Omega - Die letzten Tage der Erde. Camille Flammarion
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Die neueste Nachricht war, dass der sich weiter vergrößernde Komet, wenn er einmal den thermischen und elektrischen Einflüssen der Sonne unterlag, im Moment des Aufpralls einen Durchmesser haben würde, der das 65-fache des Durchmessers der Erde oder 828000 Kilometer betrug.
So war also die gesamte Welt in einem Zustand umfassender Angst, als die Sitzung des Instituts eröffnet wurde, dessen Worte sozusagen als letztes Orakel galten.
Der Direktor der Pariser Sternwarte war natürlich als erster Redner vorgesehen; das größte Interesse der Öffentlichkeit galt allerdings der Meinung des Präsidenten der Akademie der Medizin bezüglich der wahrscheinlichen Auswirkungen des Kohlenmonoxids. Der Präsident der geologischen Gesellschaft Frankreichs sollte auch eine Rede halten, und das generelle Ziel der Sitzung war es, alle Möglichkeiten, wie unsere Erde ihr Ende finden könnte, zu überprüfen. Ganz selbstverständlich würde jedoch die Diskussion über die Kollision mit dem Kometen den ersten Platz bei den Statements einnehmen.
Nach wie vor hing der bedrohliche Stern sprichwörtlich über jedem Kopf; jeder konnte ihn sehen; er wurde von Tag zu Tag größer und näherte sich mit zunehmender Geschwindigkeit; man wusste, dass er nur noch knappe 18 Millionen Kilometer entfernt war und dass er diese Entfernung in fünf Tagen überwunden haben würde. Jede Stunde brachte diese Bedrohung um 149000 Kilometer näher. In sechs Tagen würde die besorgte Menschheit wieder frei atmen – oder gar nicht mehr.
III.
Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war eine so riesige Menschenmenge in den riesigen, halbkreisförmigen Bau geströmt, der Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gebaut worden war. Irgendwann war nicht mal mehr Platz für eine einzige weitere Person. Der Hörsaal, die Logen, die Tribünen, die Galerien, die Gänge, die Treppen, die Korridore, die Fluchtwege, alles, sogar die Stufen zur Bühne, war mit Menschen gefüllt, die saßen oder standen. Unter den Zuhörern waren der Kommissionspräsident der Europäischen Union, die Präsidenten Frankreichs und Italiens, die deutsche Kanzlerin, der spanische König, die Botschafter Indiens, Großbritanniens, Ungarns und Russlands, alle Minister, der Kardinalerzbischof von Paris, die wichtigsten Astronomen, Chemiker, Physiologen und Ärzte der Welt, eine große Zahl von Staatsbeamten und viele berühmte Schriftsteller und Künstler – kurz gesagt, eine noch nie gesehene Menge aus Vertretern von Wissenschaft, Politik, Handel, Industrie, Literatur und allen Bereichen menschlicher Kultur. Auf der Bühne befanden sich der Präsident, die Vizepräsidenten, die Staatssekretäre und Redner des Tages, aber sie trugen nicht wie sonst den grünen Mantel und den Hut ihrer Akademie, sondern einfache Zivilkleidung.
Sicherheitsbeamte, die seit den Vorfällen des 11. September weltweit solche Veranstaltungen schützten, standen gemäß den Vorschriften an allen Türen, die meisten davon allerdings mehr oder weniger teilnahmslos und untätig, anstatt die Eintrittskarten zu kontrollieren; lange vor der festgelegten Zeit war jeder Platz besetzt.
Der Präsident eröffnete die Sitzung wie folgt:
"Meine Damen und Herren: Sie alle kennen den Grund, aus dem wir uns hier versammelt haben. Noch nie musste die Menschheit eine solche Krise bewältigen. Noch nie hatte dieser historische Raum des zwanzigsten Jahrhunderts ein solches Publikum. Die Diskussion über das Ende der Welt ist bereits seit zwei Wochen das einzige Thema unter den Gelehrten. Die Ergebnisse ihrer Debatten und Forschungen sollen hier und heute bekannt gegeben werden. Ohne weitere Vorrede übergebe ich an den Direktor der Sternwarte."
Der Astronom stand sofort auf, ein paar Noten in seiner linken Hand. Er wirkte gelassen, hatte eine angenehme Stimme und ein freundliches Gesicht. Sein gesamtes Auftreten wirkte beruhigend. Er hatte eine breite Stirn und einen prächtigen Lockenkopf, dessen weiße Haare sein Gesicht einrahmten. Er war ein Mann des Wissens, der Kultur und der Wissenschaft, und seine ganze Persönlichkeit erweckte Sympathie und Respekt. Offensichtlich war er generell von optimistischer Natur, auch in Situationen großer Gefahr. Kaum hatte er angefangen zu sprechen, wurden die traurigen und ängstlichen Gesichter vor ihm plötzlich ruhig und entspannt.
