Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman. Jutta von Kampen
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»Du, ich möchte zu gern Old Henrys Gesicht sehen, wenn er gleich die leere Pfanne entdeckt!« kicherte der Junge und schob Heike, die noch von der Marmelade naschte, zur Tür hinaus.
Alle sausten sie die Treppe hinauf und kauerten sich hinter das Geländer.
Olsen betrat das Haus und schritt in die Küche, weil er nun endlich, ob mit oder ohne Kinder, zu seinem Frühstück kommen wollte.
An der Tür blieb er stehen und blickte sich aufmerksam in der Küche um. Sonderbar! Wie kam die Marmelade auf den Tisch?
Er trat an den Herd und sah in die Pfanne. Im nächsten Augenblick lachte er erleichtert auf. Ach so! Das hatten die beiden vor. Nun gut, da würde er mitmachen.
Olsen bereitete sich zunächst ein neues Frühstück und aß genüßlich in der Küche, wobei er intensiv auf die Geräusche im Haus achtete.
Es waren nur wenige. Mal ein rasches Trippeln von kleinen Füßen, mal ein ganz fernes, unterdrücktes Bellen, aber es genügte dem Mann, um zu wissen, daß seine kleinen Hausgeister sich bester Gesundheit erfreuten.
Das ging den ganzen Tag über so und den nächsten auch. Henry Olsen hatte jetzt oft und lange im Garten zu tun, wobei er vorher immer zu speisen pflegte.
Er hatte mit einem Gasthaus in Lippoldsberg telefoniert und bekam täglich eine Menge guter Sachen geliefert, mal gebratene Hühnchen, mal einen großen Topf deftiger Erbsensuppe, die er unmöglich allein schaffen konnte.
Es blieb genügend für seine unsichtbaren Gäste übrig, die sich auch prompt bedienten.
Immer kamen sie angeschlichen, wenn Olsen entweder in seinem Boot oder sonst im Garten beschäftigt war.
Ab und zu fuhr Henry auch ein Stück die Weser hinauf, um irgendwo das Boot anzulegen und sich zu Fuß durch Schilf und Morast zurückzupirschen.
Dann konnte er die Kinder im Garten mit Bimbo herumtollen sehen, und das Herz ging ihm auf.
In diesen Stunden mußte Henry Olsen sich eingestehen, daß er eine Entwicklung durchmachte, an deren Ende nichts Gutes für ihn herauskommen würde.
Es war ganz einfach so, daß er die Kinder zu lieben begann. Mehr noch, er empfand vor der Tapferkeit der beiden kleinen Gestalten, die sich vor aller Welt versteckten, weil man sie trennen wollte, größte Hochachtung.
Selbst ihr Reinlichkeitsbedürfnis nötigte ihm Anerkennung ab, denn Kai und Heike pflegten ab und zu große Wäsche zu halten. Dann hingen auf einer Leine zwischen zwei Bäumen winzige Kleidungsstücke, was Olsen ein Grinsen entlockte.
Er beschloß, demnächst einmal ins Dorf zu fahren und Umschau zu halten in den wenigen Geschäften. Es mußte dort gewiß einige Kindersachen zu kaufen geben.
Gerade schlenderte Henry Olsen, von seinem täglichen ausgedehnten Spaziergang zurückkehrend, auf das Haus zu, wobei er sich überlegte, ob er dem Versteckspiel nicht doch besser ein Ende bereiten sollte, als ein alter grauer Kleinwagen von der Landstraße abbog und auf das Haus zugebraust kam.
Ein rascher Blick zum Haus, und Olsen atmete auf. Kai und Heike waren sicherlich mit ihrem Mittagessen fertig und befanden sich auf »Tauchstation«. Nicht einen Augenblick bereitete Olsen sein Blindekuhspiel Gewissensbisse.
Kai selber hatte ihm durch sein gewitztes Verhalten Rückendeckung gegeben. Die Kinder waren nicht aufzufinden. Wenn die Fürsorgerin persönlich…?
