Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda
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Als Dr. von Lehn ihr dann den Vorschlag gemacht hatte, Billie bis zu seiner Genesung im Tierheim Waldi u. Co. unterzubringen, hatte sie erleichtert zugestimmt. Sie hatte zwar den Verdacht gehabt, dass er ihr dieses Angebot nur gemacht habe, weil er Bedenken hatte, ihr den Hund anzuvertrauen, aber das war ihr egal gewesen. Hauptsache war für sie, dass Billie wieder gesund wurde und dass Otmar nicht in seine Nähe kam.
Irene hatte sich von Billie getrennt und war zurück nach Maibach gefahren. Ihr Mann war nicht mehr in seinem Arbeitszimmer gewesen, aber auch nicht in einem anderen der zahlreichen Räume der Villa. Er war wieder weggegangen. Irene war darüber erleichtert gewesen. Seine Abwesenheit hatte ihr Muße gegeben, über die Situation nachzudenken.
Da saß sie nun, auf einem weichen Fauteuil, vor einem niederen Tischchen, in einem wunderbar aufgeräumten Zimmer. Aber im Augenblick gewährte ihr die Umgebung keinerlei Trost, obwohl sie sich für gewöhnlich gern in dem großen Wohnzimmer mit den altmodischen Möbeln, die Otmar zusammen mit der Villa geerbt hatte, aufhielt. Sie hatten nur das Schlafzimmer und zwei Gästezimmer neu eingerichtet. In den übrigen Räumen hatten sie die alten Möbel, unter denen sich einige wertvolle Stücke befanden, gelassen.
Otmars Stimme, als er sie zum ersten Mal durch das Haus geführt hatte, klang Irene noch immer im Ohr.
»Hier soll unser Schlafzimmer sein. Dieser Raum und der anschließende sind die ruhigsten Zimmer im ganzen Haus. Außerdem haben sie den Vorteil, dass gleich gegenüber das Badezimmer liegt. Natürlich müssen sie hergerichtet werden, und das alte Gerümpel muss entfernt werden.«
»Und was hast du mit dem anschließenden Zimmer vor?«, hatte Irene gefragt und die Verbindungstür geöffnet.
»Das soll das Kinderzimmer werden«, hatte Otmar, ohne zu zögern, erwidert.
Irene war rot geworden und hatte etwas von abwarten und Tee trinken gemurmelt, doch Otmar hatte weitergeredet, ohne ihren Einwurf zu beachten.
Otmar hatte die Einrichtung des Kinderzimmers mit so viel Begeisterung geplant, dass Irene von Anfang an klargewesen war, dass er unbedingt Kinder haben wollte und ein liebevoller Vater werden würde. Sie hatte sich darüber gefreut, denn auch sie liebte Kinder.
Diese Liebe hatte sogar ihre Berufswahl bestimmt. Vor ihrer Ehe war sie Lehrerin gewesen. Sie hätte ihren Beruf gern weiterhin ausgeübt, aber Otmar war dagegen gewesen. Kurz nach ihrer Heirat war an Otmars Arbeitsplatz, der Kreissparkasse in Maibach, die Stelle des Vorstandsstellvertreters freigeworden, und Otmar hatte sie erhalten. Dieser Aufstieg war mit einer Gehaltserhöhung verbunden gewesen. Damals hatte Otmar gesagt: »Du hast es jetzt nicht mehr nötig zu arbeiten. Wir können uns sogar eine Putzfrau leisten. Trotzdem gibt es für dich noch genug zu tun. Das Haus ist groß, und außerdem haben wir mit dem Garten eine Menge Arbeit. Sobald wir Kinder haben, wirst du voll ausgelastet sein.«
Sobald wir Kinder haben … Das war eine Redewendung, die Otmar häufig in den Mund genommen hatte. Auch Irene hatte Luftschlösser gebaut. Nur war sie etwas bescheidener gewesen als Otmar. Sie hatte sich einstweilen nur ein Kind vorgestellt, einen kleinen Jungen. Natürlich würde er Otmar ähnlich sehen, glatte blonde Haare und Otmars Mund und Nase haben. Aber die Augen würde er vielleicht von ihr geerbt haben.
Diese Träume hatten Irene umfangen, während sie im Garten Rosen gepflanzt und Unkraut gejätet hatte. Doch die Zeit war vergangen, und der Wunsch nach Kindern hatte sich nicht erfüllt. Lange Zeit war ihr nicht aufgefallen, dass Otmar immer mürrischer wurde und immer seltener zu Hause war. Sie langweilte sich nicht. Sie hatte ja das Haus und den Garten und ihre Träume.
