Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela Reutling
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Florian trocknete Olli das feuchgewordene Fell ab. »Halt doch mal still«, ermahnte er den kleinen Hund. »Ich kann doch nix dafür, daß du bei dem Regen mal mußtest.«
Es war ein schwülheißer Tag, das Gewitter hatte sich schon lange angekündigt. Mit Donner und Blitz war es endlich niedergegangen, anschließend hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, als wollte es überhaupt nicht mehr aufhören.
Als Olli nach der Prozedur, die ihm wenig behagte, erleichtert davonsprang, trat Florian ans Fenster und spähte auf die Straße hinab. »Heute kommt Papa aber spät mich abholen«, bemerkte er.
»Kannst du es nicht erwarten?« fragte Julia. Freilich war es ungewöhnlich, daß sein Vater ihn über die Zeit bei ihr ließ.
Ihr Söhnchen drehte sich nach ihr um. »Machen wir das mal wieder, Mama, daß wir mit dem Mathias und dem Benjamin wegfahren? Das war lustig neulich. Der Benjamin, der könnt’ mein Freund sein, wo ich doch keinen hab. Ich bin immer nur mit der Annick, und mit der Oma, und auf’m Spielplatz, da sind schon ’n paar, aber die gehn immer wieder weg.«
Ja, dachte Julia, er müßte viel mehr mit Gleichaltrigen zusammensein. Man hielt ihn wie unter einem Glassturz. Das würde sich wohl erst bessern, wenn er in die Schule kam, und bis dahin war es noch fern.
»Benjamin ist sonntags bei seinen Eltern, Schatz. Sein Vater muß ja auch die ganze Woche arbeiten, dann will er in seiner Freizeit die Familie um sich haben. – Aber es wird sich schon mal wieder einrichten lassen«, schränkte sie ein, »auf alle Fälle bald mit Mathias. Den magst du doch auch?«
»Ja klar! – Mama?« Er zögerte. »Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, weil es vielleicht komisch für dich ist…«
»Was denn? Mir kannst du doch alles sagen, Florian.«
»Der Papa will noch dies Jahr die Jennifer heiraten«, platzte er heraus. »Dann wird sie meine Stiefmutter. So nennt man das doch, nicht?« Gespannt sah er seine Mutter an und wartete auf ihre Reaktion.
»Ja«, sagte Julia mit enger Stimme. »Das war zu erwarten. Komisch finde ich das nicht.«
»Aber Stiefmutter sag ich zu der nicht, und schon gar nicht Mama, nie!« erklärte Florian temperamentvoll. »Die Oma hat nämlich mal gemeint, dann würde sie meine Mama. Ist doch gar nicht wahr. Das hab’ ich auch Jennifer gesagt. Ziemlich wütend hab’ ich das gesagt. Wenn sie böse geworden wäre, wär’ mir das auch egal gewesen.« Hier holte er Luft.
»Aber darum wird sie doch nicht böse geworden sein?« fragte Julia bang.
»Überhaupt nicht! Sie hat mich nur angeguckt, guck mal so –« Er machte runde Augen und sah seiner Mutter gerade ins Gesicht, »und weißt du, was sie dann gesagt hat? Eine Mama hat man auch nur einmal, hat sie gesagt. Da konnte ich sie auf einmal richtig gut leiden. So ist sie nämlich ganz nett.«
In diesem Moment klingelte es. Schnell war Florian wieder am Fenster, er hob sich auf die Zehenspitzen. Der Papa hupte doch sonst nur zweimal kurz. Aber da unten, das war doch… »Das ist ja das Auto von Jennifer«, stieß er verblüfft hervor. »Wieso kommt die mich denn heute abholen? He, wo wir grad von ihr geredet haben.«
Julia ließ sich ihre innere Erregung nicht anmerken, als sie sich der hochgewachsenen blondlockigen Frau gegenübersah. Das sollte also ihre Nachfolgerin werden. Einen größeren Unterschied vom Typ her konnte es wohl nicht geben. Diese hier würde sich nicht von Alexander beiseiteschieben lassen.
»Ich bin Jennifer Karmann«, sagte die Besucherin mit einem leichten Lächeln. »Darf ich hereinkommen?«
»Bitte«, sagte Julia und trat beiseite. Da war Florian schon neben ihr.
