Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3. Dirk van den Boom

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Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3 - Dirk van den Boom

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ihrem Leben einen Sinn zu geben. Gott, dessen war sie sich sicher, war einfach nur sehr gelangweilt und hatte Angst, sich selbst zu verlieren. Er musste die ewige Glückseligkeit auf jeden Fall vermeiden, und was war dazu besser geeignet, als sich jede Menge Probleme zu schaffen und dann zu vergessen, dass man der Urheber derselben war? Es war die perfekte Lösung für eine sinnvolle Existenz, wenn diese objektiv sinnlos war.

      Und dennoch, der Sog war da. Die Sucht, die Ausschüttung von riesigen Mengen Glückshormonen. Thasri ging durch die Datenmengen wie ein Junkie, der den besten, den reinsten, den mächtigsten Stoff gefunden hatte, den ultimativen Kick, den Trip aller Trips. Sie musste sich beherrschen. Sich reglementieren, sich aufhalten. Sie musste sich Probleme schaffen oder zumindest sich dieser erinnern. Sie musste ihrer Recherche, ihrer Tauchfahrt durch die Erkenntnis, einen realen Sinn, eine Funktion geben.

      Sie war gut ausgebildet. Ihr Gehirn war eine trainierte Maschine. Sie konnte das. Sie hatte es im Griff. Sie konnte jederzeit damit aufhören, wenn sie es nur wollte.

      War es eine Eingebung oder nur das Ergebnis ihrer Ausbildung, dass sie irgendwann mit der Systematik ihrer Durchsicht auf eine ungewöhnliche Weise begann. Nicht damit, die tiefste Historie der Kath zu ergründen, ihre Kultur und Sprache, ihre Expansion, ihre Politik. Alles sehr interessant, und sie würde sich dieser Sucht ein anderes Mal ergeben. Stattdessen tat sie etwas halb Überlegtes, halb Spontanes: Sie suchte nach den Koordinaten, die Horton Vigil ihnen überlassen hatte, aus dem seltsamen Hilferuf in einem auseinandergebrochenen Kollapsar, in dem Lebewesen in ewigem Eis gefangen gehalten wurden. Oder aufbewahrt. Ob sie noch lebten oder nicht, das wusste niemand. War es, wie sie vermuteten, der Eiskern, der Ort, an dem Dendh die Geschicke des Kalten Krieges lenkte?

      Thasri rechnete nicht mit einem Ergebnis.

      Sie bekam aber eines. Die Koordinaten entsprachen einem Satz, der im Speicher des Datenwürfels enthalten war. Die Kath kannten die Koordinaten und das Symbol für »Dridd« war mit ihnen verbunden, was möglicherweise bedeutete, dass es sich tatsächlich um den Eiskern handelte. Thasri war sehr vorsichtig mit den Dridd. Wenn sie einen Fehler machte, wurden sie zur nächsten Sucht nach den Kath. Eine noch stärkere, noch geheimnisvollere, noch schwieriger zu befriedigende Gier nach Wissen, das in der Vergangenheit verborgen liegt. Thasri wusste, dass die Gefahr real war.

      Dennoch. Dies war wichtig. Sie wollten dorthin. Vielleicht wussten die Kath …

      Sie las. Sie verstand. Und dann, nach einer guten halben Stunde des intensiven Studiums all dessen, was die Kath ihr überlassen hatten, dem Verfolgen von Querverweisen und anderen Referenzen, hatte sie ein Bild gewonnen, das nur eine Schlussfolgerung zuließ: Sie waren alle ein ganz klein wenig auf dem Holzweg.

      »Aume!«, sagte sie ins Leere.

      Das Schiff antwortete sofort. »Thasri. Kommst du auf die Brücke? Wir wollen die nächsten Schritte besprechen und es scheint, als würde es einen weiteren Aufbruch geben.«

      Die Wissenschaftlerin wusste nicht, was damit gemeint war. Die Gruppendynamik ihrer seltsamen Gefährten hatte sie noch nicht ganz durchschaut, weil sie sich viel mehr mit dem befasste, was die Kath ihr hinterlassen hatten. Sie waren kein Team und sie wollte auch nicht allzu viele Emotionen in diese Beziehungen investieren. Sie kam ganz gut alleine zurecht, das zeigten ihre Erfahrungen aus der eigenen Vergangenheit.

      Aber ein wenig neugierig wurde sie durch Aumes Ankündigung schon. Ehe sie losging, wollte sie noch loswerden, was sie auf dem Herzen hatte.

      »Aume, hast du Zugriff auf mein Kath-Geschenk?«

      »Nein. Und du hast es mit deinem eigenen Datenleser aufgerufen. Ich könnte den knacken. Ich respektiere aber deine Privatsphäre. Etwas Wichtiges gefunden?«

      Sollte sie das glauben, das mit der Privatsphäre?