Zu Anfang ihrer Ehe war ihr ihre neue prachtvolle Umgebung als etwas Unwahrscheinliches erschienen. Sie hatte kaum fassen können, dass sie nicht mehr in einem engen Untermieterzimmer hausen musste. Ihre Eltern lebten in München, aber dort hatte sie keine Stelle gefunden, als sie mit ihrer Ausbildung fertig gewesen war. Deshalb war sie nach Maibach gekommen und hatte hier in einer Volksschule unterrichtet.
Eines Tages hatte sie Otmar kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Er war groß, blond, braungebrannt und hatte dunkle Augen. Schon nach einer Bekanntschaft von zwei Monaten hatte er sie gefragt, ob sie seine Frau werden wolle, und sie hatte freudig eingewilligt. Drei Wochen später waren sie verheiratet gewesen.
Irene hatte ihren Mann so sehr geliebt, dass sie sich ihm völlig unterordnete und ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Als ihr klargeworden war, dass in ihrer Ehe etwas nicht stimmte, hatte sie den Fehler bei sich selbst gesucht. Sie hatte ein schlechtes Gewissen gehabt, weil Otmar in materieller Hinsicht sehr viel in die Ehe mitgebracht hatte, sie hingegen nur ihre Liebe.
Und dann waren die von ihm und auch von ihr so heiß ersehnten Kinder ausgeblieben. Irene hatte in immer kürzer werdenden Abständen einen Frauenarzt aufgesucht, der ihr jedoch jedes Mal versichert hatte, dass alles mit ihr in Ordnung und kein Grund vorhanden sei, warum sie keine Kinder bekommen sollte. Sie müsse bloß Geduld haben. Die hatte sie ja, nur bei Otmar lag die Sache anders. Er sprach nun nicht mehr von der Einrichtung des Kinderzimmers, schien überhaupt keine Pläne mehr für die Zukunft zu machen. Er vernachlässigte Irene, schützte dringend notwendige Überstunden vor und verbrachte einen großen Teil seiner Freizeit in irgendwelchen Vereinen, bei irgendwelchen Veranstaltungen, zu denen er Irene nie einlud.
Irene hatte ihn nach wie vor verwöhnt, seine schlechte Laune hingenommen und ihn umsorgt. Doch allmählich war sie in Lethargie verfallen, was ihrer Freundin Erika gründlich missfallen hatte. Bei ihrem nächsten Besuch hatte sie Billie mitgebracht.
Otmar war über den neuen Hausgenossen nicht sonderlich erfreut gewesen, aber er hatte ihn geduldet. Irene jedoch hatte Billie sofort ins Herz geschlossen. Da war nun endlich jemand, der sie über ihre Einsamkeit hinwegtröstete und der ihr durch seine Anhänglichkeit deutlich zeigte, dass er ihr die Liebe, die sie in ihn investierte, wieder zurückgab.
Otmar hatte sich kaum um Billie gekümmert und im Übrigen die wachsende Freundschaft zwischen Irene und Billie mit amüsierter Überlegenheit betrachtet.
»Du und dein Hund!«, pflegte er zu sagen, wenn er gut aufgelegt war. Wenn er schlechter Laune war, setzte er noch hinzu: »Ja, wenn wir Kinder hätten! Für sie wäre Billie ein idealer Spielgefährte. Aber dass du so kindisch bist und mit dem Hund stundenlang spielst, verstehe ich nicht.«
Irene hatte zu diesem Vorwurf geschwiegen, obwohl sie mancherlei hätte entgegnen können. Etwa, dass Otmar sie vernachlässigte, während Billie für jede Minute, die sie ihm widmete, dankbar war. Aber Irene liebte Otmar und wollte keinen Streit heraufbeschwören, was ihr indessen immer schwerer fiel, denn Otmars Gereiztheit ihr gegenüber stieg von Tag zu Tag. Allmählich hatte sie das Gefühl, dass ihm überhaupt nichts mehr an ihr lag, dass sie ihm im Gegenteil nur lästig war.
Und heute war die aufgestaute Spannung zum Ausbruch gekommen. Irene saß da, grübelte über die fürchterliche Szene und konnte keine Erklärung dafür finden. Billie hatte Otmar doch nichts getan. Als er gehört hatte, dass sein Herrchen die Eingangstür aufschloss, war er schwanzwedelnd durch die Diele gelaufen, um ihn zu begrüßen, während Irene gesagt hatte: »Schau, Otmar,