Durch die Hölle. Bernd Hesse
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»Und weshalb«, erkundigte ich mich, »geht man bei den vielen Motiven, die auch andere gehabt haben könnten, davon aus, dass dieser Matthias Staroski der Täter sein soll?«
Frau Wuschich schaute mich an, als ob ich ein wenig begriffsstutzig wäre. »Na, weil die Kripo ihn festgenommen hat und sie es im Dorf erzählen.«
Natürlich! Da hätte ich selber draufkommen können.
Beim Beratungsgespräch mit Frau Wuschich beeilte ich mich, damit sie in der Kanzlei nicht mit der ihr offensichtlich bekannten Mutter des Matthias Staroski zusammentraf.
Gleich nachdem ich Frau Staroski begrüßt hatte, ließ sie mich wissen, dass ihrem Sohn bereits ein Anwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war und er daneben auch noch einen »Staranwalt« beauftragt hatte, der ihm aus der BILD-Zeitung bekannt war.
»Da scheint Ihr Sohn anwaltlich doch gut vertreten«, erklärte ich ihr in dem Bemühen, meine Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen.
»Mein Sohn sieht das anders. Da gab es neulich eine wiederholte Befragung durch einen oder mehrere Beamte. Mein Sohn hat das Gefühl, dass er da Sachen gesagt hat, die er gar nicht so meinte … aber irgendwie schon …«
»Aber er hat das Protokoll unterzeichnet?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete die Frau.
»Und was sagen die Anwälte dazu?«, forschte ich.
»Das ist es ja. Sein Staranwalt hat sich nach Bezahlung der ersten Rechnung noch nicht blicken lassen, und der Pflichtverteidiger meinte, dass er später die Vernehmungsprotokolle lesen werde. Das sei ausreichend. Aber mir geben sie ja keine Auskunft. Das habe ich alles erst von meinem Sohn erfahren.«
»Bei der Vernehmung war keiner der Anwälte zugegen?«
Die Mutter blickte mich mit blassblauen, wässrigen Augen an. »Müssen sie ja nicht, meinten die Anwälte und auch die vernehmenden Beamten.«
»Ja klar«, nickte ich bestätigend mit dem Kopf. »Aber Sinn hätte es in der gegenwärtigen Situation schon.«
»Sagen die ja selber.«
»Ein Urteil kann ich mir in der Sache überhaupt nicht erlauben. Dazu müsste ich mir die Akte angesehen und Ihren Sohn gehört haben.«
»Dann übernehmen Sie die Verteidigung?«
»So schnell geht das nicht. Ich habe keine Lust, gegen einen anderen Wahlverteidiger zu arbeiten. Zwei Wahlverteidiger können in komplexen Verfahren Sinn haben. Aber hier liegt die Sache anders. Und wenn Ihr Sohn nicht mehr an dem zunächst beauftragten Wahlverteidiger festhalten will …«
»So habe ich’s verstanden. Sie sollen das Mandat übernehmen.«
»Wenn Ihr Sohn den anderen Wahlverteidiger nicht mehr möchte, müsste er jenes Mandatsverhältnis kündigen, bevor er mich beauftragt.«
Sie nickte. »Und der Pflichtverteidiger?«
»Da, glaube ich, wird’s nicht so einfach. Ich kann dem Gericht dann mitteilen, dass ich der neue Wahlverteidiger bin und für den Fall, dass ich als Pflichtverteidiger beigeordnet werde, das Wahlmandat beende, aber darauf muss sich das Gericht nicht einlassen. Irgendetwas, was das Verhältnis zum bisherigen Pflichtverteidiger so erschüttert hat, dass man davon ausgehen kann, dass das notwendige Vertrauen unüberwindbar zerrüttet ist, ist für mich jetzt erst mal nicht ersichtlich.«
»Und dass mein Sohn den Eindruck hat, dass der sich nicht genügend engagiert?«
