Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman. Jutta von Kampen
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Читать онлайн книгу Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman - Jutta von Kampen страница 33
Wie dumm von ihm, damals nicht das getan zu haben, was ihm vorschwebte, seit sein alter Freund Heisterschoß ihn bat, seine junge, hübsche Tochter Jutta, die gerade von der Sekretärinnenschule ins Berufsleben eintrat, ein wenig im Auge zu behalten. Er, Heisterschoß, sei ein alter Esel, der ganz gern in seinem Stall – sprich ländlichem Pensionsleben – bliebe, während Jutta in Hamburg ihr Glück versuchen wolle.
Dann gib sie mir in mein Büro, hatte er damals dem väterlichen Freund angeboten, was Heisterschoß nur zu gern tat.
Natürlich verliebte Henry sich in das junge Mädchen, obgleich da ein Altersunterschied von einem Dutzend Jahren war. Das hielt ihn lange zurück, Jutta mehr zu zeigen als Freundschaft. Sie sollte selber herausfinden, ob es auch auf ihrer Seite mehr war.
Nun ja! Henry Olsen hatte jetzt sein Boot versorgt, hängte sich die abgewetzte Lederjacke über die Schulter und schritt über den feuchten Steg ans Ufer.
Er hatte wohl zu lange gewartet, denn eines Tages erschien ein junger, flotter Mensch geradewegs dort, wo Jutta nach Büroschluß ihren Heimweg antrat. Eugen Brünnig, der neue Erste Offizier seines Vergnügungsdampfers.
Jutta war sofort hell begeistert, und er, Old Henry, wie sie ihn immer recht liebevoll genannt hatte, mußte froh sein, sich nicht lächerlich gemacht zu haben.
Jawohl, das war ihm erspart geblieben und hatte ihm zugleich Juttas Freundschaft und leise Zuneigung erhalten. Damit blieb ihm etwas, das er nicht missen wollte. Trotz alledem!
Henry Olsen blieb nun mitten auf dem schmalen Weg stehen, der durch wilde Fliederbüsche und Eichenbäume zum Haus führte.
In wenigen Tagen würde hier wieder Leben herrschen. Jutta und die Kinder würden hier herumtollen, denn die großen Ferien hatten begonnen.
Eugen Brünnig wird sie herbringen, einige Tage bleiben und die Unordnung und Einsamkeit benörgeln, ehe er sich hinter sein Steuerrad schwingt, um in Hamburg an Bord seines Schiffes zu gehen. Hoffen wir, daß der Kahn recht bald in Ordnung gebracht ist. Mit diesen Überlegungen schritt Olsen weiter. Er holte den Haustürschlüssel aus seiner Hosentasche und steckte ihn ins Schloß.
Lina war nicht im Haus, sie war plötzlich erkrankt und mußte im Krankenhaus von Hannover behandelt werden.
Das war bedauerlich, aber nicht zu ändern. Henry Olsen dachte dabei mehr an Jutta als an sich selber.
Er kam allein zurecht, hatte es ja auch nicht allzu schwer. Lebte er in Hamburg in seiner modernen Penthousewohnung, standen ihm eine Aufwartefrau und ein Sekretär zur Verfügung. Und auf sein Boot, mit dem er regelmäßig in die Einsamkeit des Reinhardswalds eintauchte, hatte er außer Jutta noch niemanden eingeladen.
Mit ihr war das zwar auch schon lange vorbei, aber ein Ersatz fand sich bis heute nicht. Nicht für jene trauten, stillen Stunden, die sich so ganz unterschieden von Old Henrys Leben in Hamburg. Das war seit Juttas Verheiratung eigentlich recht wild bewegt und oftmals sogar ausschweifend. Frauen und Alkohol spielten da eine große Rolle und hatten seinem Ruf einigen Abbruch getan.
War er jenes Treiben leid, verzog er sich in den Reinhardswald, wie auch nun wieder.
Er verbrachte die Tage mit Angeln und Schwimmen, fernab jeder menschlichen Berührung.
