Unter den Narben (Darwin's Failure 2). Madeleine Puljic

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Unter den Narben (Darwin's Failure 2) - Madeleine Puljic Darwin's Failure

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style="font-size:15px;">      »Bist du verrückt?« Kelak sah alarmiert zur Tür, doch die blieb geschlossen. »Ich habe gesagt, du sollst still sein!«, zischte er. »Willst du dafür sorgen, dass man uns beide degradiert?«

      »Blödsinn.« Natürlich wollte er nicht degradiert werden. Da konnte er gleich seine Kündigung einreichen und versuchen, sich auf Bedienungshilfe umstrukturieren lassen. Aber selbst wenn der Alte sich über ihn beschwerte – seine Quoten waren gut, und er tat, was von ihm verlangt wurde: den Stundenaufwand unauffällig nach oben treiben, sodass der Gewinn ihrer Firma größer ausfiel.

      »Vielleicht solltest eher du deine Eignung überprüfen lassen«, meinte Kelak. »Oder stellst du dich einfach nur dumm?« Erneut zuckte sein Blick zur Tür. »Das ist nicht irgendein Auftraggeber. Das ist O. G. Esser!«

      Damit hatte er plötzlich Farans volle Aufmerksamkeit. »Der Orson Esser?«

      Kelak nickte.

      Ohne weitere Umschweife wandte Faran sich wieder seinen eigenen Aufgaben zu. Er versuchte nicht länger, Zeit zu schinden, sondern arbeitete konzentriert und effizient. Er fragte nicht, ob sein Kollege sich sicher war, was die Identität ihres Auftraggebers anging. Diese Erklärung war zu logisch. Er musste auch nicht länger überlegen, was der alte Knacker mit der besten Laborausstattung wollte, die man für Geld und Einfluss kaufen konnte.

      Orson G. Esser war Hauptsponsor des N4-Centers gewesen. Das letzte Forschungsprojekt, an dem er aktiv beteiligt gewesen war, hatte die neue Generation hervorgebracht: die verbesserte Optimierung. Klone, deren Gene direkt aus dem Datenpool zur bestmöglichen Funktionalität zusammengesetzt werden konnten. Jedes führende Mitglied der Gesellschaft gehörte der neuen Generation an. Dieser Mann war der Vater der Menschheit, wie Faran sie kannte, und egal, was er mit dieser Ausrüstung vorhatte – es war nichts, dem Faran im Weg stehen wollte.

      Das zweite Signal sprang auf Grün.

      Ramin

      Der Tod lag über Noryak, solange Ramin denken konnte, und vermutlich schon etliche Jahre länger. Bisher war es das schleichende Gift des Smogs gewesen, welches die Stadt erstickte; der Hunger, der sie zerfraß. Nun hatte der Tod ein anderes Gesicht bekommen. Ebenso hässlich, doch weniger verborgen. Er war willkürlich geworden, gierig und brutal. Menschlich.

      Ein leises Pling ertönte, und die Fahrstuhltür öffnete sich vor Ramin. Er stieg aus, überquerte den mit kalten Steinfliesen verkleideten Gang und trat in den nächsten Aufzug, der ihn weiter nach oben bringen würde. Es dauerte eine Sekunde, ehe der Sensor seinen Mikrochip erkannte und die Berechtigung für den Zugang zu den gesicherten Ebenen akzeptierte. Das Bedienfeld aktivierte sich. Ramin legte den Finger auf die oberste Taste.

      Jedes Mal diese Verzögerung. Und jedes Mal fürchtete er, dass seine Farce aufflog, dass statt der Freigabe ein Alarm ausgelöst wurde. Viel zu lange spielte er bereits dieses Spiel. Es konnte nicht ewig gut gehen.

      Ramin musste sich zusammenreißen, um nicht über die schwulstige Narbe in seinem Nacken zu tasten, die unter dem Haaransatz verborgen lag. Narben waren verräterisch, und er trug zu viele davon. Klone und Optimierte erhielten den Chip im embryonalen Stadium, um ihre Entwicklung schon in dieser frühen Wachstumsphase in die gewünschte Richtung zu fördern. Ramin hatte seinen Chip von einem Schwarzhändler erstanden und ihn sich eigenhändig ins Fleisch geschoben. Eine falsche Identität, ein falsches Leben. Und wofür das alles?

      Die Intrigen hatten ihren Reiz verloren, das Risiko, dem er sich aussetzte, war nichts mehr im Vergleich zu dem, was dort draußen im wahren Leben geschah. Es gab nichts, das er noch erreichen konnte, außer aus großer Entfernung zuzusehen, wie der Tod Noryak endgültig besiegte.