»Das reicht nicht aus. Woran wollen Sie das festmachen? Nur daran, dass der Pflichverteidiger nicht bei den Vernehmungen dabei war? Wenn man alle Ermittlungsverfahren nimmt, ist es sogar die weitaus größere Masse, in denen Beschuldigtenvernehmungen ohne den Anwalt erfolgen. Das kann man auch im vorliegenden Fall nicht als Grund einer unüberbrückbaren Störung des Vertrauensverhältnisses heranziehen.«
»Also bleibt der alte Pflichtverteidiger?«
»Danach sieht es bisher aus.«
»Und die Kosten für Ihre Inanspruchnahme?«
»Die müsste in der vorliegenden Konstellation Ihr Sohn tragen.«
Eine Woche später stand ich am Besuchereingang der Justizvollzugsanstalt Brandenburg und wurde durch verschiedene Schleusen und Gänge in die Besucherzelle geschickt und geführt. Es ist die größte JVA im gleichnamigen Land; das älteste Gefängnis im Lande, inzwischen komplett modernisiert. Die neuen Besucherzellen sind mit den Möbeln und der Farbe wie kleine Büros gehalten. Für meinen Mandanten machte es die Sache aber nicht besser. Weder war bis zu diesem Zeitpunkt die Strafakte vom Gericht an die Kanzlei geschickt, noch war abgestimmt worden, dass wir sie in einer Geschäftsstelle abholen könnten. So war ich denkbar schlecht vorbereitet. Gleichwohl war es mir wichtig, den Mandanten so schnell wie möglich aufzusuchen.
Als der Untersuchungsgefangene Staroski in die Besucherzelle geführt wurde, war mein erster Gedanke, dass doch so kein Mörder aussehen dürfte. Er war zwar groß und kräftig, sodass er körperlich durchaus in der Lage wäre, ein Opfer zu erwürgen, aber mit seinen auffällig blauen und gütig blickenden Augen mit den Lachfältchen an den Seiten wirkte er völlig friedfertig.
Nach den Haftbedingungen gefragt, antwortete ein äußerlich gelassen wirkender Mensch: »Das geht schon alles in Ordnung.«
Er wollte offensichtlich den Eindruck vermitteln, dass er sich in sein Schicksal füge.
Völlig atypisch waren dann auch seine Angaben zur Tat.
Ja, er habe seine Cousine umbringen wollen. »Nicht ganz zu Beginn, da wollte ich noch … Aber das lief dann alles aus dem Ruder.« Er stockte.
»Hm.« Ich nickte. »Was wollten Sie zu Beginn?«
»Ich wusste doch gar nicht, dass sie so einen leichten Schlaf hat. Ich war mucksmäuschenstill. Eigentlich wollte ich nur die Unterlagen klauen, meine und die all der anderen, die sie auspresste. Zur Sicherheit habe ich mir auch eine Skimaske aufgesetzt. Das hätte ich doch nicht getan, wenn ich sie von Anfang an hätte umbringen wollen.«
»Es sei denn«, widersprach ich, »Sie wollten trotz einer Mordabsicht von Ihrem eigentlichen Willen durch das Tragen einer Maske ablenken. Oder Sie trugen sie, um bei der Verwirklichung Ihres Mordplanes nicht von Dritten erkannt zu werden.«
Er überlegte nur kurz. »Könnte sein. Aber Dritte waren nicht zu befürchten. Freiwillig ist keiner zur Tante gekommen. Aber letztlich habe ich sie umgebracht, und deshalb sitze ich hier und Sie da drüben. Das hat alles seine Richtigkeit.« Mein Mandant blickte zu meiner Seite des Tisches, den Blick gesenkt, die Zähne aufeinanderbeißend.
Das sah so aus, als ob da noch etwas hinaussprudeln wollte aus ihm, was er unterdrückte. Das war nicht üblich. Kein Widerspruch, kein Rechtfertigungsversuch.
»Welche Unterlagen wollten Sie denn stehlen?«
»Die Bürgschaftsurkunde natürlich. Sie hatte mir zur Überbrückung meiner Zahlungsschwierigkeiten ein Privatdarlehen gewährt.« Er blickte sich im Raum um. »Größere