Aber nun war er heimgekehrt in dieses alte, geliebte und verhaßte Haus, an die Stätte immerwährender Enttäuschung, denn das Haus wurde gekauft für eine Familie, die es niemals geben würde. Für seine Familie. Darin sollten Jutta seine Frau sein und die Kinder seine Kinder.
Die Kinder! Olsen warf in der Diele seine Jacke über den Kleiderständer. Das war auch so ein Dorn in seinem Fleische.
Wann würde es ihm endlich gelingen, Kai und Heike ohne versteckten Groll zu betrachten? Wohl kaum!
Ein Wunder, daß die beiden überhaupt so unbefangen hier Ferien machen konnten.
Aber das kam sicher daher, weil er sich bald wieder verzog. Nur begrüßen würde er Jutta, vielleicht zwei, drei Tage ihre Nähe genießen. Dann nichts wie ab nach Hamburg.
Olsen durchquerte die Diele, um sich im anschließenden Wohnraum einen Whisky zu genehmigen.
Gerade führte er das Glas zum Mund, als die Hausglocke ertönte.
Nanu! Wer konnte das um diese Zeit sein? Jutta und die Kinder etwa schon?
Aber nein, Jutta hielt sich immer genau an den angekündigten Termin. Aber Lina konnte es auch nicht sein, denn die alte Frau würde erst in acht Tagen von ihm im Hospital abgeholt und zur Nacherholung in ein Sanatorium gebracht werden.
Olsen stellte sein Glas ab und ging zur Haustür. Er öffnete und hob verwundert seine dichten Brauen.
»Sie wünschen bitte?« fragte er mürrisch.
»Können Sie sich das nicht denken, Herr Olsen?« erwiderte die Frau kühl und schob sich an ihm vorbei in die Diele.
Das sah Olsen gar nicht gern. Er hatte was gegen Frauen, die aufdringlich und maskulin waren. Und diese hier sah ganz so aus, als sei sie eine jener Emanzipierten, die sich vor nichts fürchteten und jedem gleich gehörig auf die Füße traten.
»Nein«, gab er darum unwirsch zurück und musterte den späten Eindringling von Kopf bis Fuß, »kann mir eigentlich nicht denken, was Sie zu dieser Stunde in mein Haus führt.«
Über die scharfen Brillengläser hinweg betrachtete die Frau angestrengt die Diele.
»Nun sagen Sie’s schon! Wo? Wo sind die Kinder? Da haben Sie sich etwas sehr Unangenehmes eingebrockt, Herr Olsen!«
Seine Augen verengten sich zu einem schmalen Spalt.
»Würden Sie bitte deutlicher werden!« herrschte er die Frau verhalten an.
Wenn Fräulein Krümel Old Henry näher gekannt hätte, wäre sie vielleicht behutsamer vorgegangen. So jedoch beherrschte sie nur die Sorge um die Kinder, die sie nun seit zwei Tagen vergebens suchte und von denen sie vorhin die erste Spur gefunden zu haben glaubte.
So zog sie nun eine leuchtendrote Haarschleife aus ihrer Manteltasche und hielt sie dem verdutzten Mann geradewegs unter die Nase.
»Und was ist das? Verstehen Sie nun, daß Ihr Spiel aus ist, Herr Olsen? Ich bezichtige Sie der Kindesentführung! Wobei mir noch nicht klar ist, warum Sie das getan haben. Aber vielleicht wissen Sie recht gut, daß Sie niemals eine Chance hätten, Kai und Heike zugesprochen zu bekommen. Sie nicht! Dazu haben Sie einen viel zu üblen Ruf!«
In der nächsten Minute brach ein fürchterliches Donnerwetter über das Haupt der armen Fürsorgerin los.
Beide ahnten nicht, daß zwei kleine Gestalten oben auf der Galerie hockten und jedes Wort begierig mithörten.
*
Als Kai und Heike an diesem Morgen erwachten, galt ihre erste Sorge dem Boot.
»Ich sehe mal nach, ob Old Henry heimgekommen ist«, flüsterte Kai noch schlaftrunken Heike zu und schlüpfte aus dem Bett.
Ein verstohlener Blick aus dem Fenster sagte dem Jungen, daß Olsen noch nicht da war, denn der Steg lag einsam