Unter den Narben (Darwin's Failure 2). Madeleine Puljic

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Unter den Narben (Darwin's Failure 2) - Madeleine Puljic Darwin's Failure

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werden sehen.« Es war der einzige Ort, an dem er noch irgendwelche Forderungen stellen konnte. Hier hatte er Verbündete, zumindest im Geiste. Von den Geschäften, die er mit dem Kloster geführt hatte und Xenos vor ihm, wussten die meisten Puristen jedoch nichts. Wenn es nach Haron ging, würde das auch so bleiben.

      Er trat an das Eingangstor. Bei seinem ersten Besuch hatte er noch nach einem Sensorfeld Ausschau gehalten oder nach einer mechanischen Klingel, wie sie in den Arbeitervierteln üblich waren. Inzwischen wusste er es besser. Er hieb mit der Faust gegen das Tor.

      Niemand reagierte.

      »Sieht ziemlich verlassen aus, wenn du mich fragst«, meinte Hemmon.

      Haron wollte ihn bereits zurechtweisen, als er etwas hörte. Stimmen, im Inneren des Gebäudes. Er hämmerte erneut an das Tor. Die Stimmen verstummten. Als niemand Anstalten machte, ihnen zu öffnen, verlor Haron die Geduld. Er warf seine Schulter gegen das rostige Metall. Nach kurzem Zögern tat Hemmon es ihm gleich, und gemeinsam drückten sie das massive Tor auf.

      Staubige, abgestandene Luft wehte ihnen entgegen. Die Eingangshalle war leer und verwaist, in den Ecken sammelte sich Staub. Beunruhigung machte sich in Haron breit, aber er ließ sich nichts davon anmerken. Mit ausgreifenden Schritten durchquerte er die Halle. Ein leises Huschen war zu hören, das sich rasch entfernte. Also hatte er sich nicht getäuscht: Jemand war hier. Wieso kam dann niemand, um sie zu empfangen?

      Er führte Hemmon in den Flur, von dem die Arbeitsräume der Priester abzweigten. Jedenfalls das eine Büro, das er kannte. Auch hier hatte sich einiges verändert. Die Tische, die den Gang säumten, waren leer, einer lag in Trümmern. Der Boden war fleckig, und von den Wänden bröckelte der Putz, als habe jemand zu oft darauf eingeschlagen. Aus einem Zimmer drang die monotone Stimme eines Nachrichtensprechers, untermalt von den Geräuschen der Aufstände. Irgendwo weinte ein Kind.

      Haron deutete seinem Begleiter, zurückzubleiben. Was auch immer sie erwartete – er wollte derjenige sein, der die Situation als Erster einschätzte. Hemmons Reaktion traute er noch weniger als seiner eigenen.

      Vorsichtig schob er sich an den Raum heran, aus dem die Geräusche drangen, und stieß die Tür auf. Sie glitt widerstandslos nach innen. Ein ununterbrochenes, wütendes Gemurmel wurde hörbar. Haron straffte die Schultern. Hemmon durfte ihn nicht zögern sehen, also trat er in das Halbdunkel des Arbeitszimmers. Es stank nach altem Schweiß, Talg und Urin. Im Flackern des Monitors erkannte er die verlotterte Gestalt, die hinter dem Schreibtisch hockte.

      »Lorio«, sagte er.

      Der Abt verstummte, nur seine Finger tasteten weiter über die Tischfläche. Sein Kopf ruckte zur Seite, sodass das lange, fettige Haar den Blick auf sein hageres Gesicht freigab. Dem Geruch im Zimmer nach zu urteilen, hatte er sich seit Wochen nicht mehr aus dem Raum bewegt, geschweige denn gewaschen.

      »Sie brennen.« Seine Stimme klang heiser. Unbenutzt. Wie auf sein Kommando erschienen Feuerbilder auf dem Bildschirm und warfen ihr orangefarbenes Licht auf den Abt. »Sie werden alle brennen. Die Ungläubigen, die unnatürlichen Bastarde in ihren Türmen.« Er hob den Kopf und sah Haron an. »Deshalb bist du doch hier, nicht wahr?«

      »Ich …« Das kalte Funkeln in Lorios Augen ließ Haron stocken. Was war mit dem jungen Mann geschehen? »Ja, das ist unser Plan. Allerdings benötigen wir dafür noch weitere Ressourcen. Mit der Unterstützung des Klosters …«

      Lorio kicherte. Dann richtete er sich auf, legte den Kopf in den Nacken und lachte, laut und anhaltend. »Du willst Unterstützung?«, fragte er. »Von mir?«

      »Wir hatten eine Vereinbarung«, erinnerte Haron ihn drohend. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Hemmon seinen Tonfall erkannt und sich breitschultrig neben ihn gestellt hatte.

