Durch die Hölle. Bernd Hesse

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es genauso. Die Anklage wird nur zur Verhandlung zugelassen, wenn das Gericht davon ausgeht, dass es zu einer Verurteilung kommt. Dann sollten wir uns überlegen, ob wir das Urteil so annehmen werden oder ein Rechtsmittel dagegen einlegen. Das sollte man ebenfalls nicht blind tun, sondern genau überlegen, was man damit erreichen kann.«

      »Dann machen wir das so. Hört sich nach viel Arbeit an.«

      »Das ist erst die Vorbereitung der Verhandlung, damit wir die Verteidigungsstrategie festlegen können. In der Verhandlung selbst müssen wir flexibel bleiben. Da kommt es auf das Verhalten sämtlicher Verfahrensbeteiligter an.«

      Als Doreen Band für Band der Strafakte einscannte, blieb ihr genug Zeit, die Akte querzulesen. Mit ihrem Urteil über den Ausgang des Verfahrens liegt sie meist ganz dicht am später vom Gericht gefundenen Ergebnis. Ihre Einschätzung damals: »Ganz klar ein Mörder, der wird verknackt.«

      Nach über tausend Seiten Aktenstudium war ich immer noch nicht geneigt, mich Doreens Ergebnis unumwunden anzuschließen.

      »Versuchter Mord«, hielt ich dagegen.

      Doreen schüttelte in unserer Zwei-Personen-Verhandlung den Kopf. »Und die Beschuldigtenvernehmung? Er hat doch selbst eingeräumt, dass er sie umbringen wollte.« Sie unterbrach ihre Anklage für einen kurzen Moment, um die Wirkung ihrer Kopfschüttelei zu erhöhen, und fuhr fort: »Selbst als er sie schon tot glaubte, wollte er sie weiter töten.«

      »Genau da will ich ja einhaken. Klingt doch absurd, dass jemand einen Toten töten möchte, oder?«

      Sie blickte mich mitleidlos an. »Kommt es darauf an, was absurd klingt, oder darauf, was dein Mandant bei der Vernehmung eingeräumt hat? Er jedenfalls hat die Mordabsicht zugegeben.«

      Ich schaute sie an. »Genau diese Aussage des Mandanten wird sich als Problem herausstellen. Dass es so war, das glaube ich kaum, aber das steht nun in den Akten. Da hat der vernehmende Beamte taktisch geschickt mehr aus ihm herausgekriegt, als da zuvor drinnen war.«

      »Ja, ja, deine Mandanten sind wieder einmal alle unschuldig«, spottete sie.

      »Darum geht es überhaupt nicht. Aber er kann nicht für mehr verurteilt werden, als er tatsächlich begangen hat. Und das war nun mal nur ein versuchter Mord, wenn er es denn überhaupt war.«

      Die letzte Bemerkung überhörte Doreen geflissentlich: »Er wollte sie doch umbringen.«

      »Das eben ist fraglich«, erwiderte ich. »Aber selbst wenn man es bejaht, dann hat er es doch zunächst nicht geschafft.«

      »Zunächst! Ganz genau!« Doreen nickte zur Bekräftigung ihrer Aussage. »Aber letztlich ist sie doch durch sein Handeln umgekommen.«

      »Aber da dachte er doch, dass er sie schon vorher umgebracht hätte. Wenn jemand eine Leiche umbringt, dann ist das kein Mord mehr … Vielleicht Störung der Totenruhe oder so ein seltsames Delikt, aber eben kein Mord. Allenfalls, wenn er irgendwie hätte erkennen können, dass sie noch nicht tot war, dann könnte ein Totschlag oder eine fahrlässige Tötung in Betracht kommen.«

      Schnippisch erklärte Doreen: »Mal sehen, ob das Gericht das auch so sieht.«

      Ich fuhr fort: »Das hoffe ich ja auch. Ich befürchte aber, dass das Gericht die verschiedenen Handlungen nur als eine Art Gesamtheit ansieht, in der der Wille des Täters zur Tötung des Opfers zum Ausdruck kommt. Auf eine Differenzierung zwischen erster Tötungshandlung und weiteren Handlungen, die auf den Tod des Opfers abzielen, käme es dann überhaupt nicht mehr an.«

      Die Anklageschrift flatterte für eine Mordsache ungewöhnlich schnell ins Haus. Auch sie besprach ich mit dem Mandanten. Neue Beweisanträge, die Zweifel an seiner Täterschaft begründen könnten, sollten ausdrücklich nicht eingeführt werden, da sie meist in die Richtung des Bruders führten, der im Verfahren von unserer Seite nicht benannt werden sollte. Mein Mandant wollte die Tat umfassend gestehen und auch auf Fragen des Gerichts antworten.