»Bitte sehr!« sagte Henry Olsen denn auch wenig später und ließ der Frau mit einem wahrhaft diabolischen Grinsen den Vortritt ins Haus. »Durchsuchen Sie ruhig den alten Kasten von oben bis unten. Ich habe nichts zu verbergen.«
Fräulein Krümel wirkte blaß und müde und tat Olsen fast leid, wie sie da mit hängenden Armen und Schultern in der Diele stand und tonlos murmelte: »Mein Gott, wo soll ich die Kinder denn noch suchen. Sie sind ein ganz gewissenloser Mensch, Henry Olsen! Haben Sie denn gar kein Herz. Die Kinder waren doch hier! Ich weiß es genau! Aber wo können sie jetzt sein?«
Olsen runzelte die Brauen, denn das behagte ihm nun doch nicht.
»Was kümmern Sie denn zwei Waisenkinder!« knurrte er unfreundlich, weil er nur so seine leise aufkommenden Gewissensbisse am ehesten unter Kontrolle bekam. »Wie ich erfahren habe, sind die Verwandten doch noch am nächsten Tag in ihre heimatlichen Gefilde abgerauscht.«
Da warf ihm dieses sonderbare Fräulein Krümel einen sehr beredten Blick zu, bei dem Olsen wieder heftigen Ärger in sich aufsteigen fühlte.
»Es wäre von einem Menschen Ihres Schlages zuviel erwartet, wenn man an sein Mitleid appellieren würde. Dazu sind Sie wohl zu hartgesotten. Aber ehrlich sollten Sie sein, Herr Olsen! Bitte, lassen Sie mich wissen, wenn Sie eine Spur von Kai und Heike entdecken. Vielleicht kommen die beiden noch einmal zurück. Hier ist meine Telefonnummer. Sie können mich jederzeit erreichen. Zu jeder Stunde.«
Zögernd nahm Henry die kleine Karte entgegen, wobei er die Frau eindringlich musterte.
»Warum nimmt das Schicksal der Kinder Sie so mit?« fragte er erstaunt.
Ihre blassen Lippen preßten sich flüchtig aufeinander, ehe sie fast verweisend zurückgab: »Das ist schließlich mein Beruf.« Sie senkte den Blick und fügte leiser hinzu: »Aber bei Kai und Heike ist es wohl ein wenig mehr als berufliche Sorge. Ich mag die Kinder sehr. Es sind gute, tapfere Kinder, aber es sind eben Kinder! Sie brauchen rasch Hilfe!«
Das kam fast flehend, während die Fürsorgerin einen verzweifelten Blick über das Haus gleiten ließ.
Olsen wollte antworten, er hätte nun fast doch die Wahrheit gesagt. Sie standen nun wieder vor der Haustür.
In diesem Augenblick brauste ein schnittiger Sportwagen auf das Haus zu, und heraus sprang eine hübsche junge Dame, die sogleich auf Olsen zueilte.
»Henry. Du Scheusal! Warum läßt du nichts von dir hören? Oh! Wie ich sehe, bist du nicht allein in deiner Eremitenklause. Willst du mich nicht vorstellen?«
Dabei musterte die junge Dame Fräulen Krümel von Kopf bis Fuß.
»Nun, Doris, das ist eine Fürsorgerin. Fräulein Krümel von der Familienfürsorge in Hannover.« Und zu der Fürsorgerin gewandt: »Doris von Ulstett, eine Bekannte.«
Dabei machte Henry Olsen eine mürrische Miene, die der jungen Dame ein helles Lachen entlockte.
»Von der Fürsorge? Hoffentlich hast du nichts ausgefressen, lieber Henry.«
Olsens Stirn rötete sich. »Laß den Unsinn, Doris!« murmelte er beklommen, denn Fräulein Krümel setzte eine höchst abweisende Miene auf.
»Ich glaube, die Kinder befinden sich tatsächlich nicht mehr hier, Herr Olsen«, meinte sie kühl. »Entschuldigen Sie bitte meine Aufdringlichkeit. Ich will Ihre Zeit jetzt nicht länger in Anspruch nehmen.«
Damit wandte sie sich rasch um und ging wieder zu ihrem Wagen.
»O bitte, bitte!« rief Olsen ihr ärgerlich hinterher, obwohl er sich seinen aufsteigenden Ärger selbst nicht erklären konnte.
Nachdenklich starrte er auf die kleine Karte in seiner