser einiges an Sprengkraft verlor. Dann wandte er sich demonstrativ wieder Kramer zu. »Zunächst einmal steht die Todesursache jetzt eindeutig fest«, referierte er. »Die Obduktion hat ergeben, dass der Mann ertrunken ist.«

      Stahnke schnaubte. »Kunststück! Wenn man eine Leiche in einer wassergefüllten Kiste findet, dann ist es ja wohl kein Wunder, wenn die Lunge voll Wasser ist.«

      »Das habe ich nicht gesagt«, korrigierte Mergner scharf. »Im Gegenteil. Natürlich hatte der Tote keine wassergefüllten Lungen. Vielmehr waren sie voll mit sogenanntem Schaumpilz, also feinen Blasen aus Schleim und Luft, vermischt mit etwas Wasser. Wie es eben typisch ist für einen Ertrunkenen.« Wieder so ein giftiger Blick auf Stahnke: »Das sollten Sie aber wirklich wissen.«

      Stahnke spürte aufsteigende Hitze im Nacken. Klar, eigentlich wusste er das auch. Hatte auch schon einschlägige Befunde in der Hand gehalten, in denen von ballonierten Lungen die Rede war, Lungen, die gebläht waren von diesem Schaum und in die man Dellen drücken konnte, weil sie ihre Elastizität verloren hatten. Er mochte gar nicht daran denken, wie es zuging, wenn während des Ertrinkens solcher Schaum entstand.

      Nachdem Mergner aber Stahnkes Erinnerung nun einmal auf die Sprünge geholfen hatte, fielen dem gleich noch ein paar Details mehr ein. »Wie sieht es denn mit dem Magen des Toten aus? War da Wasser drin?«

      Der Mediziner runzelte die Stirn und blinzelte über seine Brillengläser hinweg. »In der Tat, ja«, antwortete er verblüfft. »Das könnte jedoch …«

      »… auch postmortal dorthin gelangt sein«, unterbrach Stahnke. »Ist bekannt. Und was ist mit dem Dünndarm?«

      »Ebenfalls Wasser«, erwiderte Mergner und nickte anerkennend. »Womit wir einen eindeutigen Beweis für Tod durch Ertrinken hätten.«

      »Wurde das Wasser analysiert?«

      »Was denken Sie denn? Natürlich! Es ist mit dem Wasser in der Kiste identisch. Beziehungsweise mit dem Wasser, das diesen Keller halb geflutet hatte. Wobei es sich um hiesiges Leitungswasser ohne signifikante Beimischungen handelt. Als Beweis, dass der Betreffende nicht anderweitig ertränkt wurde, würde ich das aber gelten lassen.«

      Stahnke begann breit zu grinsen. »Aber, aber, Herr Doktor! Jetzt fangen Sie ja doch an, unsere Arbeit zu machen. Erst bewerten Sie Indizien und befördern sie zu Beweisen – und dann machen Sie aus Ertrinken plötzlich Ertränken! Kann es sein, dass Sie irgendwo einen Trumpf stecken haben, den Sie eigentlich noch ausspielen wollten?«

      Jetzt war es an Mergner, zart zu erröten. »Tja, äh … Sie wissen ja, diese Schwellungen am Hinterkopf des Toten. Ich wollte da ganz sichergehen. Aber es steht zweifelsfrei fest, dass dem Mann diese Verletzung vor seinem Tod zugefügt worden ist. Und dass die Schläge hart genug waren, um ihm das Bewusstsein zu rauben.«

      Stahnke wechselte einen stummen Blick mit Kramer. Von gewaltsamer Tötung waren sie ohnehin schon ausgegangen, das ganze Arrangement dort in diesem Kellergewölbe, die gefesselten Hände und Füße ließen gar keine andere Schlussfolgerung zu. Jetzt schied wohl die Möglichkeit eines Unfalls aus, etwa bei einem schiefgegangenen Waterboarding. Wenn dem Ertränken dieses alten Mannes tatsächlich eine peinliche Befragung vorausgegangen war, dann hatten die Täter diese wohl als beendet erachtet. Entweder, weil sie die Hoffnung aufgegeben hatten, an Informationen zu kommen – oder weil sie schon alles erfahren hatten, was sie wissen wollten. Womit ihr Opfer verzichtbar geworden wäre. Fester Schlag auf den Kopf, noch einer zur Sicherheit, Klappe zu. Mit anderen Worten: Mord.

      »Wie lange ist die Tat in etwa her?«, erkundigte sich Kramer.

      »Zwischen sechsunddreißig und achtundvierzig Stunden vor dem Auffinden«, erwiderte Mergner prompt. »Das Leitungswasser war kalt, die Kellerluft ebenfalls, das hat den Zersetzungsprozess verlangsamt. Haben wir beides in Rechnung gestellt.«

      Der Tatzeitpunkt war demnach weder auf einen Wochentag noch auf eine Tageszeit genau zu bestimmen. Vor allem Letzteres fand der Hauptkommissar ärgerlich.

      »Was ist mit dieser Silikondichtung?«, fragte er. »Wie alt ist die eigentlich?«

      »Nicht sehr alt«, warf Kramer ein. »Sogar fast frisch, Lösungsmittel teilweise noch nicht ausgegast, also nicht ganz durchgehärtet. Die Masse dürfte erst kurz vor dem Tod unseres Unbekannten aufgebracht worden sein.«

      Stahnke runzelte die Stirn. »Und zu genau diesem Zweck vermutlich«, ergänzte er. »Warum nur dieser Aufwand?«

      Kramer zuckte die Achseln.

      »Bleibt die Frage aller Fragen.« Der Hauptkommissar wandte sich wieder Mergner zu. »Nämlich die, mit wem wir es hier zu tun haben.«

      Mergner nickte. »Richtig. Weshalb wir der Leiche auch erstklassige Fingerabdrücke abgenommen haben, was ich einmal lobend erwähnen möchte, denn aufgrund der fortgeschrittenen Waschhaut des Toten war das keine kleine Herausforderung.« Beifallheischend huschte sein Blick zwischen Stahnke und Kramer hin und her. Die aber hielten sich mit Anerkennung zurück, ahnend, was folgen würde. Der Mediziner seufzte. »Hat aber leider nichts genützt. Der Tote ist nicht in unserer Kartei. Auch beim Bundeskriminalamt wurde alles abgerufen und verglichen, aber ohne positiven Befund.«

      Stahnke

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