Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda
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»Du machst ja sehr eifrig Reklame.«
»Reklame? Wieso? Was ist das?« Als Anselm merkte, dass Irene etwas unglücklich dreinsah, fügte er hinzu: »Sei nicht traurig, du gefällst mir auch so. Ich mag dich sehr gern.«
»Ach, du hast schon recht. Ich muss etwas gegen die Pickel unternehmen. Aber wenn ich morgen in den Kosmetiksalon gehe, kann ich dich nicht besuchen.«
»Geh am Vormittag.«
»Da habe ich keine Zeit. Ich muss mich um meinen Haushalt und um den Garten kümmern.«
»Melde dich bei Frau Kaufmann telefonisch an, da brauchst du dann nicht zu warten. So machen es viele.«
»Du scheinst dich gut auszukennen.«
»Früher war ich oft bei Mami und bei Frau Kaufmann im Geschäft.« Anselm seufzte.
Er hat Sehnsucht nach seiner Mutter, dachte Irene. Doch seine folgenden Worte widerlegten diese Annahme.
»Aber viel lieber war ich bei meiner Großmutti.«
Irene war inzwischen aufgefallen, dass Anselm immer nur von seiner Mutter und von seiner Großmutter sprach. Seinen Vater hatte er bisher noch kein einziges Mal erwähnt. Doch obwohl Irene alles, was den Jungen betraf, sehr interessierte, wagte sie keine Frage.
Mittlerweile waren sie in Bachenau angelangt, und Anselms Wunsch, Billie kennenzulernen und ihn zu streicheln, ging in Erfüllung. Billie erfreute sich bereits wieder bester Gesundheit. Er begrüßte sein Frauchen mit einem lauten Kläffen und heftigen Wedeln seines Stummelschwanzes.
Anselm war von der neuen Bekanntschaft begeistert, und auch Billie schien an dem zweibeinigen Spielgefährten Gefallen zu finden. Natürlich hielten sich Irene und Anselm wesentlich länger als geplant gewesen war, im Tierheim auf. So kam es, dass Otmar schon längst zu Hause war, als Irene endlich eintraf.
Irene erwartete, dass er sie fragen würde, wo sie gewesen war, doch er erkundigte sich nur, wann das Abendessen fertig sein würde.
»Das …, das Abendessen?«, stotterte sie und sah auf die Uhr. »Ich habe vergessen, die notwendigen Lebensmittel einzukaufen. Und jetzt ist es zu spät. Die Geschäfte haben bereits geschlossen.«
»Dann werden wir also heute hungern?«, fragte Otmar in einem sarkastischen Tonfall.
»Nein. Es ist genügend Brot da, und im Kühlschrank habe ich Schinken und eine Menge Eier. Ich werde für dich ein Schinkenomelett machen. Das ist schnell fertig.«
»Meinetwegen brauchst du dich nicht zu bemühen. Ich gehe in ein Restaurant essen.«
Statt zu protestieren und ihn zu bitten, doch daheimzubleiben, wie es bisher ihre Gewohnheit gewesen war, schien Irene voll und ganz mit dieser Idee einverstanden zu sein. »Ja, du hast recht. Geh nur, dort bekommst du sicher etwas Ordentliches zu essen.«
»Nun, wenn ich es mir so recht überlege …« Otmar zögerte.
»Nein, ein Schinkenomelett ist zuwenig. Es war dumm von mir, dass ich es dir angeboten habe.«
Nach diesen Worten blieb Otmar nichts anderes übrig, als sich in das nächstgelegene Restaurant zu begeben. Dort bestellte er sich einen Zigeunerspieß auf Reis. Als ihm dieser nach geraumer Wartezeit serviert wurde, fand er das Fleisch zäh und den Reis matschig und geschmacklos. Er ärgerte sich über Irene, weil sie es abgelehnt hatte, ihm ein Schinkenomelett zuzubereiten.
Irene kramte unterdessen in einem Karton, in dem sie verschiedene Stoffreste aufgehoben hatte. Irgendwo muss doch der Plüschrest sein, dachte sie dabei. Sie hatte im vorigen Winter für Erikas kleine Tochter einen weißen Kapuzenmantel genäht, und dabei war ein Stück des Stoffes übriggeblieben. Aha, jetzt fiel es ihr wieder ein. Sie hatte ihn extra in einem Papiersäckchen verstaut.