"Meine Damen", begann er, "ich wende mich zuerst an Sie mit der Bitte, nicht so vor einer Gefahr zu zittern, die vielleicht doch weniger schrecklich ist, als es scheint. Ich hoffe, dass ich Sie in Kürze durch die Argumente, die ich Ihnen präsentieren darf, davon überzeugen kann, dass der Komet, dessen Annäherung vom gesamten Erdkreis erwartet wird, nicht den totalen Untergang der Erde nach sich ziehen wird. Zweifellos können und müssen wir eine Katastrophe erwarten, aber was das Ende der Welt betrifft, so veranlasst uns wirklich alles zu glauben, dass es nicht auf diese Weise geschehen wird. Welten sterben an Alter, nicht zufällig, und, meine Damen, Sie wissen besser als ich, dass diese Welt noch lange nicht alt ist.
"Meine Herren, ich sehe vor mir Vertreter aller sozialen Klassen, von den Königen der Welt bis zu unseren kleinsten Beamten. Es ist nicht verwunderlich, dass aufgrund einer so offensichtlichen Gefahr, die die Zerstörung allen Lebens bedroht, alle Geschäfte und jeder Handel ruhen. Dennoch muss ich zugeben, dass ich heute nicht zögern würde, die Wertpapiere zu kaufen, die in den letzten Tagen so tief gefallen sind, wenn die Börse nicht geschlossen und an Spekulationen interessiert wäre."
Dieser Satz war kaum beendet, als ein bekannter Amerikaner israelischer Abstammung – ein Magnat des Finanzwesens und Inhaber einer der größten Zeitschriften für Anleger – von seinem Platz in einer der obersten Reihen des Hörsaals aufstand und sich wie eine Kanonenkugel durch die Reihen zu einem der Gänge schob, der zu einem Ausgang führte, durch den er verschwand.
Nach der kurzen Unruhe, die auf diese unerwartete Reaktion auf eine rein wissenschaftliche Bemerkung folgte, fuhr der Redner fort:
"Unser Thema", sagte er, "kann man unter drei Gesichtspunkten betrachten: 1. Ist die Kollision des Kometen mit der Erde sicher? Wenn diese Frage positiv beantwortet wird, müssen wir prüfen: 2. Die Zusammensetzung des Kometen, und, 3. die möglichen Auswirkungen einer Kollision. Ich brauche ein so intelligentes Publikum wie dieses nicht daran zu erinnern, dass die prophetischen Worte "Ende der Welt", die man heute so oft hört, nur "Ende der Erde" bedeuten – ein Moment, der logischerweise für uns alle von höchstem Interesse ist.
"Wenn wir in der Lage sind, die erste Frage negativ zu beantworten, dürfte es ziemlich überflüssig sein, die beiden anderen zu betrachten, da diese dann von zweitrangiger Bedeutung wären.
"Leider muss ich zugeben, dass die Berechnungen der Astronomen in diesem Fall, wie üblich, völlig korrekt sind. Ja, der Komet wird die Erde treffen, und zwar mit maximaler Kraft, da der Aufprall frontal sein wird. Die Geschwindigkeit der Erde beträgt 29400 Meter pro Sekunde, die des Kometen 41660 Meter, plus die Beschleunigung durch die Anziehungskraft unseres Planeten. Die Anfangsgeschwindigkeit des Kontakts wird daher 72000 Meter pro Sekunde betragen. Wenn der Komet frontal auf die Erde zurast, ist die Kollision unvermeidlich, mit all ihren Folgen; der Einschlag wird aber leicht schräg erfolgen. Aber nicht aus diesem Grund sollten sie sich diese Angelegenheit weniger zu Herzen nehmen. Die Kollision an sich beweist nichts. Wenn ihnen zum Beispiel jemand sagte, dass der Zug, in dem sie sitzen, gleich in einen Fliegenschwarm fährt, würde diese Vorhersage sie vermutlich nicht besonders aufregen. Es kann gut sein, dass die Kollision unserer Erde mit diesem nebulösen Stern von gleicher Natur sein wird.
"Erlauben Sie mir nun, die beiden verbleibenden Fragen in aller Ruhe zu behandeln.
"Zunächst, wie ist der Komet zusammengesetzt? Wir wissen bereits, er besteht aus Gas, dessen Hauptbestandteil Kohlenmonoxid ist. Unsichtbar unter normalen Bedingungen, befindet sich dieses Gas in der Kälte des Weltalls (273 Grad unter Null) in einem Dampfzustand, selbst die festen Teilchen. Der Komet ist mit ihnen gesättigt. Ich werde diesbezüglich nicht im Entferntesten die Beobachtungen der Wissenschaft