Mörder-Quoten. Leo Lukas

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Mörder-Quoten - Leo Lukas

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Und ob es ihm schmeckt oder nicht, er wird dabei Unterstützung brauchen. Für manche Recherchen sind die Umgangsformen, die er über die Jahre kultiviert hat, ungeeignet bis kontraproduktiv. Hingegen besitzt dieser Szily, so scheint es, soziale Fertigkeiten im reichen Maß …

      Der Kleinwagen ist kein Ferrari. Das macht nichts; der Bravo fährt sowieso maximal 137 km/h, obwohl es auf der niederösterreichischen Seite des Wechselgebirges nicht regnet und die lange Gerade zwischen Grimmenstein und Wiener Neustadt trocken ist. Zu schnell wäre unklug, zu langsam ebenso: Wer sich sklavisch genau an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, erweckt mittelfristig ähnlich viel Aufmerksamkeit wie ein Raser.

      Da die Eisenbahn für die Strecke Graz–Wien zweieinhalb Stunden benötigt, kommt der Bravo mit genügend Vorsprung in der Bundeshauptstadt an, um einen Parkplatz zu finden und Peter Szilys Adresse auszukundschaften. Die Gasse ist verkehrsberuhigt, die zweistöckigen Häuser ähneln einander stark, sie wurden wohl zur selben Zeit errichtet. Das schmucklose Vorhaus von Nummer 19 war, nach dem Kopfsteinpflaster zu schließen, früher ein „Durchhaus“, eine Kutscheneinfahrt. Am hinteren Ende führt links eine Treppe nach oben, rechts ein kurzer Gang zu den drei Wohnungen im Parterre. Dort wartet der Bravo. Er hat einen Bleistift hinters Ohr geklemmt und ein Maßband in der Hand. Wenn jemand die Stiege herunterkommt, misst der Bravo die Oberlichte der Hoftür ab: 146 mal 57,3 Zentimeter. Niemand nimmt von ihm Notiz.

      Heimlichkeit ist eine seiner großen Stärken. Die zweite ist das genaue Gegenteil: Un-heimlichkeit, also Überrumpelung und Entmutigung. Diese Mittel wendet der Bravo viel seltener an. Nach Möglichkeit vermeidet er die Konfrontation, schon gar jeglichen Dialog mit einem Opfer. Idealerweise ist der einzige Kontakt der finale, letale. Aber falls notwendig, kann er einem Gegenüber blitzartig solchen Schreck einjagen, dass es zu keiner Abwehrreaktion mehr fähig ist. Dazu muss er nicht laut werden und auch keine Schuss- oder Stichwaffe bemühen.

      Bei Peter Szily funktioniert die Einschüchterungstaktik perfekt. Während er am Postkasten hantiert, tritt der Bravo lautlos an ihn heran, räuspert sich, und als Szily zusammengezuckt und herumgewirbelt ist, zitiert ihn der Bravo, ebenso leise wie eindringlich: „Ah ja. Und da bist du nun.“

      Szilys Mund klappt auf. Er ringt um Atem und Fassung. Bevor er seine so betörende Stimme wiederfinden kann, sagt der Bravo: „Gehen wir, Pezi. Los, raus.“ Er stößt die angelehnte Tür zum Hinterhof mit der Schuhspitze auf. Mit dem ausgestreckten Arm treibt er Szily, ohne ihn zu berühren, vor sich her.

      Im Hof stehen drei kümmerliche Bäume, fünf Mülltonnen und eine verwitterte Rattan-Sitzgarnitur. Ein windschiefer Holzschuppen schmiegt sich an die Begrenzungsmauer zum Nachbargarten. „Hinein da!“

      Drinnen hängt allerlei Werkzeug an den Wänden. Es gibt keine Fenster, aber durch Ritzen zwischen den Brettern fallen Lichtstreifen. Der Effekt verleiht der Enge eine zusätzliche Dramatik, die einen Bühnenmenschen wie Szily gewiss nicht kaltlässt.

      Der Bravo zeigt auf die schmale Bank. „Setz dich, Pezi. Hast du bis jetzt irgendwem von mir erzählt?“

      „N-nein.“ Szily hüstelt, leckt sich über die Lippen. „Hören Sie, es besteht keinerlei Grund für eine Kurzschlusshandlung. Wie ich Ihnen schon in Graz sagte: Nichts, was in diesem Ordinationsraum gesprochen worden ist, wird darüber hinaus dringen. Mein Ehrenwort!“

      Sagt er die Wahrheit? „Du hast mich verarscht. Tu das nie wieder. Ich mag es nicht, verarscht zu werden.“

      „Bitte verzeihen Sie mir. Es lag keineswegs in meiner Absicht, Sie, ähem, respektlos zu behandeln.“ Seine Stimme gewinnt an Volumen und Selbstsicherheit hinzu.

