Drachensonne. Thomas Strehl
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Langsam wandte er den Kopf und war nach gründlichem Absuchen der Ebene etwas enttäuscht.
Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, doch die steinige Einöde, die sich vor ihm auftat, begeisterte ihn nicht.
Talkien hatte bei der letzten Rast im Wald die Karte studiert und hatte ihm bereits eröffnet, dass sie die Baumgrenze erreichen würden, doch Swon hatte sich etwas mehr davon versprochen.
Wahrscheinlich hatte er insgeheim damit gerechnet, schon einen Blick auf die rote Stadt erhaschen zu können.
So jedoch wusste er, dass ihm mindestens zwei weitere Tage im Sattel bevorstanden, und obwohl er sich in letzter Zeit beinahe an den Geruch von Leder und Pferdeschweiß gewöhnt hatte, spürte er doch keine rechte Leidenschaft dafür.
Gegen einen Tag Pause, ein frisch gekochtes Mahl und eine Nacht in einem weichen Bett hätte er nichts gehabt.
Doch Kandelar war nicht in Sichtweite, und seine Träume und Sehnsüchte würden noch etwas warten müssen.
Wenn es diesen Tag Pause überhaupt jemals geben wird, dachte er.
Denn noch immer trieb der Jäger zur Eile und noch immer beschränkten sich ihre Pausen auf wenige Augenblicke Schlaf, etwas zu essen und das Versorgen der Pferde.
Talkien hatte die Karte vor sich auf dem Sattel ausgebreitet und studierte die Zeichnungen darauf.
Dann betrachtete er, in einem weiten Kreis reitend, den Boden.
»Er ist immer noch vor uns«, stellte der Jäger fest.
Er nannte keinen Namen, doch Swon wusste auch so, wer gemeint war. Die Gedanken Talkiens kreisten nur um den Mann, den sie verfolgten.
Der Junge warf einen weiten Blick in die Ebene und betrachtete ebenfalls den Boden, der von Pferdelänge zu Pferdelänge steiniger wurde. Und er ahnte, dass es von nun an weit schwieriger werden würde, der Spur des Lords zu folgen.
Talkien ließ sich davon nicht beeindrucken. Er schien etwas gefunden zu haben, denn er drehte sein Pferd um einen Felsen und winkte den Jungen zu sich.
Swon drängte den Rotbraunen neben den Schimmel und folgte dem ausgestreckten Arm des Jägers.
»Er hat hier eine längere Pause gemacht«, sagte Talkien triumphierend.
Und Swon bemerkte nun auch die notdürftig verdeckten Überreste eines Feuers und einige schwarze Haare, die in einem der dornigen Büsche hingen.
»Wir haben aufgeholt«, stellte Talkien mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme fest.
»Der Schwarze scheint einige Zeit damit verbracht zu haben, sein weiteres Vorgehen zu überdenken.« Er zeigte in die Ebene. »Und doch führt ihn sein Weg nun nach Kandelar.« Er runzelte die Stirn. »Eigentlich hatte ich fest damit gerechnet, dass er die Stadt umgeht.«
Er zuckte die Achseln. »Und wenn schon«, sagte er. »Das ändert nichts an unserem Plan. Wir werden uns wiederholen, was uns gehört.«
Welchen Plan sie hatten, konnte Swon nicht genau erkennen, und die gute Laune des Jägers konnte er erst recht nicht teilen.
Die Aussicht, dem Unheimlichen näher zu kommen, beunruhigte ihn, und das Verlassen der Bäume vermittelte ihm ein Gefühl von Schutzlosigkeit.
Trotzdem blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Pferd anzutreiben und dem Jäger in die steinige Ebene zu folgen.
Und obwohl er die Umgebung ganz genau im Auge behielt, bemerkte er nicht, dass sie schon seit geraumer Zeit verfolgt wurden...
Jonaas erwachte gut erholt. Er hatte tief und fest geschlafen, ohne von bösen Träumen verfolgt zu werden, ohne beunruhigt zu sein vom Chaos der Welt.
Er wusste nicht, inwieweit die Anwesenheit des weißen Hirsches dafür verantwortlich war, wusste nur, dass er sich seit der Ankunft des mächtigen Tieres deutlich besser fühlte.
Lange nicht mehr so hoffnungslos und schwach.
Er reckte und streckte sich, verzog ein wenig das Gesicht, als er seine verletzte Schulter zu sehr dehnte, doch auch dieser kleine Schmerz konnte seinen Tatendrang nicht mindern.
Er fühlte sich gut, bereit, es mit jedem aufzunehmen, und sei er auch noch so schwarz.
Jonaas sah sich auf der Lichtung um, der Hirsch stand etwas abseits und äste, als er jedoch bemerkte, dass der Junge erwacht war, trabte er auf ihn zu.
»Es geht dir wieder gut«, stellte er mit einem Blick fest.
»Ja, danke.« Jonaas kramte in seinen Taschen. »Und es wird mir noch besser gehen, wenn ich etwas gegessen habe.«
Noch vor wenigen Stunden hätte er laut losgelacht, wenn ihm jemand von einem sprechenden Hirsch erzählt hätte, und selbst vor seinem Schlaf war ihm die Sache noch merkwürdig vorgekommen.
Nun jedoch war alles anders.
»Vieles hat sich verändert«, hatte Gwayhier gesagt, und der Junge musste ihm beipflichten.
Er zog getrocknetes Fleisch aus seinem Rucksack, biss einen Streifen davon ab, kaute genüsslich und spülte es mit einem Schluck Wasser herunter.
Der Hirsch beobachtete ihn dabei.
»Auch was?«, fragte der Junge mit vollem Mund.
»Niemals«, fuhr ihn der Weiße angewidert an. Er sah Jonaas durchdringend an. »Ist das Wild? Reh oder Hirsch, Schwein oder Hase?«
Jonaas lief rot an. Er ließ das Fleisch augenblicklich in seinem Beutel verschwinden und förderte etwas Obst zum Vorschein.
»Entschuldige«, stotterte er. »Ich habe nicht nachgedacht.«
»Eine herausstechende Tugend eurer Art«, schnaufte der Hirsch. Dann reckte er die Nase in die Luft und schnupperte.
»Wir sollten nicht mehr lange hier verweilen«, sagte er. »Das Wetter ändert sich.«
Jonaas nahm noch einen Schluck Wasser, vergewisserte sich, dass sein Trinkbeutel noch zu Hälfte gefüllt war, und rollte dann seine Decke zusammen.
»Ich bin fertig«, sagte er dann, und Gwayhier trat auf ihn zu.
»Dann spring auf«, sagte das mächtige Tier.
Jonaas zögerte. »Ich soll wirklich ...?«
»Mach schon, bevor ich es mir anders überlege«, grollte der Weiße, und der Junge legte eine Hand auf den Rücken des Tieres und schaffte es unter Zuhilfenahme des Baumstumpfes aufzusteigen.
Gwayhier schüttelte sich vorsichtig, um Jonaas richtig zu positionieren, sagte dann nur noch: »Halt dich in meiner Mähne fest«, und setzte sich in Bewegung.
Es schaukelte mächtig, und anfänglich kamen sie nur langsam voran.
Erstens,