      Mordanklagen landen in Deutschland gewöhnlich beim Schwurgericht. Das sind erstinstanzlich beim Landgericht eingerichtete Kammern, die für die Verhandlungen bei Tötungsdelikten zuständig sind.

      Das Strafverfahren wurde vor dem Landgericht Frankfurt an der Oder eröffnet.

      Der Mörder mit den gütigen Augen

      Matthias Staroski wurde in einem der weißen, gesicherten Personentransporter mit der Aufschrift JUSTIZ von der JVA Cottbus zum Landgericht gefahren. Besondere Maßnahmen zur Sicherheit mussten nicht angeordnet werden, da angesichts seines schon außergerichtlich gezeigten Aussageverhaltens weder mit einem Befreiungs- noch mit einem Fluchtversuch, einem Versuch der Selbsttötung oder ­Ähnlichem zu rechnen war. Im Verhandlungssaal wurden ihm die Handfesseln abgenommen und ich begrüßte ihn.

      Als das Gericht eintrat, glaubte ich in den Gesichtern der Richter, die meinem Mandanten zum ersten Mal gegenübertraten, genau den Gedanken zu lesen, der mich überkam, als ich ihm den ersten Besuch in der JVA abstattete: Wie kann ein Mensch mit so gütig wirkenden Augen töten?

      Die Verhandlung wurde mit der Feststellung der üblichen Formalitäten eröffnet. Nach der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt ließ sich der Mandant umfassend zur Tat ein.

      Auch wenn ein Täter ein Geständnis ablegt, hat das Gericht die Verhandlung durchzuführen und sich zu vergewissern, dass derjenige, der auf der Anklagebank neben seinem Verteidiger sitzt, die Tat auch wirklich begangen hat. Seine Meinung bildet sich das Gericht aufgrund in der Verhandlung eingeführter Beweismittel wie der Anhörung von Zeugen und Sachverständigen, der Verlesung von Dokumenten, der Inaugenscheinnahme von Fotos oder Videos und so ­weiter.

      Aber das Gericht bekommt üblicherweise nur das zu sehen, was ermittelt wurde. Wenn Ermittlungen also zu frühzeitig in nur eine bestimmte Richtung geführt wurden, so birgt das die Gefahr, dass der wirkliche Täter unentdeckt bleibt. Kommt dann noch das Geständnis desjenigen dazu, kann das durchaus in einem Justizirrtum münden, das heißt, ein Unschuldiger könnte verurteilt werden.

      Das Gericht kann jedoch auch eigene Ermittlungen anstellen. Im Strafprozess gelten verschiedene Grundsätze, wie zum Beispiel die der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit. Deshalb werden quasi die Fragen, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren, auch Gegenstand des Strafverfahrens. Dabei werden aber Vernehmungen und Gutachten nicht einfach verlesen, sondern die entsprechenden Zeugen und Sachverständigen vom Gericht gehört.

      Von den Gutachten war natürlich dasjenige von besonderem Interesse, welches eine Aussage zur Todesursache traf.

      Staroski erklärte, dass er ursprünglich nur bei der alten Persokeit einbrechen und den »Schuldschein« stehlen wollte, der ihn betraf; vielleicht auch noch die Unterlagen zu anderen Schuldnern, aber dazu habe er sich keine konkreten Gedanken gemacht.

      Als seine Cousine so forsch die Treppe hinunterlief und ihn anschrie, was er hier mache, er mit ihr reden solle, und ihm dann auch noch die Maske vom Kopf riss, da sei es mit ihm durchgegangen. Ja, da habe er sie töten wollen.

      Die alte Frau lag vor ihm und atmete nicht mehr. Er glaubte sie tot und dachte nur noch daran, wie er nun die Tote loswürde.

      Da kam ihm das Auto in den Sinn, welches er vor dem Haus hatte stehen sehen. Die Fahrzeugschlüssel hingen am Schlüsselbrett im Flur. Er trug die Totgeglaubte zum Auto, öffnete den Kofferraum und legte sie hinein. Sie bewegte sich nicht und atmete nicht; jedenfalls nicht für ihn erkennbar. Aus der Küche holte er eine Plastikflasche, füllte sie mit Spiritus und ging

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