»Wo ist denn mein Papa?« wollte er wissen.
»Dein Vater mußte deine Großmutter ins Krankenhaus bringen, sie hat einen Kreislaufkollaps gehabt. Er ist noch bei ihr«, erklärte Jennifer.
»Uij«, machte Florian erschrocken. »Ist das was Schlimmes?«
»Nicht so sehr, denke ich. Die Ärzte haben das schon im Griff. Frau Rodenbach hat sich schon den ganzen Tag nicht wohl gefühlt«, wandte sie sich an Julia. »Die Hitze machte ihr zu schaffen.«
»Ja, es war heute unangenehm«, stimmte Julia zu. »Es tut mir leid für die alte Dame.«
»Papa hätte ja auch anrufen können, dann hättest du nicht zu kommen brauchen«, warf Florian ein.
Aber Jennifer sah nur seine Mami an. »Ich nahm es zum Anlaß, Sie kennenzulernen, Florian«, sagte sie. »Ich denke, wir sollten uns nicht länger fremd bleiben. Sie werden wohl schon gehört haben, daß ich bald zur Familie Rodenbach gehören werde.«
Julia war etwas verwirrt, daß die andere sie ohne weiteres beim Vornamen nannte. Und lag nicht ein Hauch von Wärme in ihren Augen? Doch herb erwiderte sie: »Ich habe mit dieser Familie nichts mehr zu schaffen, auch wenn ich noch deren Namen trage.«
»Sie sind verbittert, das verstehe ich.«
»Das können Sie nicht verstehen. Sie sind keine Mutter, der man ihr Kind fortgenommen hat«, sagte Julia heftig.
»Sie betrachten Alexander als Ihren Feind«, stellte Jennifer fest. »Er war sehr hart, das stimmt. Der Junge ist nun einmal sein ganzer Stolz. Darum hat er um ihn mit allen Mitteln gekämpft. Er läßt ihm ja auch an nichts fehlen. Florian hat es sehr gut, und so soll es auch bleiben.«
Sie schaute auf den Kleinen, der sich in eine Ecke zurückgezogen und zu dem Spaniel gekauert hatte, ein Spielzeugauto hin und her schob, dessen Bewegung Olli aufmerksam verfolgte und danach tapste.
»Und ich soll mich mit dem zufriedengeben, was mir zugebilligt worden ist: drei Wochenenden im Monat«, lehnte Julia sich auf. Sie machte ihren Nacken steif. »Aber ich werde jetzt auch kämpfen um mehr! Wenn es sein muß, mit Hilfe eines Rechtsanwaltes.« Ein entschlossener Ausdruck lag um ihren Mund.
»Was haben Sie vor?« fragte Jennifer.
»Ich will mit Florian in Urlaub fahren, ihn ein paar Wochen lang für mich haben und ihn nicht immer wieder abends gehen lassen müssen«, erklärte Julia fest. »Das steht mir zu. Darüber muß ich mit seinem Vater reden.«
Florian hatte aufgehorcht. »Du willst mit mir wegfahren, Mami? Wohin?« fragte er interessiert.
»Das werde ich dir später erzählen, Florian.« Julia wandte sich wieder der Besucherin zu. »Ich habe zwar seit langem kein Wort mehr mit Alexander Rodenbach gewechselt, aber nun muß es sein. Sagen Sie ihm bitte, daß ich ihn anrufen werde.«
Jennifer Karmann nickte. »Ich werde mich auch dafür einsetzen, daß er Ihnen keine Schwierigkeiten macht.«
»Ich brauche Ihre Fürsprache nicht«, versetzte Julia kühl. »Sie würde auch nichts nützen. Bei Ihrem zukünftigen Mann gilt doch nur sein eigener Wille etwas.«
»Ich sehe das anders«, sagte Jennifer überlegen und lächelte ein wenig dabei. Aber sie wurde gleich wieder ernst. »Sie sollten mich nicht auch als eine Feindin betrachten. Ich nehme Ihnen nichts weg, auch nicht die Liebe Ihres Sohnes.«
Dann ging sie mit Florian, der sich zärtlich von seiner Mama