Durch die Hölle. Bernd Hesse
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»Da bekam ich langsam Panik«, fuhr der Angeklagte fort. »Das wollte einfach alles nicht klappen. Es lief alles schief an diesem Abend – und die Cousine war tot, lag leblos im Kofferraum. Mein Blick fiel auf den unmittelbar an das Grundstück grenzenden See und plötzlich hatte ich die Eingebung, das Auto samt Leiche im See zu versenken. Es ist ja bekannt, dass der See an dieser Stelle steil hinabgeht und sehr tief ist, und da …«, er stockte kurz, »da hatte ich den Einfall, das Auto mit der Leiche im See zu versenken.« Er machte eine Pause. Sein Unterkiefer bewegte sich leicht. »Den Fahrzeugschlüssel hatte ich ja noch bei der Hand. Ich startete das Auto, legte den ersten Gang ein und fuhr es an den See. Ich hatte die Tür offen gelassen und wollte herausspringen. Aber dann stoppte ich doch noch kurz vorher, nahm den Gang raus, stieg aus und schob den Wagen in den See.«
Der Staatsanwalt fragte nach der zusammenhängenden Darstellung des Angeklagten, ob dieser als handwerklich geschickter Mensch wirklich geglaubt habe, mit einer nicht zerbrechenden Plastikflasche und geschlossenen Fensterscheiben einen Brand legen zu können.
Mein Mandant antwortete: »Darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Ich wollte nur irgendwie die Leiche wegbekommen. Das war alles, was ich im Sinn hatte. Sonst wäre ich doch auch nicht auf die blöde Idee gekommen. Im Film geht da immer alles gleich in Flammen auf und explodiert auch noch.«
Die weiteren Fragen der Richter und des Staatsanwalts richteten sich auf den Tötungsvorsatz des Mandanten, der einräumte, dass er seine Cousine zum Zeitpunkt des Würgens zwar zunächst habe töten wollen, dann aber erklärte, dass er das später nicht mehr wollte. Da wäre es ihm nur noch um die Beseitigung der Leiche gegangen.
Es war klar erkennbar, dass das Gericht stringent darauf hinarbeitete, die für eine Verurteilung wegen Mordes erforderlichen objektiven und subjektiven Tatbestände in der Verhandlung abzuklären und zu dokumentierten.
Bei der Zeugenvernehmung geht man als Verteidiger immer planvoll vor. Man fasst generelle Vernehmungsziele ins Auge und konkrete Ziele bezüglich der durch die Ladung bekannten Zeugen. Natürlich kommt es in der konkreten Vernehmungssituation auch darauf an, auf welchen Typ Zeugen man trifft, was nicht immer aus dem Akteninhalt ersichtlich ist. Es gibt da beispielsweise den sogenannten durchgehenden Zeugen, der im Zusammenhang, gedanklich klar und meist chronologisch erzählt, den sich nicht erinnernden Zeugen und auch den, der die eigentlich gestellte Frage nicht beantwortet.
Auch macht man sich Gedanken, wie die Ziele durch eine entsprechende Vernehmungsatmosphäre am besten zu erreichen sind. So kann man versuchen, eine spürbar auf Konsens abzielende Atmosphäre zu schaffen, eine deutlich abgekühlte und versachlichte Atmosphäre oder gar eine, bei der Zeugen Druck und Stress auslösende Konfrontation suchen. Alle sogenannten Berufszeugen, wie Polizisten und Gutachter, sind gut beraten, einfach nur sachlich zu antworten. Andere Zeugen kann man durch die Gestaltung der Vernehmungsatmosphäre leichter zur Durchsetzung der konkreten Vernehmungsziele nutzen.
Der vernehmende Beamte, der meinem Mandanten die Aussage entlockt hatte, dass es ihm die ganze Zeit über darauf angekommen sei, das Opfer zu töten, konnte meine Frage, welchen Sinn es denn gehabt haben sollte, einen Tötungsvorsatz für einen Zeitraum zu gestehen, in dem der Täter davon ausgegangen sei, das Opfer bereits getötet zu haben, nicht so recht beantworten. Das Gericht sprang ihm wie vorauszusehen zur Seite und erklärte, dass der Zeuge nur zu seinen Wahrnehmungen, aber nicht zum Sinn des Geständnisses meines Mandanten aussagen könne.
Diese Frage wollte ich dennoch nicht zurückstellen. Für eine Verurteilung nach der herrschenden Rechtsprechung zu dieser Problematik kam es ja gerade nicht darauf an, ob die Mordabsicht bei jeder einzelnen der Teilhandlungen vorgelegen habe. Ich wollte jedoch in Absprache mit meinem Mandanten den Weg zur Revision offenhalten, um prüfen zu lassen, ob der Bundesgerichtshof in Strafsachen an seiner früheren Auffassung auch weiterhin festhielt.