      Sie beschloss, das Spiel mitzuspielen. Sich dieser Illusion nicht hinzugeben, war etwas verstörend.

      »Ich habe etwas gefunden und wir alle sollten darüber reden.«

      »Dann komm auf die Brücke.«

      Thasri erhob sich, stopfte den Datenspeicher in ihre Tasche. Die Sucht ließ nach und machte neuer Entschlossenheit Platz. Ihre Suche hatte einen Sinn, sie ertrank nicht in der Ekstase der Erkenntnis. So war es besser.

      »Ich bin schon unterwegs.«

      6

      Als Thasri die Brücke betrat, war sie die Letzte, die die Neuigkeit mitbekam, an der alle anderen bereits mit unterschiedlicher Begeisterung kauten. Aume aber war nicht überrascht. Ihre Menschenkenntnis, unterstützt durch ein sehr effektives neurales Netzwerk, wuchs stetig an. Es gab immer weniger Unerwartetes für sie.

      Darius und sein Freund Sol reisten ab. Es war keine wirklich spontane Entscheidung. Der Prinz, sich seiner eigenen Bedeutung nun vollends gewahr, gehörte nicht zu jenen, die mitliefen, egal wie bescheiden er sich auch gab. Er hielt sich für jemanden, der handelte und Verantwortung übernahm. Die Gene einer langen Linie von Gewaltherrschern ließen sich nicht verleugnen, und wer nicht an die Macht der DNA glaubte, dann vielleicht an die einer Sozialisation. Aume war mit beidem zufrieden. Sie verstand Darius und aus diesem Verständnis erwuchs der eklatante Mangel an Überraschung.

      Es musste lange im Prinzen gekocht haben. So lange und tief verborgen, dass es selbst Aume eine ganze Weile verborgen geblieben war, die alles sah, alles hörte und deren Erkennungsroutinen für menschliche Mimik und Gestik eine nahezu perfekte Qualität erreicht hatten. Doch dann, kurz nachdem sie sich endgültig zum Aufbruch entschlossen hatten, um das Elend nicht länger mit ansehen zu müssen, hatte er es angekündigt. Es war kein Vorschlag gewesen. Eine Entscheidung, nachvollziehbar, von klarer Motivation und dennoch unvorhergesehen für alle anderen, nicht zuletzt, da sie alle begriffen, wie dieser Schritt beide Männer ins Verderben zu führen in der Lage war.

      »Mein Vater muss die Kontrolle verloren haben – entweder über sich oder über das Imperium, und ich weiß nicht, was von beidem schlimmer ist«, waren seine einleitenden Worte gewesen und es folgten weitere, eine Art Rechtfertigung, gewiss eine Erklärung, aber vor allem ein Weg, sich noch einmal selbst davon zu überzeugen, dass dieser Schritt der richtige war. Menschen brauchten das, so hatte Aume gelernt. Sie warben um Legitimation. Selbst brutale Diktatoren gierten nach ihr, einer höheren Bestätigung, die ihre persönlichen Motive vertretbar machten.

      Aume fand das eher schwierig.

      »Es ist gefährlich«, sagte Vocis unnötigerweise, offenbar erfüllt vom Beschützerinstinkt einer imperialen Soldatin, die von früh an darauf konditioniert worden war, ihr Leben für die Herrscherfamilie hinzugeben, egal welche Bedrohung sich ihr in den Weg stellen sollte. Sie konnte nichts dagegen tun, aller Selbstkontrolle zum Trotz, denn die Psychomechaniker der Ausbildungseinheiten verstanden ihr Geschäft. Noch mehr Sozialisation.

      »Ich bin mir der Gefahr bewusst, aber ich kenne mich im Zentrum der Macht aus«, erwiderte Darius begütigend, wohl wissend, dass Vocis dieser Beruhigung zur Wahrung ihrer geistigen Stabilität bedurfte. »Ich nehme Sol mit, denn er hat Talente, die mir helfen werden.«

      Sol nahm diese Bemerkung zum Anlass, selbstgefällig zu grinsen, das erste Mal seit geraumer Zeit, dass er zufrieden wirkte.

      »Wie wollen Sie vorgehen?«, fragte Plastikk, wie stets an den praktischen Aspekten ihrer Absichten interessiert.

      »Ich kenne Leute. Solche, die meinen Ansichten zugeneigt sind. Ich werde mit ihnen Kontakt aufnehmen. Und ich werde mit meinem Vater reden.« Er machte eine betonte Kunstpause. »Ob er nun will oder nicht.«

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