      Dem ist gegenzusteuern. „Wir müssen alle sterben“, sagt der Bravo leichthin. „Die Frage ist, wie bald. Manchmal liegt die Entscheidung bei einem selbst.“ Er kramt langsam, wie gedankenverloren, in seiner Umhängetasche, zieht raschelnd den Zipfel eines Plastiksacks heraus, stopft ihn zurück, schließt die Tasche wieder. Indirekte Drohungen, hat er die Erfahrung gemacht, wirken viel besser als direkte. Den schlimmsten Horror erzeugt immer noch die eigene Fantasie.

      Peter Szily schluckt. Er ist ein paar Zentimeter größer als der Bravo und in den Schultern um einiges breiter. Trotzdem wirkt er unterlegen, wegen seiner schlechten Haltung und der mangelhaften Körperspannung. Das Gewand ist gefällig kombiniert, findet der Bravo, der sich mit Herrenmode auskennt: Unpassende Kleidung ergibt keine gute Ver-kleidung. Allerdings sind sowohl die Lederjacke als auch die Sneakers einige Jahre zu jung für Szily. Er dürfte das nahende Alter spüren, sich aber bemühen, es nicht an sich heranzulassen, wie auch andere unliebsame Dinge.

      „Glauben Sie mir“, sagt er in nun wieder kleinlautem Tonfall, die Hände wie zum Beten gefaltet, „ich werde Ihnen garantiert keine Schwierigkeiten bereiten.“

      „Was meinst du, Pezi? Schwierigkeiten welcher Art?“

      „Keine. Gar keine! Wir tun einfach, als wären wir einander nie begegnet, okay? Ich lasse Sie in Frieden, und vice versa. Jeder geht seiner Wege, nichts ist passiert.“

      „Niemand trägt Schaden davon.“

      „Ja. Genau! Wir verstehen uns. Alles ist gut.“ Er fächert die Finger auf. „Kann ich jetzt gehen?“

      „Nein. Ich vertraue dir nicht. Beweis mir, dass du es ehrlich meinst.“

      „Wie, wie soll sich …“ Szily, der schon zum Aufstehen angesetzt hat, sackt zusammen. „Was verlangen Sie als Beweis?“

      „Du assistierst mir dabei, die Hintergründe von Pekareks Ermordung aufzudecken.“

      „Was?“

      Szily gafft ihn so entgeistert an, dass der Bravo erkennt: Der andere fürchtet sich zwar vor ihm, keine Frage – aber er hält ihn nicht für einen Berufskiller, sondern schlicht für wahnsinnig. Verdammter Besuch beim Psychiater! Nie wieder, schwört der Bravo, wird er sich mit dieser Bagage einlassen. Egal. Momentan spielt es keine Rolle, warum ihm Szily gehorcht. Hauptsache, er spurt und hält dicht. „Du sollst deine große Klappe einsetzen, aber ausschließlich so, wie ich es dir anschaffe, klar?“

      „Ehrlich gesagt …“

      „Ein Wort, ein einziges Sterbenswörtchen nur, das dir über mich herausrutscht, und du siehst nie wieder die Sonne aufgehen. – Gib mir dein Handy.“

      „W-W-Wieso?“

      „Frag nicht lang. Her damit, Pezi.“ Er nimmt das Smartphone entgegen und öffnet es mithilfe eines Uhrmacher-Schraubenziehers. Dann steckt er eine Chipkarte in den Hybrid-Slot. „Das ist ein spezielles Modul“, erklärt er. „Über diese Karte kann ich dein Gerät in Fernsteuerung nehmen. Du kennst das Gerücht, dass Google bei den meisten Handy-Mikrofonen mithört?“

      „Mhm“, nickt Szily. Er verzieht das Gesicht. Wie viele seiner Zeitgenossen identifiziert er sich dermaßen mit dem Mobiltelefon, dass er fast körperliche Schmerzen verspürt, wenn sich ein anderer daran zu schaffen macht.

      „Dass ich bei dir mithören kann, ist definitiv kein Gerücht, verstehst du? Ab sofort weiß ich auch, wo du bist, welche Nachrichten du verschickst und so weiter.“ Der Bravo schließt die Abdeckung und gibt das Handy zurück. „Du hast jetzt einen unsichtbaren großen Bruder, Pezi. Vergiss das nie. Und komm gar nicht erst auf die Idee, diesen Chip entfernen zu wollen.“ Er klopft auf die Brusttasche, aus der sein eigenes Smartphone ragt. „Selbstverständlich würde ich das ebenfalls unverzüglich bemerken.“

      Peter Szilys Teint war von Anfang an nicht der gesündeste. Nun changiert er zwischen

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