      Den schmutzigen Priester schien das allerdings nicht zu beeindrucken. »Ja, die hatten wir. Du treibst mit deinen Aufständen die Menschen in meine Gebetsstätten, und ich helfe dir, die Klone zu stürzen.« Er breitete die Arme aus. »Dank deiner Kriegsspiele verfüge ich aber über keine Gebetsstätten mehr. Sie haben mit mir gebrochen. Ich habe keine Mittel mehr, und für dich schon gar nicht.«

      Haron biss die Zähne zusammen und zwang seine Wut nieder. »Wir haben getan, was du wolltest. Dass du deine Priester nicht im Griff hast, ist dein Problem, nicht unseres.«

      »Pass auf, was du sagst, Krüppel!«, fauchte Lorio.

      Haron spürte eine Bewegung an seiner Seite. Sein Begleiter spannte die Muskeln an, bereit, dem Priester eine Lektion zu erteilen. Haron hielt ihn zurück.

      Der Abt verzog die schmalen Lippen zu einem abfälligen Grinsen. »Du bist hier in meinem Haus, vergiss das nicht. Diesmal bist du derjenige, der etwas von mir will, nicht umgekehrt.« Er zuckte mit den Schultern. »Dein Ressourcenmangel geht mich nichts an. Ich habe euch bezahlt. Euer Plan ging nach hinten los. Sei ein Mann und akzeptiere das.«

      Schneller, als einer der beiden anderen reagieren konnte, hatte Haron den Widerling am Kragen gepackt und zog ihn über die Tischplatte heran. Der Gestank des Priesters biss ihm in die Nase, doch Haron war Schlimmeres gewohnt.

      »Was weiß ein Wurm wie du schon davon, zu seinen Fehlern zu stehen?«, zischte er. »Du wolltest groß hinaus, hast dafür sogar deinen eigenen Mentor ermordet. Und jetzt zerfällt dein kleines, idiotisches Imperium unter deinen Händen.« Er stutzte, als ihm die Parallele zu seinem eigenen Aufstieg bewusst wurde. Aber er hatte sich rechtzeitig wieder unter Kontrolle, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. »Der Krieg fordert von uns allen Opfer«, fuhr er fort. »Wir kämpfen wenigstens für unser Recht. Du dagegen hast dich aus reinem Egoismus zerstört.« Er stieß den stinkenden Mann von sich. »Leb mit deiner Schande.«

      Lorio stolperte rückwärts. Er tastete nach seinem Hals. »Raus hier«, keuchte er.

      Haron erkannte, dass weitere Worte sinnlos waren. Aus dem Kloster war nichts herauszupressen. Er kannte den Ausdruck in den Augen des Abtes gut genug, um zu wissen, was da unter seinem Wahnsinn lauerte: Hunger.

      »Lass uns gehen«, sagte er, an seinen Begleiter gewandt. »Hier gibt es nichts für uns.«

      »Du willst ihn mit seinen Beleidigungen davonkommen lassen?«, brummte Hemmon. Zum Glück erst, als sie auf den Gang hinausgetreten waren. Der Mann wusste, wann er den Mund zu halten hatte.

      »Was gewinne ich, wenn ich dich den Burschen verprügeln lasse?«, entgegnete Haron. »Man kann nichts aus jemandem herauspressen, wenn nichts vorhanden ist.«

      Er wollte sich dem Ausgang zuwenden, aber etwas hielt ihn zurück. Jetzt, da sie Lorios Büro hinter sich gelassen hatten, war das Wimmern des Kindes wieder zu hören, lauter als zuvor. Harons Eingeweide krampften sich zusammen. Er folgte dem Laut, von einem inneren Drang erfüllt, das Unglück mit eigenen Augen zu sehen. Er musste nicht lange suchen.

      Es war leerer Raum, der wohl einmal für den Unterricht benutzt worden war. Die Staubschicht auf den Tischen verriet jedoch, dass er schon seit geraumer Zeit nicht mehr benutzt wurde.

      Haron ging in die Knie. Unter dem hintersten Tisch fand er den Jungen. Sieben, vielleicht acht Jahre alt, abgemagert fast bis auf die Knochen, die Hände auf den aufgeblähten Bauch gepresst. Lorio hatte die Wahrheit gesagt. Er besaß keine Mittel mehr, nicht einmal für seine eigenen Schützlinge, falls er sie denn je als solche gesehen hatte.

      Der Novize hob den Kopf, sah Haron aus viel zu großen, wässrigen Augen an.

      Haron stieß den Atem aus, den er angehalten hatte, ohne es zu

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