Die ermittelnden Beamten befragte ich danach, aufgrund welcher Umstände sie auf eine Täterschaft meines Mandanten gekommen seien.
Die Beamten beantworteten die Frage mit dem Auffinden der Stoffreste und der Unterlagen zu meinem Mandanten im Haus des Opfers. Ich fragte dann, ob die Ermittlungen sich auch gegen andere Personen gerichtet hätten, wenn bei ihnen ein solches Geschirrtuch gefunden worden wäre wie bei meinem Mandanten.
Ich nahm wahr, dass mein Mandant, der bisher die Zeugenvernehmungen in der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung weitgehend teilnahmslos über sich ergehen lassen hatte, sich plötzlich aufrichtete und der Verhandlung wieder interessierter folgte. Hatte er mir nicht alles mitgeteilt, was er wusste?
Der Beamte bejahte meine Frage.
Die Folgefrage, ob denn bei den anderen Personen, die durchaus ein Tatmotiv gehabt hätten, auch nach einem solchen Tuch gesucht worden sei, konnte er nicht beantworten. Offensichtlich war man nach dem Fund schnell von einer Täterschaft meines Mandanten ausgegangen.
Die darauf mit einer weiteren Frage zielende Hypothese, dass es doch noch viele Verdächtige mehr gegeben hätte, wenn festgestellt worden wäre, dass beispielsweise bei einem Dorffest vor zehn Jahren derartige Geschirrtücher in einer Tombola zu Dutzenden verlost worden seien, beantwortete der Beamte damit, dass er von einer solchen Tombola nichts wisse.
Das wiederum beantwortete meine Frage nicht und war von ihm geschickt pariert, weil er sich auf seine Wahrnehmungen stützte, zu denen er antwortete.
Ich versuchte, mit meinen Fragen darauf abzuzielen, dass viele Verdächtige mehr in Betracht kämen, die ein Motiv und die Gelegenheit gehabt hätten, das Opfer umzubringen, und es überhaupt nicht sicher sei, dass mein Mandant der Täter sei.
Wenn der Verteidiger dann dem Gericht keine andere schlüssige Version des möglichen Tatverlaufs präsentiert, weckt er kaum Zweifel oder gar Interesse, zumal wenn ein Geständnis des Angeklagten vorliegt und alles so schön passt.
Wie schon erwähnt, war das Gutachten über die Todesursache von besonderem Interesse. Da die Verteidigung unter anderem darauf aufbaute, dass der Angeklagte das Opfer zum Zeitpunkt der eigentlichen Tötungshandlung – das Schieben des Fahrzeugs in den See – überhaupt nicht mehr umbringen wollte, war es wichtig, dass der Gutachter bestätigte, dass Frau Persokeit nicht erwürgt worden, sondern ertrunken sei.
Man nennt diese Todesart auch heute meist »Ertrinken«, obwohl seit fast zweihundert Jahren unter den Medizinern Einigkeit darüber besteht, dass die eigentliche Todesursache beim sogenannten Ertrinken das Ersticken ist, weil die Luft, die für das Leben notwendig ist, von der Flüssigkeit abgeschlossen wird.
Nun bekommt der geübte Krimi-Leser häufig zu lesen, dass bei einem Tod, der vor dem Ertrinken eingetreten ist, kein Wasser in der Lunge nachzuweisen ist, hingegen sich Wasser in der Lunge befindet, wenn das Ertrinken die Ursache ist, weil der Tote ja noch versucht habe zu atmen. Das geht aber an den vielen Möglichkeiten des Todes durch Ertrinken vorbei. Wasser, das beim Einatmen in die Lunge gerät, kann durchaus über die Lungenbläschen in den Blutkreislauf aufgenommen und wegtransportiert werden. Deshalb wird beim Tod durch Ertrinken häufig eine trockene, aufgeblähte Lunge festgestellt. Die Vorstellung, dass beim Ertrinken immer Wasser in der Lunge sein muss, ist nicht haltbar. Wie in der Strafverteidigung, so kommt es bei der Untersuchung von Todesursachen auch immer auf den Einzelfall an.
Das Opfer hier war bewusstlos, und mein Mandant hatte eine normale Atemtätigkeit schon nicht mehr feststellen können; diese war also zumindest eingeschränkt und die Lunge nicht mehr in der Lage, das Wasser in dem Umfang