      Da ertönte ein weiteres Pling, und Dunkelheit tat sich auf vor ihm. Ramin trat ins Freie und blickte auf, sah die Schwärze über sich, und darin … Sterne. Kleine, ferne Lichter, die in dem Nichts dort oben glänzten. Wie immer bei diesem Anblick befiel ihn ein leichter Schwindel. Er hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Hastig tastete er hinter sich, suchte Halt an der Wand des Fahrstuhls. Der Himmel. Die Unendlichkeit. Die Freiheit. Dinge, an die er sich noch immer nicht gewöhnt hatte und an die er sich wohl auch niemals gewöhnen würde. Selbst dem Großteil der Oberschicht war diese Erfahrung verwehrt. Seit dem Fall des N4-Centers war der Regierungssitz das einzige Gebäude, das aus der Smogschicht herausragte, kaum jemand hatte Zutritt zu diesem Dach.

      Und ausgerechnet Ramin, der aus der Gosse kam und selbst aus dem Kloster verstoßen worden war, gehörte zu den wenigen Auserwählten, die diese wundersamen Sterne sehen durften. Gerade er, der so viele Jahre lang den Glauben gelehrt hatte, hätte wohl argwöhnen müssen, dass Gott ihn zu einem höheren Zweck an diese Position gebracht hatte – wie ein Werkzeug, das bereitgelegt wurde und auf seinen Einsatz wartete. Aber für Ramin zählte nur die größte Wahrheit des Glaubens: Gott scherte sich einen Dreck um seine Schöpfung. Er hatte sie längst aufgegeben und wartete bloß noch darauf, dass sie sich selbst zerstörte.

      Und wie es aussah, war die Menschheit auf dem besten Weg dorthin.

      Ramin trat auf die Umrandung des Daches zu. Ohne den Smog hätte man von hier aus die verfluchte Stadt überblicken können. Jedenfalls einen Teil davon. Sie erstreckte sich weiter, als man selbst von hier oben sehen konnte. Und dahinter ... Ödnis. Vergiftetes Land, das Noryaks Müll schlucken musste. Und die Leute wunderten sich, dass sie hungern mussten?

      Aufständische niederzuschießen würde diese Probleme nicht lösen. Präsident Sepion und seine Handlanger begriffen nicht, wozu Hunger und Verzweiflung Menschen treiben konnten. Ramin schon. Er hatte es am eigenen Leib erfahren. Er würde diese Gewalt niemals unterschätzen, genauso wenig wie die Macht menschlicher Entschlossenheit.

      Nachdenklich legte Ramin die Hände um die Brüstung, fühlte das kalte Metall an seiner Haut. Entschlossenheit …

      Er war kein Werkzeug, das platziert worden war. Aber er war hier. Ein Natürlicher, dem die mächtigsten Klone der Stadt ihr Ohr leihen mussten, ob sie wollten oder nicht. Da konnte er ihnen auch die richtigen Dinge einreden.

      Gewalt war nicht die einzige Lösung, um einen Krieg zu beenden.

      Haron

      Der Weg war lang. Und mühsam. Haron hörte das gleichmäßige Schnaufen seines Begleiters hinter sich. Mit der Metro hätten sie die Strecke in einer halben Stunde zurückgelegt, aber Haron machte sich nichts vor: Ihre Verkleidung aus abgelegten Arbeitsoveralls und genug verhüllenden Stoffen, um ihre Narben zu verdecken, mochte einem flüchtigen Blick standhalten. In der Enge der überfüllten Metros hätte man sie jedoch unweigerlich als das erkannt, was sie waren.

      Die meisten Passagiere würden auf dem Weg von oder zur Arbeit sein – und damit eindeutig zu jener Fraktion gehören, die nicht gut auf Puristen zu sprechen war. Ein Risiko, das Haron nicht bereit war, einzugehen. Also führte er seinen Begleiter durch die engen, vergessenen Seitengassen der Stadt, zwischen Müll, Schutt und Verfall hindurch, bis die schmucklose Mauer des Klosters vor ihnen aufragte.

      »Wir sind da«, sagte er.

      Hemmon zog die Augenbrauen zusammen. »Hier willst du Unterstützung finden?«, fragte er.

      Haron konnte seine Zweifel nachvollziehen. Das Gebäude war schlicht und nur wenige Stockwerke hoch, ohne technische Spielereien oder aufwendige Sicherheitsvorrichtungen. Abgesehen von seiner schieren Größe gab es nichts, was es von den umliegenden Häusern unterschieden hätte. Außerdem wirkte es heruntergekommen. Seit Harons letztem Besuch war die Fassade mit unflätigen Sprüchen beschmiert worden. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zu entfernen.

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