Nachdem sie den Plüschrest gefunden hatte, breitete sie ihn auf dem Küchentisch aus und betrachtete ihn nachdenklich. Es war ein verhältnismäßig großes Stück. Irene hatte vor, daraus einen Plüschhasen für Anselm anzufertigen. Aus dem Karton holte sie noch ein Restchen rosa Seide, um damit die Ohren zu füttern, und begann sofort mit dem Zuschneiden. Die Arbeit verlangte ihre volle Konzentration. Daher konnte sie keinen einzigen Gedanken an Otmars Nahrungssorgen verschwenden.
*
Den folgenden Tag widmete Irene der Verschönerung ihrer Person und einem neuerlichen Besuch in Sophienlust. Diesmal vergaß sie jedoch nicht, für das Abendessen Vorsorge zu treffen. Trotzdem lieferte sie Otmar einen Grund, ihr wiederum eine Rüge zu erteilen.
Otmar war, nachdem er das sorgfältig zubereitete Abendessen mit Behagen verspeist hatte, in seinem Arbeitszimmer verschwunden. Von dort rief er plötzlich mit lauter Stimme: »Irene, komm her! Was soll das bedeuten?«
Erschrocken erschien sie. »Was ist los?«
Er deutete auf seinen Schreibtisch, auf dessen Platte sich noch Abfälle, die vom Spitzen seiner Bleistifte herrührten, befanden.
Irene folgte seiner Geste mit verständnislosen Blicken. »Du hast deine Bleistifte gespitzt und den Mist auf deinem Schreibtisch liegenlassen. Hast du mich deshalb gerufen?«, fragte sie.
»Warum hast du das nicht weggeräumt?«, lautete seine Gegenfrage.
»Ich habe es nicht gesehen.«
»Es liegt aber schon seit gestern da.«
»Ich habe heute dieses Zimmer nicht betreten.«
»Hast du nicht aufgeräumt?«
»Nein. Wozu? Es ist ohnedies alles in Ordnung. Sei froh, dass ich heute nicht Staub gewischt habe. Du ärgerst dich jedes Mal, wenn deine Sachen nicht mehr an genau der gleichen Stelle liegen wie vor dem Aufräumen.«
»Über diesen Mist hier ärgere ich mich auch.«
»Er stammt von deinen Bleistiften, die du selbst gespitzt hast. Du hättest ihn gleich beseitigen können. Außerdem weiß ich genau, dass du mich bloß schikanieren willst.« Mit diesen der Wahrheit entsprechenden Worten, die Otmar trotzdem überraschten, verließ Irene den Raum.
Otmar fegte mit einer einzigen Handbewegung die Abfälle in den Papierkorb. Dann setzte er sich und dachte nach. Früher war ihm Irenes liebevolle Aufmerksamkeit immer auf die Nerven gegangen. Ihr jetziges kühles und gleichgültiges Verhalten ihm gegenüber gefiel ihm aber noch viel weniger. Es verblüffte ihn. Er war sich jedoch darüber im Klaren, dass er den Grund dafür sich selbst zuzuschreiben hatte.
Damals, als Irene, ohne ein Wort zu verlieren, den Hund weggeschafft hatte, war er erleichtert gewesen. Er hatte seine unbeherrschte und grausame Handlungsweise beinahe sofort bereut. Aber es war nun einmal geschehen. Er schämte sich und hatte gehofft, dass Irene ihm stillschweigend verzeihen würde. Aber nun wurde ihm klar, dass das nicht der Fall war. Er musste sich zu einer Aussprache mit ihr aufraffen. Leicht fiel ihm das nicht.
Zögernd betrat er das Wohnzimmer, Irenes Lieblingsraum, aber sie war nicht hier. Sollte sie schon zu Bett gegangen sein? Schließlich fand er sie in der Küche, wo sie auf dem Tisch ihr Nähzeug ausgebreitet hatte.
»Was tust du hier? Warum hältst du dich ausgerechnet in der Küche auf?«, fragte er erstaunt.